Folge uns
.

Nachspiel

Jonas Hector: Feuertaufe bestanden!

In seinem ersten Spiel bei der EM in Frankreich untermauert Jonas Hector, dass er vollkommen zurecht sowohl beim 1. FC Köln als auch beim DFB unangefochtener Stammspieler ist.

Foto: MARTIN BUREAU/AFP/Getty Images

Bereits gestern haben wir uns mit dem ungewöhnlichen Weg des ungewöhnlichen Jonas Hector beschäftigt, dessen bisheriger Karriereverlauf in kein Schema zu passen scheint: schließlich hatte Hector niemals ein Jugendleistungszentrum durchlaufen und spielte bis vor ein paar Jahren noch in einer Amateurklasse als Offensivspieler. Dies alles scheint ihn jedoch nicht daran zu hindern, in einer vor individueller Qualität nur so sprühenden deutschen Nationalmannschaft wie selbstverständlich den vorher lange Jahre vakanten Platz auf der Position des linken Verteidigers zu übernehmen, da Philipp Lahm bisher leider nicht geklont werden konnte. Es ist für den effzeh eine absolute Auszeichnung, dass Hector an der Seite von Spielern unbestrittener Weltklasse (Neuer, Boateng, Kroos, Müller, Özil) dafür sorgen soll, dass Deutschland bei Europameisterschaft möglichst mit einem Titel nach Hause kommt.

Obwohl das Spiel gegen die Ukraine bei weitem nicht perfekt lief, kann man den Auftakt der deutschen Nationalmannschaft in das Turnier dennoch als gelungen bezeichnen. Bis auf die zehn Minuten vor der Pause, in denen das Spiel aufgrund mehrerer direkt aufeinanderfolgender Standardsituationen und der starken Physis der Ukrainer zu kippen drohte, hatte die deutsche Mannschaft alles im Griff, ohne jedoch dabei zu glänzen. Für den weiteren Turnierverlauf ließen sich dennoch einige vielversprechende Muster erkennen, für deren Gelingen auch Hector eine entscheidende Rolle spielt. Erinnert man sich an die Weltmeisterschaft in Brasilien, sind es wohl vor allen Dingen der heroische Kampf von Bastian Schweinsteiger in den letzten Minuten des Finales gegen Argentinien, die sieben Tore gegen Brasilien und Joachim Löws konstante Verwendung von Innenverteidigern auf der Außenverteidiger-Position, die einem zuerst einfallen. Dass vor zwei Jahren die Innenverteidigung bestehend aus Mertesacker und Hummels in mehr als der Hälfte der Spieler durch Höwedes, Boateng und Mustafi ergänzt wurde, hatte natürlich zur Folge, dass die Einbindung der Außenverteidiger ins Offensivspiel ein Aspekt wurde, den Löw und sein Trainerteam in Hinblick auf die EM in Frankreich weiterzuentwickeln hatten. Hectors Entwicklung, gleichbedeutend mit der des effzeh, kam deswegen genau zur richtigen Zeit, um die Lücke zu füllen. Nachdem Hector im abgelaufenen Jahr kaum eine Einsatzminute sowohl beim effzeh als auch im DFB-Dress verpasste, gab es dementsprechend vor dem Spiel gegen die Ukraine kaum einen Zweifel über seine Nominierung.

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Gegen den Ball solide, aber keinesfalls überragend

