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Interviews

Lebenswege beim 1. FC Köln: Siggi Marti – im Fußball zu Hause

Siggi Marti trägt nicht nur den Geißbock im Herzen, sondern arbeitet auch seit deutlich über 40 Jahren im Fußballbusiness, hat sehr viel gesehen und erlebt und erzählt im ausführlichen Lebenswege – Interview über sein Leben als Spieler, Scout, Trainer und Dozent.

Siggi Marti, 2. von links, mit Rainer Thomas, Frank Schaefer und Hans Kirsch 2006 in Bitburg (Foto: privat)

Irgendwann hat mir Rouven dann ein Angebot gemacht, wobei ich deutlich gemacht habe, dass ich nur nach Mainz kommen würde, wenn ich niemandem seinen Job wegnähme. Rouven hat aber meine Bedenken zerstreut, auch in Mainz wollte er die Scouting-Abteilung völlig neu aufstellen. Und so wurde ich Chefscout in Mainz.

In Ihrer Zeit dort hat der Verein sehr gute Erfahrungen mit französischsprachigen Spielern gemacht. Wie kam das?

Wir haben uns neben Deutschland, Niederlande, Belgien und Skandinavien auch auf diesen Markt konzentriert, weil man sehr interessante Spieler verpflichten konnte, die damals auch noch zu bezahlen waren, Spieler wie Jean-Philippe Gbamin, Moussa Niakhité, Abdou Diallo oder Jean-Philippe Mateta.

Nach zwei Jahren haben dann auch andere Vereine wie Leipzig oder Leverkusen nachgezogen und dadurch sind die Preise dementsprechend in die Höhe geschnellt. Da konnten wir nicht mehr mithalten.

Im September 2019 sind Sie dann zur KAS Eupen gewechselt. Hatte das zum Teil auch familiäre Gründe, weil es von Eupen nicht weit von Baesweiler ist, wo Ihre Tochter mit ihrer Familie lebt?

Für den Wechsel gab es zwei Hauptgründe: Zum einen war ich immer schon mit Eupen verbunden, weil ich mit den dortigen Direktoren Christoph Henkel und Thomas Herbert sehr lange und gut beim 1. FC Köln zusammengearbeitet habe und der Kontakt ist auch nie abgerissen. Außerdem habe ich zum Vorsitzenden Andreas Bleicher seit gemeinsamer Hochschulzeit ein gutes Verhältnis. Ich fand auch Stadt und Verein immer sehr sympathisch. Zum anderen hatte ich damals den Eindruck, dass Rouven Schröder Mainz verlassen werde.

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Die KAS hat mir dann ein Angebot gemacht, weil auch das Scouting in Eupen neu aufgestellt werden sollte. Eupen hatte damals einen spanischen Trainer, der Sportdirektor war Spanier und auch die Scouts. Zu diesem Zeitpunkt war ebenfalls schon klar, dass die ASPIRE-Akademie im Senegal aufgegeben werden würde, d.h. es würden kaum noch Spieler aus Afrika bzw. aus Katar nach Eupen kommen. Deshalb hat sich auch die Ausrichtung geändert.

Für mich kam dann noch hinzu, dass meine Tochter mit ihrer Familie in Baesweiler wohnt und ich dort auch immer wieder übernachte, wenn ich auf längeren Scoutingtouren in Belgien oder Holland unterwegs bin. Das ist immer wieder schön, die Familie und vor allem auch die Enkelkinder zu sehen.

Welche Märkte sind es, die für die KAS Eupen nach der Schließung der Akademie im Senegal von Interesse sind?

Da wäre zunächst Belgien mit der 1. und 2. Liga sowie die guten U19-Teams zu nennen, dazu die 1. und 2. Liga in der Niederlande. In Deutschland nehmen wir vor allem die 2. und 3. Liga in den Blick sowie die Zweiten Mannschaften der großen Vereine.

Ein wichtiger Faktor ist hierbei, dass man die typischen Charakteristika der jeweiligen Ligen und des Fußballs kennt, der dort gespielt wird. Wenn man die niederländischen Ligen mit den belgischen vergleicht, stellt man fest, dass das ein ganz anderer Fußball ist.

In Belgien ist der Fußball sehr körperbetont, in der Niederlande legt man größeren Wert auf Spielerisches. Wenn man dort einen Mittelstürmer sieht, der nicht ins Pressing geht, dann heißt das noch lange nicht, dass der dazu nicht bereit ist. In Belgien wäre das so nicht vorstellbar, hier muss der Stürmer vorne richtig arbeiten. In Holland arbeiten die Stürmer auch, aber anders. Sie gehen dort mehr in die Tiefe und nehmen stärker am Spiel teil.

Wenn man sich den aktuellen Kader der Eupener anschaut, fällt in der Tat auf, dass Sie eine Reihe belgischer Talente verpflichtet wurden und eine Reihe von Spielern, die man aus Deutschland kennt, aber keine Holländer. Ist das vielleicht dem mehr körperbetonten Spiel in Belgien geschuldet?

Nun, zunächst müssen wir darauf achten, mit den Mitteln auszukommen, die uns zur Verfügung stehen. Und da bieten sich Talente aus Belgien an wie z.B. Yentl van Genechten, der aus dem Juniorenteam des KRC Genk stammt, oder Rune Paeshuyse, der von der U21 des KV Mechelen zu uns gekommen ist. Außerdem haben wir eine gute Jugend aus der immer wieder Spieler wie Lambert und Magnee zu Stammspielern der 1. Mannschaft werden.

Der frühere Schalker Victor Palsson spielt seit der Saison 2023/24 bei der KAS Eupen (Foto: BRUNO FAHY/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Dazu bauen wir auf die Erfahrung und die individuelle Qualität von Profis aus der Bundesliga wie z.B. Victor Palsson, Kevin Möhwald, Milos Pantovic und Alfred Finnbogason. Leider hat sich Bartosz Bialek beim Freundschaftsspiel in Reims direkt einen Kreuzbandriss geholt und kann erst jetzt wieder eingreifen.

Diese Spieler sind nach Eupen gekommen als Ergebnis eines sorgfältigen Auswahlprozesses. Wie kann man sich den ersten Schritt auf diesem Weg vorstellen?

Zunächst einmal muss die Scouting-Abteilung mit den sportlich Verantwortlichen Profile entwickeln, die angeben, welchen Spielertyp man für welche Position holen möchte. Nehmen wir als Beispiel die Position eines Rechtsverteidigers. Bei Eupen sieht ein solches Anforderungsprofil anders aus als beim 1. FC Köln unter Baumgart oder bei der belgischen Nationalelf unter Tedesco.

Wenn man dann einen solchen Spiele gefunden hat, seine Stärken und Schwächen sorgfältig und nach mehrmaliger Beobachtung abgewägt hat, muss man mehrere Fragen beantworten: Will der Spieler nach Eupen? Kann man ihn bezahlen? Wie lange kann er noch spielen? Dann gilt es abzuschätzen, wie ein solcher Spieler vom Charakter her ist und – bei ausländischen Aktiven – wie leicht oder schwer ihm eine sprachliche Integration fallen wird.

Wie gestaltet sich die Verpflichtung eines Spielers und was macht einen guten Scout aus?

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