Einige Fans des 1. FC Köln rufen zur Lokalrunde auf und unterstützen die Zweite nach Kräften. Am Ende steht ein großer 2:1-Comeback-Sieg dank erstklassigem Support, starkem Regionalliga-Fußball und einem goldenen Händchen von Patrick Helmes.
Vor knapp sieben Jahren gründete der Engländer James Doe in seinem Land den Non-League-Day zu Ehren der Amateurvereine. Während eines der wenigen spielfreien Wochenenden in der Premier League wurde dazu aufgerufen, Spiele der unteren Ligen zu besuchen.
Eine Aktion, die ziemlich schnell populär wurde im Fußball-Mutterland, in dem der kommerzielle Profi-Fußball so absurde Züge wie wohl in keinem anderen europäischen Land angenommen hat. Nun hat jene Initiative auch schon ihren Weg nach Deutschland gefunden, wo unter dem Motto Lokalrunde getreu dem britischen Vorbild Tage des Amateurfußballs ausgerufen wurden.
Geist des Non-League-Day im Franz-Kremer-Stadion
Der Geist jener noblen Idee schwebte am Samstagmittag auch rund um das Franz-Kremer-Stadion, einem von hunderten Amateurstadien im Land, das mit seiner großen, überdachten und mit Sitzen ausgestatteten Haupttribüne sowie den schmucklosen und nicht überdachten Stehplätzen ringsherum ein Prototyp jener 60er und 70er-Jahre-Bauten darstellt, wie sie eben auch im Kölner Süden, in Wattenscheid, Darmstadt und fast jeder anderen Groß- und Kleinstadt der Republik entwachsen sind.
Im über 5000 Zuschauer fassenden Stadion nahe des Geißbockheims trägt die U 21 des 1. FC Köln ihre Spiele der Regionalliga West normalerweise vor einigen wenigen Hartgesottenen aus.
Dementsprechend überrascht dürften die Ordner, die sich rund um den einzigen Zugang zum Stadion aufgestellt hatten, gewesen sein, als sie gleich hunderte teils kostümierte Fans begrüßen durften.
Vor den beiden einzigen Kassenhäuschen, die seit Eröffnung des Stadions wohl nicht mehr renoviert wurden, bildeten sich lange Schlangen. Die zwei Fritteusen in der einzigen Imbissbude auf dem Gelände liefen auf Hochtouren, in der drolligen Bierbude wurde wohl so viel Kölsch-Umsatz wie in den letzten beiden Jahren zusammen gemacht. Im Stadion selbst standen schwer ausgerüstete Polizisten Spalier. Noch nie war ein Regionalligaspiel zwischen dem 1. FC Köln II und der SG Wattenscheid 09 wohl so beliebt.
Kritik an RB und Kreativität auf den Rängen
Weil im 500 Kilometer entfernten Leipzig die Profis des 1. FC Köln ein Spiel gegen einen Dosenvermarkter bestritten, das von Teilen der Fanszene nicht unbedingt als sehenswert erachtet wurde, frönte das kölsche Publikum dem Amateurfußball und gönnte der eigenen Zweitvertretung die seltene Aufmerksamkeit, die sie dennoch sicher verdient hat.
Ganz links im Eck, direkt neben dem provisorischen Einlauftunnel, hatten sich etwa 500 Anhänger des effzeh mitsamt einigen Bannern positioniert, die Kritik gen Osten des Landes schickten. Lautstark wurden die beiden Mannschaften schon beim Einlauf begrüßt, erstklassig wurde im Anschluss vor allem das Viertligateam des großen 1. FC Köln unterstützt. Die Sonne lachte, als das Leder mit einigen Minuten Verspätung angestoßen wurde. Einem tollen Non-League-Day stand eigentlich nichts mehr im Wege.
Die Mannschaft von Patrick Helmes, ähnlich wie die Profis oftmals im 4-4-2 mit einer variablen Spitze, die sich oft fallen ließ, organisiert, schien vom glänzenden Support gleich angestachelt. Während der Gast aus dem Ruhrpott noch staunend ins linke Eck der kultig-ranzigen Haupttribüne blickte, stürmte Kölns Stürmer Stanley Ratifo schon nach 20 Sekunden aufs Tor zu, schob die Kugel aber freistehend an Wattenscheids Schlussmann Edin Sancaktar vorbei an den rechten Pfosten und verhagelte so einen perfekten Auftakt.
