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Taktik-Rückblick: Die Gründe für Markus Anfangs Scheitern beim 1. FC Köln

Foto: Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images

>>> Saisonrückblick (1): Top aufgestellt in der falschen Liga
>>> Saisonrückblick (2): Vorentscheidung bei der Mitgliederversammlung
>>> Saisonrückblick (3): Sportliche Pflichterfüllung ohne Kür
>>> Saisonrückblick (4): Spinners Abgang und viele interne Querelen
>>> Saisonrückblick (5): Der Veränderungsprozess geht weiter

Am 27. April 2019 war die nur kurze Ära Markus Anfangs beim 1. FC Köln bereits wieder Geschichte. Diese Entlassung kann dabei durchaus kritisch hinterfragt werden, da sich der effzeh zu dieser Zeit mit einem guten Punktepolster auf Platz eins der zweiten Bundesliga und damit voll auf Aufstiegskurs befand. Später sollte sich herausstellen, dass der 1. FC Köln sogar mit der unter Anfang erreichten Punktzahl aufgestiegen wäre – das konnte zum Zeitpunkt der Entlassung aber auch keiner ahnen. Armin Veh entschied sich dann dennoch dazu, die Trennung vom ehemaligen Kieler Trainer in die Wege zu leiten, um sich für die neue Saison neu aufzustellen.

Eine genaue Betrachtung offenbart, dass es durchaus nachvollziehbare taktische Gründe dafür gab – und zwar deren vier, die uns Gastautor Denis (effzeh-Podcaster bei Trotzdem Hier) dankenswerterweise aufbereitet hat. Über andere Gründe im Bereich des „Verlierens der Kabine“ soll hier nicht spekuliert werden. Los geht es mit dem ersten Grund, der Frage nach dem richtigen System und den passenden Spielern.

Grund eins: Markus Anfang stellte das System über die Spieler

Als Markus Anfang im Sommer in die Domstadt am Rhein wechselte, kam er mit der blendenden Visitenkarte aus Kiel, die KSV von der dritten Liga in die Relegation zur ersten Liga geführt zu haben, wo man nur knapp am VfL Wolfsburg scheiterte. Dabei tat sich Anfang vor allem als Trainer mit einem erfrischenden Spielstil und klaren Abläufen in einem fest verankerten 4-1-4-1-System hervor, in dem der Spielaufbau flach und hart über die Spielmitte erfolgen sollte.

Dieses 4-1-4-1 sollte Anfang nun beim gerade nach rekordverdächtig schwacher Saison abgestiegenem 1. FC Köln implementieren. Dazu durfte er nicht nur einige Wunschspieler wie Rafael Czichos, Lasse Sobiech, Niklas Hauptmann oder Dominick Drexler mitbringen, sondern bekam auch den fußballerischen Rohdiamanten Louis Schaub von Rapid Wien hinzu. Diese Neuverpflichtungen, gepaart mit verbliebenen Routiniers wie Hector, Höger, Risse und Horn, sollte eine hohen Variabilität ermöglichen. Vor allem, da man bereits im Winter der Vorsaison den mehrfachen Zweitliga-Torschützenkönig Simon Terodde für sich gewinnen konnte und mit Nachwuchsspielern wie Noah Katterbach (immerhin Gewinner der Fritz-Walter-Medaille 2018 – gemeinsam mit einem gewissen Kai Havertz), Nikolas Nartey, Yann-Aurel Bisseck und Chris Führich einen guten Unterbau sein Eigen nennen konnte. An Anfang lag es nun, dieses Spielermaterial zu einem funktionierenden Gesamtgefüge zusammenzuschweißen.

