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Lebenswege beim 1. FC Köln: Tobias Nickenig – Big Nick, Abwehrkante mit Ballgefühl

Der Lebensweg des Tobias Nickenig: Aus dem Rheinland zum Club seiner Träume, dem 1. FC Köln, harte Arbeit, Verletzungen, eine ereignisreiche Karriere. Nach Erfolgen im Jugendbereich verpasst er den ganz großen Durchbruch in der Bundesliga, spielt in Osnabrück und Aue und wird schließlich Sportdirektor in Thailand. Auch heute noch arbeitet Tobias Nickenig im Fußball-Geschäft.

Tobias Nickenig im Testspiel gegen den FC Grenchen vor der Saison 2006/07 (Foto: imago/Geisser)

Er ist erst 30 und muss jetzt entscheiden, wie seine Zukunft aussehen soll. Christian Lang, ein ehemaliger Mitspieler in der Jugend des 1. FC Köln und langjähriger Freund, stellt den Kontakt zur Deutschen Sparkassenversicherung in Wiesbaden her. „Ich bin dorthin gefahren und habe mir alles angeschaut. Ich würde dort im Büro sitzen, die Bestimmungen des Versicherungsrechts verinnerlichen und Schadensfälle bearbeiten. ‘Willst Du das?’, habe ich mich gefragt und wusste sofort, dass die Antwort ein klares Nein war.“

Zur gleichen Zeit bekommt er Anrufe und Anfragen von allen möglichen Personen aus dem Fußballgeschäft, die ihn bitten, Kontakte herzustellen und seine Verbindungen zu ehemaligen Trainern, Spielern und Vereinen spielen zu lassen. Er merkt, dass dies etwas ist, was ihm liegt. Ein Zufall öffnet ihm dann die Tür ins Spielerberatungsgeschäft. „Jeremy Dow, mein letzter Berater, betreute damals einen thailändischen Nachwuchsspieler, der in Düsseldorf spielte“, erzählt der frühere Kölner „Er wusste, dass Björn Lindemann, den ich aus Osnabrück kannte und der ein enger Freunde geworden war, mittlerweile in Thailand spielte, und bat mich, über ihn für den Jungen eine Einladung zur U19-Nationalelf Thailands zu besorgen. Der Zufall wollte es, dass der Athletik-Trainer der U19 ebenfalls ein Deutscher war.“

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Einstieg in die Spielerberatung – und Sportdirektor in Thailand

Nickenig fliegt mit dem Jungen nach Thailand, trifft sich mit den wichtigsten Personen im Thai-Fußball und verschafft dem Nachwuchstalent eine Einladung zur U19. Mit Lindemanns Unterstützung baut er sich innerhalb kürzester Zeit ein Netzwerk dort auf und vermittelt kurz darauf Marco Tagbajumi, einen Stürmer von AEL Limassol, zu Nakhon Ratchasima Mazda FC. Der Präsident dieses Clubs, George Duangmanee, findet Gefallen an der zupackenden Art Nickenigs und bietet ihm den Posten als Sportdirektor der Swat Cats an.

Tobias Nickenig in Thailand (Foto: Tobias Nickenig)

Nickenig soll dem Club europäische Strukturen verleihen und den Verein strategisch für die Zukunft aufstellen. Er nimmt das Angebot an und geht seine Aufgabe mit großem Elan an. „Ich musste jedoch recht schnell feststellen, dass die Uhren dort etwas anders ticken“, erinnert er sich. „Der Wille zur Veränderung mag vorhanden gewesen sein, allerdings haperte es an der Umsetzung. Oft hieß es „sabai, sabai“, das heißt „ruhig, ruhig“, es ging einfach nicht richtig voran, und deshalb bin ich dann am Ende der Saison wieder zurück nach Deutschland gegangen.“

Die Gründung der Globall Sports GmbH mit Ricardo Tavarez

Schon vor seiner Zeit in Thailand hat er mit Ricardo Tavarez einen alten Bekannten aus Kölner Zeiten wiedergetroffen, mit dem er auch den Transfer von Tagbajumi abgewickelt hat. Tavarez hat lange im SportsLab gearbeitet und gilt als Entdecker von Pedro Geromel. Für den brasilianischen Innenverteidiger fungierte er ebenso als Dolmetscher wie für die portugiesischen Spieler des FC, Petit und Henrique Sereno. Später dann fädelte er die Transfers von Geromel nach Mallorca und von Sereno nach Valladolid ein. Nickenig und er tun sich zusammen und gründen mit der Globall Sports GmbH eine Sportmanagement-Agentur. Als relative Neulinge in diesem Geschäft holen sie sich Rat unter anderem bei Christoph Daum und Michael Meier, die ihnen nahelegen, als Newcomer zunächst Nischenmärkte zu suchen und zu besetzen.