Ciftci vielversprechend in solider Lokalrunde
Als sei der Wettergott über die vergebene Hundertprozentige erbost gewesen, verdunkelte sich der Himmel schließlich von Minute zu Minute und der Wind pfiff über die ungeschützten Stehplatztribünen.
Davon ließen sich aber keiner der Beteiligten unterkriegen. Während auf den Rängen etliche kreative Texte vorgetragen wurden, welche an die guten alten Zeiten des 1. FC Köln und diverse Titelgewinne erinnerten, übernahm die Zweite des effzeh auf dem Feld die Kontrolle über ein solides Regionalligaspiel, in dem die Kugel immer wieder auch mal gepflegt blind nach vorne gedroschen wurde.
Der 18-jährige Hikmet Ciftci, neben Stürmer Rafito, Verteidiger Birk Risa und Mittelfeldmann Jonas Hildebrandt, nach den Eindrücken aus diesem Spiel der wohl vielversprechendste Akteur aus der U 21, scheiterte mit einem Schuss im Strafraum am starken Wattenscheider Keeper, Michael Klauß fiel nach gut 20 Minuten über die Arme jenes Torhüters, ohne allerdings einen Elfmeter zu erhalten. Verteidiger Nico Perrey setzte in der Nachspielzeit mit einem Kopfball aufs obere Tornetz den Schlusspunkt auf eine ordentliche erste Hälfte.
In der zweiten Halbzeit schließlich entwickelte sich sogar ein richtig ansehnliches Spiel, das so manch torlosem Unentschieden auf taktisch hohem Niveau einige Spielklassen höher definitiv überlegen war. Der effzeh begann dabei enorm druckvoll.
Glowacz-Sohn im Pech, Routinier Prokoph abgezockt
Als ein Treffer für die Gastgeber überfällig schien, knipste plötzlich aber Wattenscheids Goalgetter Keita-Ruel auf der Gegenseite, nachdem ihm der ansonsten starke Hildebrandt, in der Jugend übrigens bei RB Leipzig unter Vertrag, einen Rückpass genau in den Lauf gelegt hatte und Keeper Hamrol etwas zu zögerlich aus dem Kasten kam.
Dann aber nahm sich die U21 ein Beispiel an den Comeback-Qualitäten der Spieler aus der Profiabteilung und drehte das Spiel. Nur drei Minuten nach der Führung schob Top-Torjäger und Routinier Roman Prokoph einen Elfmeter nach einem klaren Handspiel von Glowacz-Sohn Manuel souverän links unten ins Eck zum 1:1 und erzielte damit bereits seinen 15. Saisontreffer.
Im Anschluss sahen die insgesamt 660 Zuschauer einen offenen Schlagabtausch, wobei erstmals im Spiel die Gäste aus Wattenscheid Feldvorteile besaßen. Dieses Mal aber traf der effzeh inmitten der stärksten Phase des Gegners.
Helmes wechselt Sieg-Joker Ouahim ein
Nach einem tollen Solo über links von Winter-Neuzugang Rafito verwertete der in der 80. Minute von U-21-Coach Patrick Helmes eingewechselte Anas Ouahim in der 81. Minute die weitergeleitete Flanke freistehend aus kürzester Distanz. Goldenes Händchen des noch jungen Coaches.
Der Genickbruch für die engagierten Gäste, die in den letzten zehn Minuten nicht mehr gefährlich wurden und letztendlich verdient als Verlierer vom Feld gingen, während sich die leicht überwältigte Truppe von Patrick Helmes im Anschluss an den so wichtigen Heimsieg minutenlang beim bärenstarken Support bedankte.
Was bleibt, ist ein Erfolg, der den 1. FC Köln II in der Regionalliga West für die nächsten Wochen komplett aus dem Abstiegsrennen heraus auf den achten Platz katapultierte und ein durchaus ungewohntes Erlebnis in den unteren Gefilden des deutschen Fußballs, wobei beide Mannschaften bewiesen, dass auch in der Regionalliga guter Fußball gespielt wird.
Und irgendwie ist es ja auch schön, dass ein Spieler wie der erfahrene Marius Laux hier eben auch mit ein, zwei Kilo zu viel auf den Rippen ein starkes Spiel machen kann, während im Oberhaus Spieler wie Mario Götze, Ilkay Gündogan oder Gonzalo Higuain hierdurch ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.
Letztlich stand also ein durchaus runder Nachmittag bei der Lokalrunde an Karnevalssamstag, den auch ein Blick auf die Spielstände der Bundesliga nicht bedeutend trüben konnte.