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Ehrentribüne

Lebenswege beim 1. FC Köln: Marco Weller – mit dem Ball am Fuß ist die Welt immer in Ordnung!

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs sprach mit Marco Weller, der als Juniorennationalspieler als große Nachwuchshoffnung galt, dem dann aber nie der Durchbruch gelang.

Foto: instagram/mwell10

Ein Raunen ging durch das altehrwürdige Ludwigsparkstadion. Das angenehme Frühlingswetter hatte an diesem 4. April 2009 rund 3.000 Zuschauer angelockt, die gerade mit ansehen mussten, wie der 1. FC Saarbrücken es zum wiederholten Male verpasste, die knappe 1:0-Führung auszubauen. Der gegnerische Konter hatte den FCS in der Vorwärtsbewegung erwischt, der Spieler mit der Nummer 10 auf seinem gelben Trikot spielte einen Außenristpass über 30 Meter ins Sturmzentrum. Präzise, perfekt getimt, genau in die Schnittstelle der Abwehr der Blau-Schwarzen. Dort nahm der gerade eingewechselte Alexander Rosin den Pass perfekt an, umkurvte Torhüter Tobias Rott und traf zum 1:1-Ausgleich. Ein schönes Tor, gewiss. Elegant vollendet durch den 21-jährigen Mittelstürmer. Aber erst der Pass, der zentimetergenaue, aus dem Fußgelenk geschlagene Ball, dieser Pass eben machte das Tor zu einem besonderen Treffer.

Auf der Saarbrücker Bank hatte Trainer Dieter Ferner die Szene mit besorgter Miene verfolgt. Wieder und wieder hatte er seiner Mannschaft eingebläut, dass man auch als Tabellenerster jedes Spiel seriös, mit großer Laufbereitschaft und durchdachten Angriffen angehen muss. In der ersten Halbzeit waren sie angerannt, hatten den Gegner tief in die eigene Hälfte gedrückt. Vieles war planlos gewesen, manches fast panisch. Das Führungstor war ihnen dann auch erst vor einigen Minuten gelungen. Und nun das! Mit zwei Spielzügen war seine gesamte Abwehr ausgespielt worden. Und doch, er konnte nicht umhin, anerkennend zu nicken. Dieser Pass des Zehners, der war schon klasse, große Klasse.

Auf der Tribüne beugten sich zwei ältere Herren über das Programmheft. Sie suchten die Mannschaftsaufstellungen. Wie hieß dieser Spieler, der die Vorlage zum Ausgleich gegeben hatte? „So’n Ball, den siehste vielleicht in der Bundesliga und auch da nur ab und an“, sagte der größere von beiden und sein Sitznachbar nickte. Ein Bundesligaspiel sahen sie heute nicht, sondern die Begegnung der Oberliga Südwest zwischen dem 1. FC Saarbrücken und der SG 06 Betzdorf. „Hier, ich hab‘s“, sagte der Größere und deutete mit dem Zeigefinger auf eine Spielerliste. „Weller, Marco Weller heißt der Zehner.“ Der andere schaute wieder aufs Spielfeld. „Das war bundesligareif“, murmelte er. „Mindestens.“

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Frühbegabter Spross einer fußballverrückten Familie

Mehr als ein Jahrzehnt später sitze ich Marco Weller gegenüber, virtuell, der Pandemie geschuldet per Zoom. Der wortgewandte Mittvierziger ist ein kommunikativer und reflektierter Gesprächspartner, der anschaulich die Stationen seines Lebens mit und nach dem Fußball Revue passieren lässt. Seine Leidenschaft für diesen Sport, dem er bis heute treu geblieben ist, ist unüberhörbar. Mehrmals in dem Gespräch blitzt sein jungenhaftes Lächeln auf, etwa wenn er Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten erzählt, aber ich spüre auch eine Nachdenklichkeit, wenn er über die Schattenseiten seiner Zeit im jogo bonito berichtet, dem schönen Spiel, das bisweilen seinem Namen so gar keine Ehre machen will.

