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Interviews

Lebenswege beim 1. FC Köln: Siggi Marti – im Fußball zu Hause

Siggi Marti trägt nicht nur den Geißbock im Herzen, sondern arbeitet auch seit deutlich über 40 Jahren im Fußballbusiness, hat sehr viel gesehen und erlebt und erzählt im ausführlichen Lebenswege – Interview über sein Leben als Spieler, Scout, Trainer und Dozent.

Siggi Marti, 2. von links, mit Rainer Thomas, Frank Schaefer und Hans Kirsch 2006 in Bitburg (Foto: privat)

Wie sehr hat die Einrichtung des SportsLabs 2008 die Möglichkeiten des Scoutings verändert?

Als Christoph Daum kam, wurde ja sofort etwas größer gedacht – auch was die Möglichkeiten des Scoutings betraf. Die Grundidee war ausgesprochen interessant. Per praktisch unbegrenzt verfügbarem Bildmaterial erweiterte man die Möglichkeiten des datengestützten Scoutings auf eine bis dahin nicht vorstellbare Weise. Das war schon ein Quantensprung, keine Frage.

Boris Notzon war Leiter des SportsLabs und hatte über seine Beziehungen in der Medienbranche einen großen Anbieter gefunden, der einen entsprechend leistungsstarken Server mit einer Kapazität von über 80 Terabyte zur Verfügung stellen konnte, was der Kapazität von 19.000 DVDs entspricht.

Konkret sah die Arbeit so aus: Wir haben Studenten von der Sporthochschule rekrutiert, die Spiele aus europäischen Ligen sichten und systematisch nach interessanten Spielern absuchen sollten. Die Scouting-Abteilung – zu diesem Zeitpunkt unter der Leitung von 1990-Weltmeister Paul Steiner, später mit Stephan Engels als Chefscout bekam diese Infos dann zur Verfügung gestellt, damit wir eine Auswahl vornehmen und entsprechende Live-Sichtungen planen und durchführen konnten.

In diesem Zuge ist auch die von uns angelegte Datenbank ganz beträchtlich erweitert worden, so dass z.B. Spielerdaten mit entsprechenden Videos verknüpft werden konnten. Wenn ich z.B. einen bestimmten Spieler angeklickt habe, konnte ich durch einen weiteren Klick Videos mit seinen Spielszenen aufrufen. Heute sind diese Möglichkeiten noch einmal deutlich erweitert worden. So gibt es Scouting-Plattformen, bei denen ich z.B. bei der Einschätzung der Kopfballstärke des Spielers mir alle Kopfbälle anschauen, die jemals von ihm zu sehen waren. Trotz seines innovativen Ansatzes hat das SportsLab beim FC nicht überlebt. Es ist 2014 aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen eingestellt werden.

Sie haben 2014 den 1. FC Köln nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Trainer und Scout verlassen. Wie kam es dazu?

Die Einstellung des SportsLabs war nicht die einzige der eben schon angesprochenen Umstrukturierungsmaßnahmen. Nachdem Stephan Engels als Chefscout aufgehört hatte, kam es personell zu Veränderungen, so ist Heinz Hornig damals in die Nachwuchsabteilung gegangen, Herbert Zimmermann zur Fußballschule und auch Frank Schaefer, den ich sehr schätze und mit dem ich bestens zusammengearbeitet habe, war sich nicht sicher, ob er auf lange Sicht beim 1. FC Köln bleiben würde.

In der Zeit bekam ich dann irgendwann einen Anruf von Rouven Schröder, dem damaligen Sportdirektor von Werder Bremen. Ich kannte Rouven seit langem, wir waren uns immer mal wieder über den Weg gelaufen und lagen in vielen Belangen auf der gleichen Wellenlänge. Irgendwann im Laufe dieses Gesprächs fragte er mich, ob ich Lust hätte, an die Weser zu kommen, um dort in einem auf regionalen Scouts basierendes Scouting-System mitzuarbeiten. Ich sagte zu und das war eine der besten Entscheidungen, die ich in meiner Berufslaufbahn getroffen habe. Ich war dann für Belgien, Niederlande und Westdeutschland schwerpunktmäßig zuständig.

Nach 20 Jahren beim FC hatten sich viele Dinge abgeschliffen und Gewohnheiten überhand genommen. Ich merkte, dass ich eine Veränderung brauchte. Werder bot mir diese Chance. Ich konnte ich etwas Neues aufbauen, neue Erfahrungen sammeln und mein eigener Herr sein. Dort habe ich das Scouting noch einmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Das habe ich sehr genossen.

Trotzdem haben Sie Werder nach zwei Jahren wieder verlassen. Warum?

An der Qualität der Transfers, an denen ich als Scout mitbeteiligt war, lag das sicherlich nicht. Immerhin konnten wir Spieler wie Jannik Vestergaard, Zlatko Junuzovic und Koen Casteels verpflichten, um nur einige zu nennen. Nein, Rouven Schröder ist Anfang März 2016 zu Mainz 05 gegangen.

Thomas Schaaf, Siggi Marti und Matthias Hönerbach während der U21-EM 2006 in Portugal (Foto: privat)

Thomas Eichin, der damalige Geschäftsführer Sport hat im Zuge dieses Wechsels angenommen, die unter Schröder arbeitenden Scouts würden ihm folgen und hat uns ab März bei voller Bezahlung freigestellt. Richtig ist, dass der Kontakt zwischen Rouven Schröder weiterbestand, ich habe aber bis zum Ende meines Vertrags in Bremen keineswegs schon für die Mainzer gearbeitet.

Chefscout bei Mainz 05 und gute Erfahrungen mit frankophonen Spielern

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