Grafik: Denis von “Trotzdem Hier”

Dabei stand für Anfang seit dem ersten Vorbereitungsspiel fest, dass es das 4-1-4-1 aus Kiel werden sollte. Nachvollziehbar, da man ihn ja gerade deswegen geholt hatte. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass man für dieses System keinen geeigneten Sechser im Kader hat, der alleine den ganzen Sechserraum abdecken kann und zudem gegnerischen Angriffe im Keim ersticken kann, aber auch durchbrechende Angreifer aufnehmen kann. Einen solchen raumgreifenden Sechser gibt der Kader schlicht nicht her, Salih Özcan fehlte schlicht die Erfahrung, um eine der anspruchsvollsten Rollen im Weltfußball bereits ausfüllen zu können, Marco Höger (der zudem zu Beginn verletzt fehlte) besitzt nicht die dafür nötige Dynamik und Vincent Koziello nicht die körperliche Robustheit.

Fehlende Balance in der Kaderzusammenstellung des 1. FC Köln

Jonas Hector, der dies aus taktischer Sicht in der zweiten Liga noch am Besten löste, als er dort an den ersten Spieltagen eingesetzt wurde, wurde bald als Linksverteidiger der Viererkette benötigt, da es auch hier an geeigneten Kandidaten mangelte und sich der junge Jannes Horn auch in Liga 2 nicht durchzusetzen vermochte. Gerade mit offensivdenkenden Spielertypen wie Drexler und Schaub auf der Doppel-Acht wurde dem Sechser eine sehr große defensive Balancegebung zuteil, die kein Spieler im Kader restlos gewähren konnte.

Der Kader gab also weder einen geeigneten Sechser für dieses System her, noch einen zweiten Linksverteidiger hinter Hector, um diesen dauerhaft für das defensive Mittelfeld freizugeben. Zudem fehlte es an einem geeigneten offensiven Linksaußen. Dort wurden zwar einige Spieler fachfremd eingesetzt (Drexler, Guirassy, Schaub), jedoch wusste keiner von ihnen dort dauerhaft zu überzeugen, da die jeweiligen Stärken der Spieler zentraler liegen. Zudem schaffte das System Härtefälle – so sieht das System nur einen Stürmer vor, was dazu führte, dass sich der designierte Torschützenkönig Terodde zu Beginn der Saison auf der Bank wiederfand, da Anfang in Jhon Cordobá wohl einen Spielertypen sah, der mehr Defensivarbeit verrichten kann und daher wichtiger für die defensive Balance dieses fragilen Systems sein würde. Auch in der Abwehr musste aus dem Trio Czichos/Meré/Sobiech einer mit dem unbequemen Bankplatz vorlieb nehmen. Für das konterartige Ballbesitzspiel des ehemaligen Kieler Trainers fehlt es dem FC zudem schlicht an schnellen Spielern.

Die Gründe für die Systemaufstellung auf 3-5-2

All diese Probleme wären schon zu Beginn der Saison mit einem 3-5-2 zu lösen gewesen, da es alle drei Innenverteidiger und beide Stürmer integrierbar machen würde, das Problem des Linksaußen lösen würde und dem Sechser mehr Unterstützung geben würde, da sich das Zentrum mehr verdichten ließe. Jedoch wollte Anfang sein Zwei-Viererketten-System (noch) nicht aufgeben, obwohl sich bereits früh eine defensive Instabilität aus o.g. Gründen in der Zone des Sechsers abzeichnete – wie etwa beim 5:2 über St. Pauli. Zu-Null konnte man in diesem System überhaupt nur zwei Mal spielen: Am ersten Spieltag gegen Bochum, was allerdings eher an Bochumer Abschlussschwäche lag (15 Torschüsse des VfL) sowie gegen schwache Sandhausener  – selbst beim Regionalligisten BFC Dynamo aus Berlin lag man im DFB Pokal zunächst zurück.

Anstatt aber diesen Problemen durch eine Systemumstellung zu begegnen, hielt Anfang an seinem Kieler System fest, passte aber die Rollen an: So wurde Koziello öfter auf der 8 eingesetzt, um eine Hybridrolle aus 8er und 6er zu spielen – eine komplizierte Aufgabe, in der sich der junge Franzose öfters verlor.