“Durch meine Knie- und Leistengeschichten kann ich mich in Spieler hineinversetzen, die verletzungsbedingt Rückschläge erleiden.”

Die Kontakte nach Thailand erweisen sich hierbei als hilfreich, so vermitteln sie Manuel Bihr, einen ehemaligen Zweitligaprofi beim 1.FC Nürnberg und bei den Stuttgarter Kickers, zu Bangkok United, wo er derart überzeugen kann, dass er mittlerweile Kapitän der Nationalelf Thailands ist. Inzwischen sind sie über die Kontinente hinweg tätig, sind immer noch in Asien sehr aktiv, aber auch in Südamerika, in der Türkei, Belgien, Portugal und mittlerweile auch in Deutschland. Tobias Nickenig kann dabei auf zahlreiche eigene Erfahrungen zurückgreifen. „Durch meine Knie- und Leistengeschichten kann ich mich in Spieler hineinversetzen, die verletzungsbedingt Rückschläge erleiden“, erläutert er. „Andererseits habe ich aber auch hinsichtlich der Gestaltung und Erfüllung von Spielerverträgen so manches erlebt, was ich in die Beratung der von uns betreuten Spieler einfließen lassen kann.”

Eine Karriere mit tollen Erfahrungen, aber auch mit vielen Verletzungen

Wie sieht die Bilanz seiner Fußballkarriere aus? „Ich habe vieles im Fußball erlebt, das ich nicht missen möchte“, sagt er. „Meine Jugendzeit beim FC war wunderschön, die zwei Jahre in Osnabrück waren fantastisch, vor allem der Aufstieg und die Pokalfights in der ersten Saison. Die Auslandserfahrungen haben mich nicht nur als Fußballer weitergebracht und auch an die Zeit in dem familiären Umfeld in Aue denke ich gerne zurück. Auf den Stationen meiner Laufbahn sind viele Freundschaften entstanden, von denen einige bis zum heutigen Tage Bestand haben.“ Er hält einen Moment inne. „Natürlich war auch Negatives dabei. Die vielen Verletzungen, die mich mitunter genau dann zurückwarfen, wenn es für mich persönlich gerade gut lief. Die Quälerei in der Reha, die Zweifel, ob ich wieder mein volles Leistungsniveau würde abrufen können. Unterm Strich überwiegen jedoch ganz klar die positiven Erlebnisse.“

Einer der unvergesslichen Momente in seiner Karriere – Nickenig (Bildmitte) nach dem Pokalsieg gegen den BVB  (Foto: imago/osnapix)

Hat er noch Verbindungen zum 1. FC Köln? „Nicht viele. Von den handelnden Personen aus meiner Zeit bei dem Verein sind kaum noch welche da.“ Verfolgt er die Spiele des Geißbockclubs? „Vor zwei Jahren war ich zum letzten Mal im Stadion – mit Finn, meinem neunjährigen Sohn“, sagt er und lächelt dabei. „Meine Mutter sagt, dass er sie sehr an mich in diesem Alter erinnern würde. Auch er ist total fußballbegeistert und würde am liebsten den ganzen Tag dem Ball hinterherjagen. Nach der Schule schnell nach Hause, Hausaufgaben erledigen und dann mit seinen Freunden auf den Fußballplatz, genau wie ich damals.“

Zum Ende des Gesprächs, das wir pandemiebedingt via FaceTime führen, reden wir noch eine Weile über seine Arbeit in der Globall Sports GmbH. Er erzählt von „seinen“ Spielern, von Richard Sukuta-Paso, der über Südkorea nun beim thailändischen Police Tero FC gelandet ist, von Stanislav Iljutcenko, der inzwischen für Jeonbuk Hyundai in der koreanischen K-League aufläuft und dort auf Boris Tashchy und Mario Kvesic trifft, die bei den Pohang Steelers ihr Geld verdienen. Tobias Nickenig erzählt und beim Zuhören spürt man seine Energie, die Begeisterung, das Feuer für die Tätigkeit, die seit mittlerweile fünf Jahren sein berufliches Leben ausfüllt. Ich muss an Szenen aus seinen Spielen für den VfL Osnabrück denken, in denen er weder sich noch seine Gegenspieler schonte. Diese Hingabe, die Bereitschaft, alles zu geben, die ihn einst auf dem grünen Rasen auszeichnete, scheint er nun auch als Spielerberater an den Tag zu legen. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für einen nachhaltigen Erfolg im neuen Lebensabschnitt.

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