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Lebenswege beim 1. FC Köln: Massimo Cannizzaro – “Der, der den Ball duzte”

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? Autor Kurt Ludwigs traf Massimo Cannizzaro, der, einst ein großes Talent, auch die negativen Seiten des Geschäfts kennenlernte.

Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Im Sommer 2007 meldet sich der SC Freiburg in Person von Robin Dutt bei ihm, der mit ihm die Sturmreihe der Breisgauer verstärken möchte. „Der HSV ließ mich nicht gehen“, bedauert Cannizzaro noch heute. „Ich wollte unbedingt nach Freiburg, als spielerisch guter Mittelstürmer hätte ich dort gut hingepasst, aber für die Zweite des HSV ging es in der folgenden Saison um die Qualifikation für die eingleisige Dritte Liga, und da benötigte man ein möglichst starkes Team.“

In der zweiten Saison beim HSV verhindert ein Syndesmoseriss mehr als die 22 Einsätze in der Regionalliga; er erzielt aber mit seinen sieben Treffern mannschaftsintern die meisten Tore. Sein Vertrag läuft aus, Angebote kommen unter anderem auch aus dem Osten Deutschlands.

Massimo Cannizzaro und das beste Spiel seiner Karriere

Der Drittligist Rot-Weiß Erfurt verpflichtet ihn schließlich zur Saison 2008/2009 und stattet ihn mit einem Zweijahresvertrag aus. Im DFB-Pokal spielen die Erfurter in der ersten Hauptrunde gegen den deutschen Rekordmeister Bayern München. Es ist das Pflichtspiel-Debüt des neuen Trainers Jürgen Klinsmann, das Match wird live von der ARD übertragen. An diesem schönen Spätsommerabend spielt Massimo Cannizzaro im Trikot mit der Nummer 9 vor 24 500 Zuschauern im Steigerwaldstadion und Millionen vor den heimischen Fernsehern.

Er macht das Spiel seines Lebens. „In diesem Spiel habe ich gesehen, wie der Fußball für mich hätte sein können, wenn ich nicht so oft verletzt gewesen wäre“, schwärmt der ehemalige Fußballer noch heute, jedoch auch mit einer Spur Wehmut.  „Das Paradoxe dieses Sports ist ja, dass Du besser zurechtkommst, je höher Du spielst.“

In der Tat, Cannizzaros Pfostenschuss, mehrere von Torwart Michael Rensing vereitelte Großchancen wie auch sein Tor zum zwischenzeitlichen 1:1 in der 1.Halbzeit sowie sein Assist zum 3:3 durch Albert Bunjaku und eine große Chance in der 90. Spielminute, die das 4:4 bedeutet hätte, sprechen eine deutliche Sprache; die BILD-Zeitung gibt ihm die Note “1”.

Alleine schon die Torschützen der Bayern verdeutlichen, dass es keineswegs eine B-Mannschaft ist, mit der die die Bayern zu einem glücklichen 4:3-Sieg kommen: Philipp Lahm, Lukas Podolski, Miroslav Klose und Toni Kroos trafen für den Branchenprimus. Neben Cannizzaros Gegenspielern Lucio und van Buyten setzt Klinsmann dazu noch Zé Roberto, Mark van Bommel und Bastian Schweinsteiger ein.

Eine erneute vertane Chance

Die Zeitung “Welt” schreibt am nächsten Tag: „Im zweiten Abschnitt ging es dann drunter und drüber. Die Münchner verloren völlig ihre Linie und gewannen trotz der erneuten Führung durch Klose keine Kontrolle mehr über die Partie. Auch nach dem 3:4 durch Kroos, der nach einer tollen Parade von Orlishausen zur Stelle war, gaben die tapferen Erfurter nicht auf und wurden von ihren Fans gefeiert.“

JENA, GERMANY - FEBRUARY 14 : Massimo Cannizzaro of FC Rot-Weiss Erfurt celebrates with his team mates his 0:1 goal while goalkeeper Carsten Nulle of FC Carl Zeiss Jena looks frustrated during the third league match between Carl Zeiss Jena and Rot-Weiss Erfurt at the Ernst-Abbe-Sportfeld Stadium on February 14, 2009 in Jena, Germany (Photo by Enrico Radloff/Bongarts/Getty Images for DFB)

Foto: Enrico Radloff/Bongarts/Getty Images for DFB

Auch in der Liga läuft es für Cannizzaro gut; die neun Tore, die er in der Hinrunde erzielt, bescheren ihm einen Spitzenplatz in der Torjäger-Liste der Dritten Liga und rufen in der Winterpause einige Interessenten auf den Plan. Der Trainer des damaligen Zweitligisten TuS Koblenz, Uwe Rapolder, unterbreitet ihm ein verlockendes Angebot, doch Rot-Weiß Erfurt lässt ihn nicht ziehen.