Das Licht der Welt erblickt Marco Weller am 4. August 1977 im siegerländischen Kirchen und wächst in Herdorf, einer Stadt im Herzen des Westerwalds als jüngster von drei Brüdern auf. Er wird in eine fußballverrückte Familie hineingeboren: Sein Vater spielt mit den Sportfreunden Herdorf in den 50er Jahren in der zweiten Liga Südwest, seine beiden Onkel mütterlicherseits tragen zur gleichen Zeit das Trikot des SuS Kaiserau und sind dort Mannschaftskameraden des späteren Nationaltorhüters Hans Tilkowski, sein zweitältester Bruder kommt zu Berufungen in die Rheinlandauswahl.

Auch der jüngste Spross der Familie Weller wird durch das runde Leder magisch angezogen und jagt dem Spielgerät auf den Bolzplätzen der Gegend mit Eifer und Geschick nach. Mit gerade einmal fünf Jahren streift er erstmals das Trikot der Sportfreunde Herdorf über, spielt in der dortigen E-Jugend mit deutlich älteren Mitspielern zusammen – und muss erkennen, dass aller Anfang schwer ist. „Auf Rechtsaußen machte ich mein erstes Spiel“, erinnert er sich. „Und ich hatte im gesamten Spiel nur einen einzigen Ballkontakt.“ Doch schon in der vierten Partie gelingt ihm sein erster Treffer, und lässt diesem, nachdem er zum Mittelstürmer umgeschult wird, noch viele weitere folgen.

Marco Weller im Trikot der SF Siegen im Spiel gegen die Sportfreunde Herdorf 1988 (Foto: Marco Weller)

Hier in Herdorf werden die Grundlagen für seine spätere fußballerische Entwicklung gelegt. „Wir spielten damals auf Großfeldplätzen mit langen Ecken“, erläutert er. „Dies hat mir später in Siegen, wo wir in der D-Jugend zwar auch auf großen Plätzen, aber mit kurzen Ecken spielten, dabei geholfen, die ein oder andere Ecke direkt zu verwandeln.“ Auch die Vorliebe für das Passen und Schießen mit dem Außenrist geht auf diese Anfangszeit zurück – und auf seine Mutter: „Sie bewunderte die Eleganz, mit der Franz Beckenbauer den Ball behandelte und mit dem Außenrist passte, und das habe ich mir dann ihr zuliebe beim ‚Kaiser‘ abgeschaut.“ Der Erfolg bleibt nicht aus, mit dem Außenrist erzielte Freistoßtore werden zu einem Markenzeichen des jungen Marco.

Wechsel nach Siegen als nächste Stufe auf der Karriereleiter

Der technisch versierte Mittelstürmer erzielt Tor um Tor und trägt maßgeblich dazu bei, dass seine Mannschaft sich auch bei den Spielen um die Kreismeisterschaft durchsetzt. Nicht erst bei den dortigen Partien gerät der junge Torjäger in den Blick höherklassiger Vereine. Auch Gerd Grab, Talentscout der Sportfreunde Siegen, ist von Wellers Talent angetan und lotst ihn 1988 zu dem Traditionsklub an der Sieg. Der gebürtige Kirchener benötigt nicht lange, um den Trainer und die übrigen Verantwortlichen von seinen außergewöhnlichen Qualitäten zu überzeugen. Und doch schlagen ihm nicht überall Sympathien entgegen. „Zum ersten Mal spürte ich so etwas wie Neid bei meinen Mitspielern“, erinnert er sich. „In Siegen und später auch in Köln gehörte ich zu den jüngsten Spielern und wurde trotzdem recht regelmäßig in höheren Jahrgängen eingesetzt. Das kam nicht bei jedem gut an.“

Der Wechsel zum 1. FC Köln und erste Berufungen in die U16-Nationalmannschaft

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