Gegen Dresden erstmals mit zwei Stürmern

Diese Probleme sollten sich bis zum 9. Spieltag immer mehr hochsummieren, obwohl mit Höger, Bader und Schmitz sogar weitere Spieler mit gewisser Qualität aus dem Krankenstand zurückkehrten. Dies führte dazu, dass der „Effzeh“ zwischen dem 9. und 12. Spieltag gar kein Spiel gewinnen konnte und das System im HSV-Spiel (das man 0:1 verlor) einen Totalabsturz erlebte, der dem FC gar keine offensive Momente mehr im Spitzenspiel der zweiten Liga bescherte.

Vermutlich auf den eindringlichen Rat Armin Vehs hin musste sich etwas ändern und Anfang stellt gegen Dynamo Dresden auf das 3-5-2 um. Die Mannschaft spielte wie befreit auf, schaffte Synergien um den starken Schaub – der gegen den HSV noch recht draußen spielen musste, nun aber in der Mitte eingebunden wurde – überlud konsequent den Zehnerraum der Dresdner mit Drexler, Schaub und dem zurückweichenden Cordobá und erspielte sich so Chance um Chance. Das System führte zu einer langen Siegesserie und Mannschaft und Trainer schienen sich gefunden zu haben.

Grafik: Denis von “Trotzdem Hier”

Doch bereits zum Ende der Hinrunde/Beginn der Rückrunde zeigten sich Ermüdungserscheinungen und die Schwächen dieses Systems traten immer öfter zutage, da die Gegner besser darauf eingestellt waren – doch dazu mehr unter Punkt 4.

Verstärkungen im Winter schaffen keine Abhilfe

In der Wintertransferphase geschah nun genau der gegenteilige Effekt im Vergleich zum Sommer: Armin Veh kaufte Markus Anfang mit Johannes Geis und Florian Kainz zwei Spieler, die genau die Schwachstellen des zuvor praktizierten 4-1-4-1 lösen würden: Geis ist am stärksten, wenn er im Spielaufbau zwischen zwei Innenverteidiger einer Viererkette zurückfallen und von dort seine Quarterback-Pässe spielen kann und Kainz ein bundesligaerprobter Linksaußen – auf Grund Mängeln in seiner Rückwärtsbewegung aber ganz sicher kein linker Wingback.

Als nun also die Rückkehr zum 4-1-4-1 dem versierten Beobachter wahrscheinlich schien, tat Anfang jedoch das Unerwartete und verharrte in dem 3-5-2 – ob auf eigenen Antrieb, auf Wunsch der Mannschaft oder auf Druck Vehs wird wohl sein Geheimnis bleiben. Jedoch zwang das Festhalten am System mit den beiden Winterneuzugängen erneut Spieler in Rollen, die ihre Stärken nicht zur Geltung bringen, sondern im Gegenteil ihre Schwächen betonen: Der Effzeh spielte eine merkwürdigen Aufbauraute, Geis konnte nicht mehr zurückfallen, seine langen Pässen gerieten zu lang und landeten im Nirgendwo.

Grafik: Denis von “Trotzdem Hier”

Kainz hingegen musste die gesamte linke Flanke abdecken, was zu Problemen im Halbraum hinter ihm führte (siehe Punkt 4) – Anfang hatte also nicht aus seinen Fehlern gelernte, sondern stellte einmal mehr sein System über das vorhandene Spielermaterial und deren Stärken. Ein System, das sowohl Kainz als auch Geis integrieren hätte können als auch Härtefälle fast überall vermieden hätte, wäre ein 4-4-2 mit Doppelsechs, gewissermaßen als Kompromiss, gewesen, aber dies wurde in der Wintervorbereitung nicht ausprobiert. Es gelang ihm so nie, die Spieler an ihre Leistungsgrenzen zu führen, weil das gewählte System die jeweils eingesetzten Spieler meistens eher in ihrer Leistung hinderte als sie zum Vorschein zu bringen. Zudem versammelte das System nun mit Höger, Czichos und Geis gleich drei Spielertypen, die im Spielaufbau alle eher zum langen Ball greifen als zum flotten Kurzpass. Das Mittelfeld wurde immer häufiger einfach überspielt und man setzte ganz auf die individuelle Klasse der Stürmer, denen man im Strafraum viel Glück wünschte. Der Versuch, dies durch Spielertypen wie Koziello, Nartey oder Schaub zu ändern, wurde gar nicht erst unternommen.