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„Der damalige Manager sagte mir, dass mein Sturmpartner Albert Bunjaku, der nur noch bis Sommer Vertrag hatte, im Winter zum 1.FC Nürnberg wechseln werde und dies die letzte Möglichkeit für Erfurt sei, eine Transferentschädigung zu erhalten“, sagt der damals Umworbene. „Mein Vertrag dagegen lief noch 18 Monate, und der Verein wollte nicht beide Torjäger zur gleichen Zeit verlieren.“

Über Kiel und Koblenz zurück nach Köln

Wieder ist eine Chance, bei einem höherklassigen Verein zu spielen, vertan. Cannizzaro bleibt in Erfurt, muss bleiben; die Rückrunde verläuft – ohne seinen Sturmpartner Bunjaku – eher durchwachsen. Trainer Karsten Baumann wird durch Rainer Hörgl abgelöst. In der Winterpause meldet sich der Ligakonkurrent Holstein Kiel bei ihm, er unterschreibt für zweieinhalb Jahre dort.

„Unter Trainer Christian Wück hatten wir eigentlich eine gute Truppe beisammen“, befindet Cannizzaro. „Trotzdem sind wir am Ende der Saison abgestiegen. Das Problem war, dass mein Vertrag nur für die dritte Liga galt“.

Inzwischen in der dritten Liga spielend, meldet sich im Sommer erneut die TuS Koblenz bei ihm und verpflichtet ihn für ein Jahr. Die Saison beginnt gut, im DFB-Pokal besiegt das von Petrik Sander trainierte Team in den ersten beiden Runden Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC, bevor der 1. FC Kaiserslautern in der 3. Runde die Endstation bedeutet. Im November 2010 reißt sich Massimo Cannizzaro dann im Training die Achillessehne.

ROSTOCK, GERMANY - AUGUST 08: Kevin Pannewitz (R) of Rostock and Massimo Cannizzaro (L) of Koblenz battle for the ball during the Third League match between Hansa Rostock and TuS Koblenz at the DKB Arena on August 8, 2010 in Rostock, Germany. (Photo by Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images

„Das war im negativen Sinne das Tüpfelchen auf dem I“, sagt Cannizzaro. „Es war kein glatter Riss, die Achillessehne war zerfetzt. Ich wusste instinktiv, das könnte es gewesen sein.“ Es sollte 22 Monate dauern, bevor er wieder ein Spiel bestreiten kann. Er erinnert sich: „Jeden Tag war ich für mehrere Stunden in der Reha, jeden Tag, und das Woche für Woche, Monat für Monat, und immer wieder dieselben Übungen und dieselben Anwendungen. Daran hat man dann irgendwann auch mental zu knabbern.“

“Ein Traineramt ist nichts für mich”

Sein ehemaliger Co-Trainer in Koblenz, Uwe Koschinat, der inzwischen Trainer bei Fortuna Köln ist, holt ihn im Sommer 2012 zum Südstadt-Club. Cannizzaro trainiert eisern, um für die neue Saison in der Regionalliga West fit zu werden. Der Club hat Ambitionen, möchte unbedingt den Aufstieg in die Dritte Liga schaffen. Dazu brauchen sie einen Torjäger, einen „Knipser“, wie Massimo Cannizzaro es war. „Ich hätte nicht zur Fortuna gehen sollen“, räumt dieser heute ein. „Die Leute bei der Fortuna, vor allem die Fans, haben gedacht: ‘Ah, der Cannizzaro, der schießt jetzt Tore wie am Fließband für uns‘. Aber ich war nicht mehr der Spieler, der ich mal war.“

Er absolviert noch 15 Spiele in dieser Saison, schießt drei Tore. Ohne Schmerzmittel kann er nicht auflaufen, die Achillessehne schmerzt zu sehr. Er beendet seine Karriere und – er hat inzwischen die nötigen Trainerlizenzen erworben – wird in der Saison 2013/2014 Koschinats Co-Trainer. „Dieses Jahr war sehr wichtig für mich“, sagt Cannizzaro. „Ich habe viel nachgedacht und dabei erkannt, dass ein Traineramt im Profibereich nichts für mich ist. Ein solcher Job ist zwangsläufig mit vielen Ortswechseln verbunden, ich aber wollte nicht mehr von einem Ende Deutschlands zum anderen ziehen, wollte mit meiner Frau und meinen Kindern zusammen sein.“ Im Sommer 2014 verlässt er Fortuna Köln.

Auf der nächsten Seite: Die Zeit nach der Karriere.

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