Die ersten Wochen in der neuen Umgebung fallen dem 17-Jährigen schwer. „Abends, wenn ich im Bett lag, habe ich oft geweint“, sagt er. Alles ist ungewohnt, die Sprache, die Kultur und vor allem auch der große Verein, in dessen A-Jugend er jetzt spielt. Dort freundet er sich mit Bashir Kaba an, einem ein Jahr älteren Innenverteidiger aus Guinea, der bereits Auslandserfahrung gesammelt hat.
“Zeige dem Trainer, was Du kannst und dass Du willst, dann wirst Du es schaffen.”
„Bashir hat mir immer wieder gesagt, ich solle durchhalten“, berichtet Chitsulo. „Er hat mir oft gut zugeredet. ‚Gib nicht auf‘, hat er gesagt. ‚Du wirst sehen, dass es immer besser wird, je länger Du hier bist. Zeige dem Trainer, was Du kannst und dass Du willst, dann wirst Du es schaffen.‘ Sein Rat war enorm wichtig für mich.“
Zwei verrückte Typen in der A-Jugend des 1. FC Köln
Auch der 1. FC Köln bemüht sich, das Heimweh des jungen Neuzugangs zu lindern. So wird ihm vertraglich zugesichert, dass er zweimal im Jahr auf Kosten des Vereins nach Malawi fliegen kann. Zudem kann er vom Büro von Nachwuchskoordinator Christoph Henkel aus regelmäßig mit seinen Eltern telefonieren. Unter Trainer Martin Siegbert trifft er in der ältesten Nachwuchsmannschaft der Kölner auf Mitspieler wie Michael Lejan, Frank Opitz und Jonas Wendt. Letztgenannter ist in der Vorsaison mit 38 Saisontoren Torschützenkönig der neu geschaffenen Jugend-Regionalliga West geworden. „Jonas war ein Riesenfußballer, ein richtiger Typ“, erinnert sich Chitsulo und fügt lächelnd hinzu: „Aber ein bisschen verrückt, das war er auch.“
Nicht nur die A-Jugend des FC kann in der folgenden Saison mit Filip Sebo einen Neuzugang verzeichnen, der slowakische Jugendnationalspieler zieht auch in das Jugendhaus der Familie Peter ein und wird Chitsulos neuer Mitbewohner. Der wuchtige Stürmer aus Bratislava, der später unter anderem für Austria Wien und die Glasgow Rangers aufläuft, entpuppt sich als enorme Verstärkung, ist jedoch von den Trainern nicht leicht zu handhaben. „Er hatte eine ziemlich kurze Zündschnur“, erinnert sich der frühere malawische Internationale. „Man durfte ihn nur nicht reizen. Aber zweifellos war er auch ein Superfußballer.“
Die Saison 2002/03 ist Chitsulos erste Saison bei den FC-Amateuren. Hier trifft er wieder auf seinen Freund, Bashir Kaba; auch Alassane Ouedraogo, Nationalspieler aus Burkina Faso, und Giovanni Federico zählen zu seinen Mitspielern. Am 1. Juni 2003 bildet er beim Auswärtsspiel in Dortmund das Kölner Sturmduo zusammen mit einem 17-jährigen Jungspund. Sein Name: Lukas Podolski. „Lukas war damals schon völlig schmerzbefreit“, berichtet Chitsulo. „Wenn es um einen Freistoß, Eckball oder Einwurf ging, sagte er: ‘Lass mal, ich mach’ dat schon’. Er hat sich kaum verändert seitdem. Sympathisch, offen und bodenständig, so kommt er ‘rüber, wenn man ihn heute trifft.“
Mit Malawi gegen Okocha, Kanu, Oliseh und Co.
Nur sechs Tage später steht in Abuja das prestigeträchtige Duell gegen Nigeria an. Die „Super Eagles“ haben angekündigt, mit all ihren Stars antreten zu wollen. Daraufhin übertragen die Verantwortlichen Malawis ihrem „Starspieler“ im Ausland, Daniel Chitsulo, das Kapitänsamt.
Eine große Ehre für den mittlerweile 20-Jährigen, mit der eine recht ungewöhnliche Aufgabe verbunden ist. „In Afrika ist es üblich, dass der Mannschaftskapitän vor dem Spiel die Spielerpässe der gegnerischen Mannschaft kontrolliert“, erläutert er. „Ich ging also in die Kabine der Nigerianer. Dort saßen die großen Stars des Teams, Spieler wie Celestine Babayaro, Sunday Oliseh oder auch Nwankwo Kanu. Als ich vor Jay Jay Okocha stand, dachte der zuerst, ich wäre ein Balljunge. Ein Offizieller musste ihn erst aufklären, wir haben später herzhaft darüber gelacht.“
Als Chitsulo die „Flames“ auf das Spielfeld führt, wird er von der Kulisse, den Schlachtrufen und Gesängen der 60 000 Zuschauer beinahe erschlagen. Malawi verliert die Begegnung mit 1:4, Daniel Chitsulo erzielt das einzige Tor für seine Mannschaft. Und trotzdem bleibt ihm das Spiel in ewiger Erinnerung. „Das war sicherlich ein Höhepunkt meiner Karriere, sportlich wie emotional“, beteuert er.
Diese Erfahrung spornt den jungen Malawier an, noch härter zu trainieren. Er entwickelt sich immer mehr zu einer tragenden Säule der Amateure des FC, hat den Traum von einer Profikarriere noch längst nicht begraben. Am Ende der Saison 2003/2004 steigt die 1. Mannschaft des FC zum dritten Male in die 2. Bundesliga ab. Chitsulo rechnet sich nun erst recht eine Chance auf einen Profieinsatz aus.
Unter Uwe Rapolder bei den Profis des 1. FC Köln
In der Winterpause der Saison 2004/05 verbringt er seinen Heimaturlaub bei seinen Eltern in Lilongwe. Pünktlich zur Vorbereitung auf die Rückrunde stößt Chitsulo anschließend zu seiner Mannschaft, die ein Trainingslager im portugiesischen Albufeira durchführt. Er fühlt sich ausgeruht und frisch und erzielt im Testspiel gegen den örtlichen Drittligisten beide Treffer zum 2:2-Unentschieden.
Kurze Zeit später muss er jedoch das Training abbrechen und wird vom Physiotherapeuten auf sein Zimmer geführt, wo er ohnmächtig zusammenbricht. Im Krankenhaus stellt man eine schwere Malaria-Erkrankung fest, die er sich wohl bei seinem Heimaturlaub zugezogen hat. Das Team muss ohne ihn aus Portugal abreisen, seine Rekonvaleszenz nimmt mehrere Wochen in Anspruch.
Trotz dieses Rückschlags bestreitet er in dieser Saison 29 Partien für die FC-Amateure, erzielt dabei neun Tore und die gleiche Anzahl an Assists, kann aber die Aufmerksamkeit von Trainer Huub Stevens nicht so weit wecken, dass er ihn zu den Profis hinzuholt. Dies ändert sich erst, als Uwe Rapolder im Sommer 2005 das Traineramt übernimmt. Schon in der Vorbereitung holt er Chitsulo in den Bundesligakader und lässt ihn auch danach mit den Profis trainieren.
Der Abschied vom FC – mit Osnabrück zum Aufstieg in die 2. Liga