Für die 3. Mannschaft der SG Köln-Worringen bestreitet er noch einige Partien – in der Kreisliga D. „Ich hatte meinem Schwager, der dort aktiv ist, versprochen, einmal mit ihm zusammen in einer Mannschaft zu spielen“, erläutert er. 2019 hängt er schließlich seine Fußballschuhe an den berühmten Nagel. Obwohl, so ganz kann er nicht vom Fußball lassen. Jedes Jahr führt er in Worringen ein einwöchiges Sommerfußballcamp für Kinder ab sechs Jahren durch und wird dabei unter anderem von Moses Sichone unterstützt, der von 1999 bis 2004 seine Fußballschuhe für den FC schnürte.
Die Bilanz seiner Fußballkarriere
Wie sieht er die Bilanz seiner Laufbahn als Fußballer? „Der Fußball hat mir sehr, sehr viel gegeben“, sagt er. „Ich durfte mein Land 38mal international vertreten, an jedes meiner 14 Tore für Malawi kann ich mich genaustens erinnern. Wenn ich daran denke, dass die Menschen in Malawi mich am Flugplatz mit Sprechchören und Gesängen empfingen, wenn sie wussten, dass ich dort ankam, dann macht mich das ungeheuer stolz. Auch wenn ich heutzutage meine Eltern und Geschwister besuche, muss ich noch viele Autogramme schreiben.“
“Und das Wichtigste: Ich habe meine Frau durch den Fußball kennengelernt.”
Er hält einen Augenblick inne. „Aber auch die Zeit beim FC war eine wichtige Erfahrung. Die Aufstiege mit Osnabrück, Ahlen und Münster waren toll. Die grenzenlose Freude der Fans zu sehen, wenn man – wie in Osnabrück und Ahlen – das Unmögliche möglich macht, das hat mich sehr berührt!“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Und das Wichtigste: Ich habe meine Frau durch den Fußball kennengelernt.“
Hat er als afrikanischer Spieler Rassismus im deutschen Fußball erlebt? „Ja, das kam vor“, sagt er. „In einigen Fußballstadien haben mich Zuschauer als ‘einen Affen’ beschimpft und Affenlaute gemacht, wenn ich am Ball war. Und einmal habe ich mit den FC-Amateuren in Chemnitz gespielt. Mittags vor dem Spiel haben wir mit der Mannschaft noch einen Spaziergang gemacht. Da kam ein älterer Mann auf uns zu und prophezeite uns eine Niederlage gegen die Heimmannschaft. Dann zeigte er auf mich und sagte:’ Und der da, der hat jetzt schon verloren’. Meine Mannschaftskameraden wollten sich auf ihn stürzen, ich habe sie aber zurückgehalten.“ Dann fügt er hinzu: „Ich habe dann immer versucht, mich zu konzentrieren und meine Arbeit zu machen. Das war zwar schwer, aber in dem Moment habe ich daran gedacht, dass ich in erster Linie Profi bin und es mein Job ist, Fußball zu spielen.“
Hat ihm bei der Verarbeitung solcher Erfahrungen jemand geholfen? „Ja, in erster Linie die Familie meiner Frau“, antwortet er. „Sie haben mich sofort akzeptiert und bedingungslos unterstützt, auch als wir noch nicht miteinander verheiratet waren. Sie haben mir zugehört und mich wieder aufgebaut. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist in solchen Situationen. Meine Schwiegereltern, sowie Melanie und André, die Geschwister meiner Frau, und selbst ihre Oma Susanne sind auch dann noch zu meinen Spielen gekommen und haben mich angefeuert, als ich nicht mehr beim FC gespielt habe. Ihre Wärme und Zuneigung war ein wichtiger Ersatz für meine Familie daheim in Lilongwe.“
Die Wurzeln in Malawi – die neue Heimat in Köln
Dort in Malawi sind Daniel Chitsulos Wurzeln. Das merkt man deutlich, wenn er über dieses Land spricht, das zu den ärmsten Ländern Afrikas gehört und als Agrarland besonders unter dem Klimawandel zu leiden hat. Das Schicksal der Kinder und Jugendlichen dort beschäftigt ihn. So hat er 2015 geholfen, das Projekt „Ein Spielplatz für Misanjo“ anzuschieben, in dem zwei Kölner Studenten in Malawi nicht nur einen Spielplatz für 80 Waisenkinder errichtet haben, sondern die Kinder mit Fußballschuhen, Bällen und Trikots ausgestattet haben, die durch die Mitwirkung Chitsulos und Fußballern wie Marco Reus, Addy-Waku Menga und Pele Wollitz gesammelt werden konnten.
In regelmäßigen Abständen unternimmt er mit seiner Frau und den Kindern die weite Reise in seine Heimat. Dorthin, wo er geboren ist, zu seinen Eltern, zu seinen Geschwistern, zu den Freunden aus Kindheitstagen. Dorthin, wo er gelernt hat, dass man sich hilft, wenn man helfen kann. So hat er seine Eltern während seiner Zeit als Fußballer finanziell unterstützt. Ein Haus hat er ihnen gebaut, dessen Mieteinnahmen dabei helfen, ihren Lebensabend bestreiten können. Der für 2020 geplante Flug zu seiner Familie in Lilongwe muss allerdings ausfallen – der Pandemie wegen.
Zwanzig Jahre ist es jetzt her, dass Daniel Chitsulo in das Flugzeug in Richtung Europa gestiegen ist. Mit Schmetterlingen im Bauch, mit Hoffnungen und Wünschen im Gepäck, aber auch mit Sorgen und Bedenken. Er ist längst angekommen, hat seine neue Heimat in Köln gefunden. Bei seiner Frau Miriam und seinen beiden Töchtern Naomi und Leona. In der Domstadt am Rhein, wo alles angefangen hat, damals beim 1. FC Köln. Verbindungen zu handelnden Personen beim Geißbockclub hat er nicht mehr. „Aber meine Frau ist FC-Fan und ihre ganze Familie auch“, sagt er. „Meine Tochter Naomi ist sogar Mitglied in dem Verein.“ Ab und an gehen sie zusammen ins Stadion. Singt er die Hymne mit? „Aber sicher“, versichert er lachend und fügt mit Überzeugung hinzu: „Einmal FC, immer FC!“
Aufstiegsheld, Publikumsliebling, gefeierter Fußballstar in seiner Heimat, all dies war Daniel Chitsulo. Ein Mensch, der positiv denkt und gerne lacht, ist er geblieben. Und jemand, der sich kümmert. Um seine Familie in Lilongwe, die Kinder in Misanjo und die Kids im Sommercamp in Worringen. Ein Satz fällt mir ein, den mir seine Frau bei der Planung des Interviews geschrieben hat: “Er hat sein Herz am richtigen Fleck.” Daniel Chitsulo winkt mir zum Abschied zu. Das Herz am richtigen Fleck. Da ist was dran, denke ich, als ich die Internetverbindung trenne.
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