Auf der nächsten Seite: Der zweite Grund – In-Game-Coaching.

Grund zwei: Fehlendes oder fehlerhaftes In-Game-Coaching

Einer der größten Kritikpunkte der Fans war stets das fehlende Reagieren auf Spielverläufe und taktische Umstellungen des gegnerischen Teams. In der Tat war es so, dass Anfang im laufenden Spiel sein System sehr selten änderte – meistens wechselte er positionsgetreu, Änderungen an der Statik des Spiels ergaben sich nur durch andere Interpretationen der jeweiligen Rolle durch andere Spielertypen. Höchst selten beorderte er einmal einen zweiten Spieler auf die tiefe Position des Fünfer-Mittelfeldes in den Sechserraum, eine Umstellung z.B. auf eine Viererkette etwa bei häufigen Durchbrüchen auf den Flügeln geschah nie. So ist auch zu erklären, dass der 1. FC Köln nur zwei mal in einem Ligaspiel nach Rückstand noch als Sieger vom Platz ging (gegen Sandhausen und St. Pauli) – man konnte schlicht nicht adäquat reagieren, wenn sich der Matchplan nicht umsetzen ließ, dem Team konnten durch taktische Änderungen keine Lösungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden.

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Wenn Anfang dann doch einmal im laufenden Spiel etwas am Gesamtgefüge der taktischen Anordnung änderte, was selten genug geschah, gingen seine Überlegungen nicht auf. Beispielhaft sei hier der Sobiech-Wechsel im Rückspiel gegen den HSV genannt: Da der Kölner Fußballclub sichtlich in Probleme geriet, als der HSV forscher nach vorne spielte und konsequenter die Halbräume überlud, um vor allem den starken Jatta immer wieder freizuspielen, gelang es dem eingewechselten Risse nicht, die rechte Seite dicht zu bekommen. Laut Interviewaussagen des Coaches nach dem Spiel wünschte seine Mannschaft sich eine Reaktion, wohl um Risse zu unterstützen.

Beispiel: Was löste der Sobiech-Wechsel gegen Hamburg aus?

Der Kölner Trainer nahm mit Terodde also den 28-Tore-Mann raus und brachte Lasse Sobiech für die halbrechte Seite – Am System änderte sich trotzdem nichts, da (der sichtlich erschöpfte) Höger ins Mittelfeld ging und die Dreierkette so erhalten blieb. Ironie des Schicksals, dass der Ball ausgerechnet von Sobiech abprallte und vor Wintzheimers Füße fiel, als dieser den späten Ausgleich erzielte. Zwar waren Anfangs Überlegungen hier nachvollziehbar, aber Höger war zu erschöpft, um das Mittelfeld neben Geis (dem auch Fitness fehlt, da er vor seinem Wechsel kaum Spielpraxis hatte) dicht zu bekommen, Sobiech war ein mismatch für die offensiven Spielertypen des HSV. Zudem hang nach dem Wechsel der einzig verblieben Stürmer, Cordobá, völlig in der Luft, es fand keine offensive Entlastung mehr statt. Auf der Bank verblieben mit Koziello ein frischer Sechser und mit Schaub ein spielauslösender Nadelspieler, der Cordobá auf die Reise hätte schicken können.

Im Rückblick muss man wohl mutmaßen, dass Anfang hier das Vertrauen seiner Spieler in sein taktisches Handlungsvermögen verlor: es folgten Niederlagen gegen Dresden und Darmstadt.

Auf der nächsten Seite: Grund drei – Angriffsmuster im Ballbesitz.

