Auch international gibt es nicht wenige Fachleute, die bestimmte Aspekte der Talentförderung im Nachwuchsbereich mit Skepsis betrachten. So wird etwa Thomas Tuchel mit folgender Aussage dazu zitiert: „Vielleicht tragen diejenigen, die nachher etwas Besonderes werden, das Besondere in sich. Und wenn das so ist, dann sollte es darum gehen, sie dazu zu bringen, dass sie sich selbst den Weg freikämpfen – und nicht, dass wir ihnen den Weg freiräumen.“ Hat Thomas Tuchel Recht?
Aus meiner Sicht: voll und ganz! Den jugendlichen Fußballern, die sich in einem Alter von 13, 14 oder 15 Jahren in einer ganz wichtigen Entwicklungsphase befinden, wird heute allzu oft vermittelt, dass sie das Wichtigste auf der Welt sind. Wir suggerieren in allem, was wir tun, dass wir um die Gunst dieses jugendlichen Fußballtalents buhlen, sei es, dass wir ihnen die Koffer hinterhertragen oder wir sie wie auch immer betüddeln. Das tut der Entwicklung dieser Spieler in der Regel nicht gut.
Und genau da ist aus meiner Sicht ein wichtiger Grund zu suchen, warum viele erfolgsversprechende Karrieren am Ende doch nicht erfolgreich verlaufen, weil eben in dieser Phase ein falscher Eindruck vermittelt wird. Und da kommt ja noch eines hinzu: Wenn dann diese Jugendtalente nicht mehr abliefern, nicht mehr ihre Leistung zeigen, sind sie im Nu weg vom Fenster und werden fallengelassen. Deswegen benötigt man im Umgang sehr viel Verantwortungsbewusstsein auf Seiten des Vereins, der Eltern und nicht zuletzt der Berater, damit das gut bewältigt wird.
Wie wird dies im Nachwuchsbereich der KAS Eupen gehandhabt?
Wir haben kein Nachwuchsleistungszentrum und arbeiten im Nachwuchsbereich in erster Linie mit nebenamtlichen Trainern. Und trotzdem trainieren wir bis zu sechsmal in der Woche. Die Spieler haben bis 16 Uhr Schule und kommen dann abends zum Training. Das ist schon ganz schön hart und daran sieht man auch, dass die Anforderungen an unsere Nachwuchsspieler hoch sind, zumal sie schulisch nur wenig bis gar keine Unterstützung durch uns bekommen. In dieser Hinsicht ist jeder Spieler für sich selber verantwortlich, wir bieten ihm lediglich das Training sowie hier und da die Möglichkeit, die Hausaufgaben mit Unterstützung zu bewältigen.
Das sind schon gravierende Unterschiede etwa zu den großen Nachwuchsleistungszentren in Deutschland und anderswo. Zudem verlieren wir jedes Jahr fünf bis zehn unserer besten Talente an NLZs und größere Clubs in Belgien. Trotzdem können wir immer wieder punktuell im Jugendbereich mithalten, auch gegen den FC oder gegen Anderlecht oder Genk.
Wir durften jetzt einiges über Vergangenes und Aktuelles erfahren, es gibt aber eine Zeitebene, die noch fehlt. Deshalb: Wie sehen die Zukunftspläne von Christoph Henkel aus?
Meine Zukunft wird hoffentlich weiter im Fußball sein, wobei ich auch nicht ausschließen will, dass ich mich irgendwann einmal anderen Themen widmen könnte, vielleicht zum Ende der beruflichen Phase. Zuvor möchte ich aber noch einige Jahre im Fußball verbringen und weiter im Profibereich tätig sein. Und dabei sollte meine Aufgabe immer auch mit der Entwicklung von Talenten und deren Einbau in ein Profiteam verbunden sein.
Mein nächstes Ziel ist es, mitzuwirken an der Vision, wie sich die KAS Eupen in der Zukunft aufstellen kann und möchte. Dazu gehört, dass man gute Ideen entwickelt, ein nachhaltiges und tragfähiges Konzept erarbeitet und dafür sorgt, dass für die Umsetzung entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Wenn das alles stimmt, kann ich mir vorstellen, dass es für mich auch über das Ende meines jetzigen Vertrags, der zum 31. Dezember 2022 endet, hinaus weitergeht in Eupen.
Lassen Sie uns ganz zum Schluss noch einmal zum Anfang zurückkommen, dorthin, wo alles begonnen hat, beim 1. FC Köln. Haben Sie heute noch Verbindungen zum Klub?
Ja, natürlich. Ich habe noch freundschaftliche Verbindungen zu den Menschen, mit denen ich im Nachwuchsbereich zusammengearbeitet habe und die dort weiterhin tätig sind. Ihnen bin ich heute noch sehr dankbar für die wunderbare Zeit. Vielleicht darf ich stellvertretend für alle Rainer Kubern erwähnen, der wie Kitt den Nachwuchs beim FC seit Jahrzehnten zusammenhält. Ich bin weiterhin Mitglied beim FC und verfolge natürlich mit Interesse, was um den Club herum passiert. Zudem wohne ich in Bickendorf und bin alleine schon durch die geographische Nähe nach wie vor eng mit dem Verein und der Region verbunden. Weit über 20 Jahre lang war ich im Verein tätig und da entsteht eine Verbundenheit, die bleibt, die Bestand hat.
Christoph Henkel mit Ehemaligen des 1. FC Köln. v.l.n.r.: Wolfgang Gommersbach, Frank Schaefer, Christoph Henkel und Thomas Mick (Foto: Wolfgang Gommersbach)
Andererseits ist es auch unglaublich bereichernd, nach diesen langen Jahren im Klub den Blick auch einmal von außen auf den Verein richten zu können. Der berufliche Wechsel nach Belgien hat mir die Möglichkeit eröffnet, aus der bisweilen eher einseitigen Perspektive in Deutschland herauszukommen, den Blick weiter zu fassen und feststellen zu können, dass es Menschen gibt, die über bestimmte Dinge auch etwas anders denken. Das war für meine persönliche Entwicklung sehr bereichernd.