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Kranzniederlegung in Baryssau: Gegen das Vergessen der NS-Verbrechen

Anlässlich des EL-Spiels in Baryssau legten effzeh-Fans einen Kranz zum Gedenken an die Opfer eines Massakers durch die Nazis nieder. Wir lassen die Initiatoren der Aktion zu Wort kommen.

Kranzniederlegung in Baryssau (19.10.2017)

Die Stadt Baryssau war in ihrer Geschichte Schauplatz zahlreicher Kriege. Sie wurde seit dem 15. Jahrhundert mehrfach schwer in Mitleidenschaft gezogen oder sogar komplett zerstört.Napoleons Russlandfeldzug von 1812, endete mit dem „Übergang über die Beresina“, dem dunkelsten Kapitel des Vaterländischen Krieges. Über 30.000 Soldaten, Frauen und Kinder, der abrückenden französischen Armee, wurden hier bei ihrer Flucht vor der russischen Armee, regelrecht in die winterlichen Fluten der Beresina getrieben wurden und ertranken.

Nach der Oktoberrevolution von 1917 besetzten die Bolschwiki, kurz danach die Deutschen und noch etwas später die Polen die Stadt, bevor diese 1924 ein Teil der Sowjetunion wurde. Während des zweiten Weltkriegs, Anfang Juli 1941, erreichten Panzerverbände der deutschen Wehrmacht Baryssau und lieferten sich erbitterte Kämpfe mit der roten Armee, bevor sie die Stadt besetzten. In all diesen Jahren erlebten Menschen Krieg, Flucht und Vertreibung und hierbei ein Leid, welches zum Teil unmenschliche Züge annahm.

Terrorregime aus Angst und Gewalt

Nach der Besetzung durch die Nationalsozialisten errichteten diese in der Stadt und der Umgebung sechs Todeslager, in denen bis zum Kriegsende mehr als 33.000 Menschen ermordet wurden. In der Stadt selbst installierten die Nazis ihr Terrorregime aus Angst und Gewalt. Als von den Deutschen eingesetzter Bürgermeister ließ der Nazikollaborateur Stansilau Stankewitsch, welcher recht früh unter dem SS-Standartenführer Franz Six als „Vertrauensmann“ in Weißrussland tätig war, die jüdische Bevölkerung in den ärmsten Teil der Stadt umsiedeln. Durch eine um das Stadtviertel errichtete Mauer wurde so das sogenannte Ghetto von Baryssau errichtet, in dem rund 8000 Menschen unter widrigsten Bedingungen leben mussten.

In der Nacht zum 20. Oktober 1941, vor nun genau 76 Jahren, lud Stankewitsch zu einem „wilden Fest“ für die örtlichen Einheiten der „weißruthenischen Hilfspolizei“. In den frühen Morgenstunden erteilte ihnen Stankewitsch den Befehl zur Ermordung aller in diesem Ghetto lebenden Menschen. Zusammen mit SS-Offizieren und Soldaten wurden 8000 Menschen über den gesamten Tag hinweg, bis in die späte Nacht hinein, in den Wäldern der Umgebung erschossen. Die noch lebenden Opfer mussten die Leichen bereits Erschossener möglichst platzsparend anordnen und mit einer dünnen Schicht Sand bedecken, bevor auch sie erschossen wurden. Um Munition zu sparen wies Stankewitsch seine Truppen an, jeweils mit einem Schuss durch zwei Menschen zu schießen. Kinder wurden, wie das Rote Kreuz später bei Autopsien feststellte, nicht erschossen, sondern lebendig begraben.

Der Schuldige wurde niemals belangt

Während das unschuldige Leben von Männern, Frauen und Kindern in dieser Nacht auf unvorstellbar brutale Weise endete, ging das von Stankewitsch und seinen Schergen weiter. Stankewitsch wurde nach dem Massaker zum Verantwortlichen für die gesamte Region befördert. Er ließ auch hier die jüdische Bevölkerung in sogenannten Ghettos internieren und bereitete die weitere Vernichtung von 15.000 Menschen vor.

Als die Rote Armee nach Weißrussland vorrückte, flüchtete Stankewitsch nach Deutschland und gründete eine Zeitung, die sich an Weißrussen richtete und NS-Propaganda betrieb. Nach dem Krieg wurde Stankewitsch in einem Lager für „Displaced Persons“ untergebracht, um ihn zurück nach Weißrussland zu schicken. Dort wurde er von der US-Army-Spionageabwehr identifiziert und, aufgrund einer erfolgten und umfangreichen Aussage eines Soldaten vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, festgenommen. Er ist der einzige Nicht-Deutsche, dessen Verbrechen vollständig im Bericht des damaligen US-Kongresses festgehalten wurden.

Stankewitsch: Ein unbehelligtes Leben nach dem Massaker

Wenige Stunden nach seiner Verhaftung, wurde er jedoch auf Anweisung des US-Außenministeriums freigelassen. Die Begründung lautete, er sei ein wichtiger antikommunistischer Organisator für den britischen Geheimdienst. Stankewitsch arbeitete hiernach in verschiedenen bayrischen DP-Lagern und leitete sogar eines davon – Parallel begann er erneut eine nationalistische Zeitung für deutsche Weißrussen herauszugeben. Beschwerden über seinen autoritären Führungsstil im DP-Lager wurden von den amerikanischen Behörden schlichtweg ignoriert. Ebenso wie eine UN-Resolution, die auf Antrag der Weißrussischen SSR angenommen wurde und Stankewitsch als Kriegsverbrecher bezeichnete, dem die USA unrechtmäßig Unterschlupf gewährte.

Nach 1950 integrierte Stankewitsch sich perfekt in einem von der CIA finanziertem Netzwerk aus Sprachschulen, Flüchtlingsorganisationen und verschiedenen Pressemedien – allesamt mit dem Ziel eine antisowjetische Stimmung in Weißrussland zu schaffen. Jegliche Kritik, auch nachdem er sich vor anderen Weißrussen mit seinen Taten von Baryssau rühmte, blieb ungehört. Im Jahre 1959 erhielt er ein lange erhofftes Einreisvisum für die USA und ließ sich in New York City nieder. Später, im Jahre 1969, wurde Stankewitsch amerikanischer Staatsbürger. Ein im Jahre 1980 eingeleitetes Ausbürgerungs- und Abschiebeverfahren konnte nicht beendet werden – denn Stankewitsch verstab im November 1980.

Gedenken an Opfer des Faschismus

Er wurde 73 Jahre alt und niemals für seine verbrecherischen und unmenschlichen Taten zur Rechenschaft gezogen. So wie viele andere Verbrecher, die ihre Taten unter der Ideologie des Faschismus und des Nationalsozialismus überzeugt durchführten. Sei es als Täter, Mittäter, Helfer oder das bekannte „Zahnrad im Getriebe des Systems“. Brutale Täter, die Millionen Menschen das Recht verwehrten, unbehelligt ihr Leben zu leben und welche nicht davor zurückschreckten zu Mördern zu werden.

Und so liegt es heute an uns, hier am „Mahnmal für die Opfer des Faschismus“ und genau 76 Jahre nach der Ermordung der jüdischen Bevölkerung Baryssaus, genau dieser zu gedenken. Grade in Zeiten, die wieder durch Flucht und Vertreibung geprägt sind und in denen überall im friedlichsten Europa aller Zeiten, rechte Parteien erstarken und populistische Phrasen dreschen, gilt es sich jedes Mahnmals zu besinnen und insbesondere die nachherrschende und weiterhin herrschenden Ungerechtigkeit in stetiger Erinnerung zu halten.

Niemals vergessen!

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