Zusätzlich habe ich jede Menge Datenmaterial zu ihm. Wenn ein Scout jedoch einen 14jährigen Nachwuchsspieler scoutet, hat dieser Spieler noch keine Geschichte und es gibt wahrscheinlich keine Daten zu ihm. Und das erfordert dann auf der Seite des Scouts einen guten Blick sowie eine Menge Entschlussfreudigkeit.
Sie haben in Ihrer Karriere häufig mehrere Tätigkeiten zur gleichen Zeit wahrgenommen, waren z.B. Scout und gleichzeitig auch schon Trainer der U17 und U19 des 1. FC Köln. Einen Tätigkeitsbereich haben Sie zusätzlich zu Ihren übrigen Aufgaben ausgeübt und das 12 Jahre lang als Lehrbeauftragter und Dozent an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Wie kam es dazu?
Das ging damals auf meinen Kontakt zu Gunnar Gerich zurück, der an der Spoho in dem Institut für Sportlehrbetrieb Fußball tätig war und mich 1987 während meines Fußballlehrer-Lehrgangs fragte, ob ich dort Lehrbeauftragter werden wollte in einem Umfang von 18 Wochenstunden. Das war natürlich für jemanden, der Fußball unterrichten will, das Non plus ultra.
Ich habe dann zunächst zwei Jahre als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der DSHS Köln im Institut für Sportspiele SLG Fußball gearbeitet. Eigentlich wollte ich in der Zeit meine Doktorarbeit schreiben, das Thema „Aggression im Fußball“, mit dem ich mich bereits für meine Diplomarbeit beschäftigt hatte, interessierte mich sehr und hätte sich angeboten. Aber dann kamen mit der Zeit so viele Aufgaben im Scouting dazu, dass ich mich ganz auf die Aufgabe als Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter konzentriert habe.
1991 habe ich Erich Rutemöller, der als Trainer nach Rostock ging, für zwei Jahre als Dozent vertreten und habe dann noch bis 1999 als Lehrbeauftragter im Bereich SLG Fußball gearbeitet.
Sie haben über 37 Jahre beim 1. FC Köln verbracht, lehrten 12 Jahre an der Sporthochschule in Köln und sind mittlerweile im fünften Jahr Chefscout bei der KAS Eupen. Auf diesem Hintergrund: Welche Rolle spielt in Ihren Augen Treue im Fußball?
Ich glaube, dass ein Verein ein Grundfundament an treuen Spielern haben sollte, die die Identität des Clubs weitertransportieren. Denken Sie etwa an Jonas Hector beim 1. FC Köln, der dies in hervorragender Weise symbolisiert. Bei der großen Mehrzahl der Profis gibt es diese Treue nur noch ganz selten, vor allem deswegen, weil es ganz unterschiedliche Verdienstmöglichkeiten gibt und das halte ich auch für legitim. Was ich dagegen verwerflich finde, sind Spieler, die sich aus bestehenden Verträgen rausklagen wollen, die auf unlauteren Wegen versuchen, von ihrem Verein wegzukommen.
Jonas Hector, von 2010 – 2023 beim 1. FC Köln Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images
Bei Trainern sehe ich den Aspekt der Treue etwas anders, weil die Trennung ganz häufig von den Vereinen ausgeht, manchmal eher und bisweilen etwas später. Das hat man beispielsweise beim FC jetzt mit Baumgart gesehen, von dem man geglaubt hat, dass er wie Christian Streich in Freiburg eine Ära prägen könne, und dann wird er doch nach zwei Jahren entlassen. Aber man sieht an Streich und auch an Frank Schmidt bei Heidenheim, dass auch ein Verein dem Trainer treu bleiben kann, wenn der Trainer es gut macht.
Im Nachwuchsbereich sehe ich es als ungemein wichtig an, dass dort eine Kontinuität in der Ausbildung besteht und Trainer über eine lange Zeit arbeiten können, wo es eine etablierte Struktur gibt, wo man sich gegenseitig zuarbeitet, wo kontinuierlich miteinander gesprochen wird.
Es hat den Anschein, dass auch in Ihrer langen Karriere der Begriff der Treue eine wichtige Rolle spielt. Woran liegt das?
Es stimmt, ich war fast 38 Jahre lang beim 1. FC Köln und habe viele Kontakte zu Persönlichkeiten, die ich schon lange kenne wie Erich Rutemöller, der mein Trainer bei den FC-Amateuren war, wie Christoph Henkel, mit dem ich sehr vertrauensvoll in der Nachwuchsabteilung des FC zusammengearbeitet habe und dies auch jetzt in Eupen tue, wo er Generaldirektor der KAS ist, oder Rouven Schröder, mit dem ich bei unterschiedlichen Vereinen war, um nur einige zu nennen.
Siggi Marti mit dem ehemaligen Trainer der KAS Eupen, Florian Kohfeldt (Foto: privat)
Ich bin jetzt im fünften Jahr in Eupen und werde dort bleiben, bis ich aufhöre. Ich habe nicht mehr vor, den Verein zu wechseln. Vielleicht werde ich in meiner Rente als Teilzeitscout für einen meiner Leute arbeiten, mit denen ich gut zurechtgekommen bin, wer weiß.
In Ihrer Karriere hat alles beim 1. FC Köln angefangen, nun wollen wir unser Gespräch auch dort enden lassen. Was löst der Verein in Ihnen heute noch aus?
Eine ganze Menge. Ich habe zu dem Verein ein sehr emotionales Verhältnis, das bleibt in Köln ja auch gar nicht aus. Selbstverständlich singe ich die Hymne mit, wenn ich im Stadion bin, zuletzt bei der 0:1-Heimniederlage gegen Werder Bremen.
Ich war weit über 30 Jahre Teil dieses Vereins, vieles ist vertraut. So gibt es immer noch zahlreiche Wegbegleiter hier. Frau Latz etwa, die langjährige Chefsekretärin, Manni Schadt, Rainer Kubern, Rainer Thomas und Carsten Cullmann in der Nachwuchsabteilung, die beiden Zeugwarte, Kreso Ban und Frank Almstedt, und natürlich Erich Rutemöller. Zum FC zurückzukommen fühlt sich ein bisschen an wie nach Hause kommen, und das soll auch so bleiben.