Gegen den technisch starken und enorm unternehmungslustigen Andryi Yarmolenko, der die rechte Offensivseite der Ukrainer einnahm, hatte Hector gleich zu Beginn des Turniers eine schwierige Aufgabe zu erledigen. Aus dem Zentrum spielten die Ukrainer viele Diagonalbälle auf die rechte Seite, wo Yarmolenko aufgrund seiner breiten Stellung teilweise einen zeitlichen Vorteil in der Ballverarbeitung hatte und dementsprechend mit dem Ball am Fuß auf Hector zudribbeln konnte, da der Kölner aufgrund des kompakten Verschiebeverhaltens der Viererkette näher zur Mitte stand. Hector sah sich deshalb relativ häufig diesen Eins-gegen-Eins-Duellen ausgesetzt, in denen er meistens ordentlich aussah, ohne allerdings über jeden Zweifel erhaben gewesen zu sein. In der 65. Minute eliminierte ihn Yarmolenko durch ein temporeiches Dribbling, auch in anderen Situationen kam der Ukrainer vorbei. Über die Schwierigkeit für Defensivspieler, in solchen Duellen eben immer im Nachteil zu sein, braucht man nicht lange diskutieren, insgesamt zog sich Hector gut aus der Affäre. Es ist davon auszugehen, dass weder die Polen noch die Nordiren im rechten offensiven Mittelfeld über derartig hohe individuelle Qualität verfügen, ganz zu schweigen von der taktischen Ausrichtung beider Teams, die gegen Deutschland wohl kaum ins offene Messer rennen wollen.

Die erwartet hohen Ballbesitzwerte der Deutschen gegen die drei Gruppengegner setzen voraus, dass alle Spieler der Nationalmannschaft zumindest über ein gewisses technisches Niveau verfügen müssen, um die Ballzirkulation aufrechterhalten zu können. Durch seine Vergangenheit als Offensivspieler bringt Hector ein ausreichendes Maß an Passstärke und Ballsicherheit mit, um auch in einer technisch so hochwertigen Mannschaft wie der von Joachim Löw funktionieren zu können. Im Gegensatz zu Bene Höwedes auf der anderen Seite, der seinen Stärken entsprechend bewusst einen limitierten Außenverteidiger gibt, kann Hector das Offensivspiel der Deutschen stärker unterstützen. Durch seine hohe Pressingresistenz tief in der gegnerischen Hälfte verliert er kaum einen Ball. Eine weitere Stärke sind seine Dribblings im Halbraum, bei denen er den Ball in Richtung Spielfeldmitte annimmt und sich dann auch dahin orientiert, dabei macht er sich seine überragende Körperbalance zunutze, um durch Drehungen seines Oberkörpers den Gegenspieler aus der Balance zu bringen. Anschließend trägt er den Ball entweder in torgefährlichere Zonen weiter oder er spielt ihn zu einem der tiefliegenden Spielmacher (Boateng, Kroos) zurück, die dann den Ball weiter zirkulieren lassen.

Foto: Paul Gilham/Getty Images

Foto: Paul Gilham/Getty Images

Mit dem Ball stark, gut in Zirkulation eingebunden

Gegen die Ukrainer zeigte sich ebenfalls, dass die deutsche Nationalmannschaft in der Vorbereitung auf dieses Turnier vermehrt auf das Einstudieren offensiver Abläufe gesetzt hat: insbesondere nach langen Diagonalbällen von Boateng auf Draxler leistete Hector seiner Aufgabenstellung Folge und hinterlief Draxler mit hohem Tempo, woraufhin dieser entweder weiter in Richtung Tor dribbelte oder den Ball in den Lauf des Kölners legte. War Hector Empfänger des langen Balles, orientierte er sich nach dem Abspiel eher in die Mitte und setzte zu einem Diagonallauf in den Strafraum an. Nach knapp einer halben Stunde entschied sich Hector in einer Szene für ein Dribbling, obwohl eine Flanke wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen wäre – Thomas Müller, einer der Wortführer im Team, wies in sehr deutlich darauf hin.

In der zwölften Minute traf Hector den Ball nach einer Flanke nicht richtig, ansonsten hätte er wohl durchaus sein zweites Länderspiel erzielen können. Alles in allem also durchaus eine Leistung, mit der Hector zufrieden sein kann, obwohl natürlich auch für ihn nicht alles lief. Er untermauerte aber trotzdem, dass er in Löws Planungen eine wichtige Rolle einnehmen kann, wenn er seine Stärken im Offensivspiel dementsprechend einbringt, ohne allerdings defensiv unkonzentriert zu werden.

Mehr aus Nachspiel

.