Während der Saison sind Sie auch oft unter der Woche oder an Wochenenden zu Einzelspielen gefahren, um dort interessante Spieler zu scouten. Wer oder was gab den Anstoß für eine solche Spielbeobachtung?
Zunächst einmal liefen die Personalplanungen im Jugendbereich immer mit einem Vorlauf von zwölf, manchmal sogar 24 Monaten. Wenn zum Beispiel Roland Koch für sein zukünftiges Team einen Linksaußen benötigte, weil der jüngere Jahrgang dort nicht gut besetzt war, war das für uns der Startschuss, auf dieser Position verstärkt zu suchen. Gelegentlich bekamen wir auch einen Tipp, uns einen vielversprechenden Spieler anzuschauen. Es kam aber auch vor, dass man zu einem Spiel ging, weil man eine Mannschaft lange nicht mehr gesehen hatte.
Wie kann man sich das weitere Prozedere vorstellen, wenn Sie dann einen Spieler beobachtet und für gut befunden hatten?
Wir haben uns dann zusammengesetzt, Christoph Daum, Roland Koch und ich, manchmal kamen auch weitere Mitarbeiter hinzu, und dann in einem Frage- und Antwortspiel den Fall erörtert. Es war auch immer ein Überprüfen dabei, nach dem Vier-Augen-Prinzip hat dann zum Beispiel Roland Koch den Spieler noch einmal begutachtet. Bei einem entsprechenden Urteil wurde derjenige dann zum Probetraining eingeladen, dann stand Christoph Daum draußen und hat auch noch ‘mal geguckt, und anschließend wurde die Entscheidung getroffen. Es gab natürlich auch absolut herausragende Talente wie beispielsweise Bodo Illgner, da war uns allen klar, da brauchte man nicht viel drüber reden, der musste her. Es war einfach nicht zu übersehen, dass er schon damals das Potenzial hatte, Profi zu werden und auch die Perspektive in Richtung Nationalmannschaft besaß.
Wie ist der Kontakt zu Illgner damals zustande gekommen?
Es haben sich zwei Mitarbeiter damals intensiv um ihn gekümmert. Außer mir war das damals besonders Richard Nestvogel, der bei Bodo noch deutlich mehr als ich involviert war. Nestvogel hatte aus seinen Gesprächen mit Illgner eine Liste mit sieben oder acht Punkten erstellt, die Bodo vom 1. FC Köln erfüllt sehen wollte. Damals war neben uns besonders Bayer Leverkusen an seiner Verpflichtung interessiert, und Bodo hatte sich noch nicht entschieden. Einer der Punkte war, dass Illgner vom FC die Zusage haben wollte, dass er in seinem zweiten A-Jugendjahr bei den Profis trainieren durfte. Bodo hatte darauf bestanden, über diesen Punkt und auch über alle weiteren eine schriftliche Zusage des FC zu erhalten.
Als die Angelegenheit in die entscheidende Phase kam, saßen wir zu sechst in der Jugendgeschäftsstelle; Christoph Daum, Manfred Rehm, sein Co-Trainer bei der A-Jugend, Roland Koch, Jürgen Jores, Richard Nestvogel und ich. Zum damaligen Zeitpunkt war Rinus Michels Trainer und Michael Meier Geschäftsführer, und wir wussten, dass wir diese Zusage nie bekommen würden. Wir haben Argumente ausgetauscht, irgendwann habe ich dann gesagt: „Wenn wir das nicht machen mit der Zusage, ist er bei Bayer.“
„Wenn wir das nicht machen mit der Zusage, ist Bodo bei Bayer.“
Also haben wir unseren FC-Briefbogen genommen, haben die von Illgner geforderten Punkte darauf aufgeführt und das Ganze eingeleitet mit dem Satz: „Im Zusammenhang mit einem Wechsel von Bodo Illgner zum 1. FC Köln, sagt der 1. FC Köln dem Spieler folgendes zu:…“ Am Ende des Schreibens stand dann mit Schreibmaschine geschrieben „1.FC Köln“, und dann haben wir uns alle angeguckt, denn einer musste jetzt noch unterschreiben – und das war ich. Ich habe dann ebenso schwungvoll wie unleserlich unterschrieben, und Richard Nestvogel hat anschließend das Schreiben Bodo Illgner gegeben. Bodo hat dann noch gefragt, wer denn da unterschrieben habe, worauf Nestvogel ihm geantwortet hat, das wäre so von der Geschäftsstelle zurückgekommen, das müsse wohl jemand von dort gewesen sein. Bodo war zufrieden und hat ab der Saison 1983/84 bis zu seinem Wechsel zu Real 1996 für den 1. FC Köln gespielt. Bodo und ich haben dann später über unsere Aktion damals herzlich gelacht, er hat dieses Schriftstück wahrscheinlich heute noch und weiß auch, wer unterschrieben hat. Diese Verpflichtung zeigt aber auch, dass es ab und an Spieler gab, die sich durch ihr großes Talent quasi aufdrängten.
Wie Sie schon andeuteten, war das aber sicherlich die Ausnahme. In vielen anderen Fällen war es gewiss zu einem großen Teil den Fähigkeiten eines Scouts geschuldet, ob ein Talent entdeckt und für den Verein verpflichtet werden konnte. Was macht einen solchen guten Scout aus?
Er muss eine gute Beobachtungsgabe und ein sicheres Einschätzungsvermögen haben. Ich glaube, dass ich einen guten Blick für Talente hatte. Ich habe sehr schnell sehr gut erkannt, wenn einer etwas konnte. Ich konnte individuelle Situationen gut einschätzen und habe einen Spieler, wenn er eine herausragende Aktion hatte, etwas genauer angeguckt, um abschätzen zu können, ob das Gesamtpaket passte. Es war es aber auch damals schon für einen Scout wichtig, ein gutes Netzwerk zu besitzen, durch das man den ein oder anderen Tipp bekommen konnte und so immer auf dem Laufenden blieb. Persönliche Kontakte waren generell hilfreich, so auch im Fall des Transfers von Olaf Janßen zum 1. FC Köln.
Wie lief dieser Wechsel genau ab?
Ich kannte die Familie Janßen aus meiner Zeit in Wuppertal, besonders Olafs Vater war mir gut bekannt. Für Bayer Uerdingen war er auf vielen Fußballplätzen unterwegs und hat auch für den Verein ein bisschen gescoutet, und da sind wir uns häufig über den Weg gelaufen, so dass ein recht guter Kontakt entstanden war. Als Olaf damals Jugendnationalspieler wurde und er in den Fokus mehrerer Vereine geriet, habe ich seinen Vater angesprochen und ihm das Interesse des FC signalisiert.
Wir haben dann ein Gespräch mit Olaf, seinem Vater, Christoph Daum und mir vereinbart. Dort wurde deutlich, dass Olaf die Meinung seines Vaters sehr wertschätzte, wir haben Vater und Sohn wohl überzeugen können, und alles weitere ist Geschichte.