Grund drei: Fehlen von Angriffsmustern im Ballbesitz

Dieser Punkt sollte verwundern, da doch gerade deshalb Anfang mit Holstein Kiel in der vergangenen Saison für Furore sorgte. Spielverlagerung schrieb dazu: „Eine der interessanten Eigenschaften und Qualitäten von Kiel ist, dass die KSV zwar eine sehr gute Kontermannschaft ist, aber auch relativ gute Ballbesitz-Strukturen aufweist. Kiel vereint beide Aspekte dadurch, auch seine Angriffe aus dem Ballbesitz heraus mit viel Zug und Tempo – ziemlich konter-mäßig – zu spielen. “

Nichts davon war beim 1. FC Köln in dieser Saison zu sehen. Spätestens mit der Umstellung auf ein 3-5-2 (vgl. oben) war die Idee des flachen Spielaufbaus durch hochschiebenden Außenverteidiger ad acta gelegt und es gelang Anfang nicht, seine Spielidee in das neue System (das ihm ja von Sportdirektor Armin Veh „empfohlen“ wurde) herüberzuretten. Dies hatte den Effekt, dass die Mannschaft im Laufe der Saison, anstatt sich spielerisch stetig weiter zu entwickeln, in immer einfachere Angriffsmuster verfiel. Gegen Ende der Anfang’schen Ära verfiel man sogar zusehends in „hero ball“ und wurde immer abhängiger von Einzelaktionen der Stürmer Terodde/Cordoba sowie deren Tagesform. Da es für den Gegner aber kaum noch überraschende Angriffsmomente gab – und sich inzwischen nun wirklich bis zu jedem rumgesprochen hatte, dass man im Wesentlichen nur zwei Spieler decken muss – wurde es zusehends leichter, den Effzeh zu verteidigen und gerade Terodde aus dem Spiel zu nehmen – 7 Rückrundentore gegenüber 21 Hinrundentoren sprechen da eine deutliche Sprache.

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Standardstärke und individuelle Klasse als Triebfeder für die Tore

Da dies bei Jhon Cordobá, der einen von Haus aus höheren Aktionsradius hat, ungleich schwerer fiel, konnte immerhin er noch den Ansprüchen des Heldenballs genügen und den Domstädtern weiterhin zu Toren verhelfen. Es ist auch keine Überraschung, dass in diesen Rahmenbedingungen ein freier Spielertyp wie Dominick Drexler seine individuell beste Phasen haben konnte. Dies war aber eher ein glücklicher Nebeneffekt anstatt eines geplanten Offensivzuges, da man kaum annehmen darf, dass ein Trainer bewusst seinen besten Stürmer (Terodde) kaltstellen lässt, um einen anderen Spieler zum Vorschein zu bringen (Drexler).

Zwar mag sich nun der eine oder andere Leser wundern, warum dem FC hier mangelnde Offensivmuster unterstellt werden angesichts von 76 erzielten Toren, allerdings ist dies als schleichender Prozess zu betrachten, der erklärt, warum der FC in der Hinrunde im Schnitt 2,7 Tore/Spiel erzielt hat, aber in den 15 Spielen der Rückrunde unter Anfang nur noch 2,1. Zieht man allerdings alle Tore nach Standards und klaren Torwartfehlern ab, bleiben nur noch 17 Tore übrig, die man in der Rückrunde aus dem Spiel heraus erzielen konnte (1,1 pro Spiel). Es ist wohl einzig der Standardstärke von Johannes Geis sowie der individuellen Klasse vor allem Drexlers und Cordobás während unübersichtlichen Situationen nach Ecken oder Freistößen zu verdanken, dass der Effzeh noch oben mitspielt. Von der einstigen Kieler Verve im Angriffsspiel war spätestens seit Mitte der Rückrunde kaum noch etwas zu sehen, die Anfang’sche Spielidee war verraten.

Auf der nächsten Seite: Grund vier – Defensivprobleme.

Grund vier: Keine Lösung für Defensivprobleme

Die ganze Saison über plagte sich der 1. Fußballklub aus Köln mit Problemen in der defensiven Absicherung seines Wundersturmes. Am 31. Spieltag hatte der FC bereits 41 Gegentore hinnehmen müssen (zum Vergleich: beim Tabellenzweiten, dem HSV, waren es nur 33), nur acht Spiele in der Saison konnten gegentorfrei bestritten werden (HSV: 12). Dabei zeichneten sich nach der Umstellung auf 3-5-2 (siehe oben) zwei Muster für Gegentore ab, die Anfang in der gesamten Saison über nicht in den Griff bekommen hat: Zum Einen eine merkwürdige, die Saison durchziehende Schwäche nach gegnerischen Standards – dabei hat Anfang im Laufe der Saison sogar von einem eher raumorientierten Verteidigungsansatz zu einer eher klassischeren Mannorientierung umgestellt – insofern, als dass die beim Gegner als gefährlich identifizierten Spieler unter Manndeckung genommen wurden.

Hierbei kam beim FC allerdings das Problem zum Tragen, dass die Mannschaft eher klein ist – der einzige Stammspieler über 1,90m ist Simon Terodde – ein Stürmer. Keiner der drei Stamminnenverteidiger knackt diese Marke (Höger: 1,83m, Czichos: 1,88m, Meré: 1,82m) – einzig der hünenhafte Lasse Sobiech (1,96m) hätte hier für Abhilfe sorgen können, durfte aber gerade in den letzten fünf verhängnisvollen Spielen nicht mehr oder nur sehr begrenzt spielen. Zwar kann Anfang nichts für die Zusammenstellung der Mannschaft, allerdings opferte der Trainer mit seiner Aufstellung Kopfballstärke für Spielstärke. So wurde sogar der eigentliche Mittelfeldspieler Marco Höger zum zentralen IV der Dreierkette umfunktioniert, anstatt Sobiech spielen zu lassen, dem man kein gutes Aufbauspiel attestierte.

Muster bei Gegentoren

Da dies jedoch reine Spekulation ist, macht es mehr Sinn, auf das zweite Muster bei Gegentoren zu blicken – so fielen viele Tore des Gegners, gerade gegen eher spielschwache Teams, nach einem sehr ähnlichen Ablauf: Der Torwart oder einer der Defensivspieler schlägt einen weiten Ball nach vorne in den Raum, den die mangelnde Rückwärtsbewegung des linken Wingbacks Florian Kainz im Halbfeld offenbart, ein schneller Flügelstürmer peilte diesen Raum mit hoher Geschwindigkeit, aus der Tiefe kommend, an und zwang den linken Halbverteidiger Rafael Czichos so in ein 1:1-Duell, welches der Abwehrspieler nur selten für sich gewinnen konnte, da der Angreifer eben aus der Dynamik kam und Czichos zudem Schnelligkeitsdefizite hat.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Dem Linksaußen des Gegners war also zumeist der Durchbruch möglich, er konnte nun entweder direkt schießen oder seinen kantigen Stürmer im Zentrum suchen, der erneut oft Größenvorteile gegen Höger/Meré hatte. Die Rückrundentore der Duisburger aber auch der Paderborner gegen Köln können als Musterbeispiele für beide genannten Probleme gelten.

Um der Gegentorflut Herr zu werden, setzte Anfang zunehmend auf defensive Spielertypen, gerade im Mittelfeld. Durch die Bankversetzung von Spielern wie Koziello und Schaub schaffte man vielleicht eine generell höhere defensive Stabilität zu kreieren, allerdings zugunsten der Spielstärke – und die offensichtlichen Defensivschwächen, wie sie oben beschrieben wurden, wurden damit nicht gezielt behoben.

Fazit:

Wie versucht wurde aufzuzeigen, ist Anfang vor allem an mangelnden taktischen Anpassungen – im Makro- wie auch im Mikrotaktischen – gescheitert. Sein Kieler System konnte er in Köln nie implementieren und im Laufe der Saison setzte er immer mehr auf simple Abläufe anstatt auf einstudierte Spielzüge, die seine Idee zu berechenbar machten und eher einen unkreativen Heldenball anstatt gepflegten Fußball hervorriefen, obwohl der Kader anderes hergäbe. So ergab sich stets das Gefühl, die Mannschaft bliebe unter ihrem Leistungsmaximum. Sicherlich gibt es noch andere Defizite – etwa mangelndes Vertrauen in junge Spieler oder Erbhöfe für Spieler, die das Leistungsprinzip aushebeln – aber aus taktischer Sicht lagen hier die größten Defizite.

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