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Kolumnen

Jeff-Jas-Kolumne: Wat sull dä Quatsch?

Pause: Für Karneval und Amateurfußball. Pause aber auch für die Bundesliga, weil ja zwingend eine Länderspielpause eingeschoben werden musste. Da ist selbst die US-Wahl verständlicher als die Haltung des Fußballs, dessen Show wohl einfach immer weitergehen muss. Die neue Jeff-Jas-Kolumne.

06.11.2020, wohninvest WESERSTADION, Bremen, Ligaspiel, 1. Bundesliga, SV Werder Bremen vs 1. FC Koeln, im Bild Sebastiaan Bornauw 33, Koeln ist nah dem Elfmeterpfiff enttaeuscht und schlaegt die Haende vor sein Gesicht DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video. SV Werder Bremen vs 1. FC Koeln *** 06 11 2020, wohninvest WESERSTADION, Bremen, League game, 1 Bundesliga, SV Werder Bremen vs 1 FC Koeln, in the picture Sebastiaan Bornauw 33, Koeln is disappointed near the penalty kick and puts his hands in front of his face DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video SV Werder Bremen vs 1 FC Koeln
Foto: imago images / Joachim Sielski

Leev Lück,

eigentlich sollte gerade in Köln der Ausnahmezustand herrschen. Der Heumarkt wie die Zülpicher Straße überfüllt mit sehr vielen verkleideten Touris, die Kaschemmen in der Südstadt und in den Veedeln aus allen Nähten platzend voller Fastelovendsjecke. Doch es ist leider kein normaler Elfter im Elften in diesem so sonderbaren Jahr, das irgendwie nicht vergehen will. Die Coronavirus-Pandemie macht nicht nur allen Karnevalsnarren einen Strich durch die Rechnung, eigentlich ist der Verzicht auf die wilde Sause zum Sessionsstart ein schmerzhafter, aber doch geringer Verzicht in diesen Tagen. Zuhause bleiben, Kontakte meiden statt Kölle Alaaf und et Trömmelche: Schmeckt bitter, ist aber vernünftig. So bleibt im Home Office nur kölsche Tön und eine Träne im Auge in Erinnerung an bessere Tage. Superjeile Zick.

Das dürfte auch für den 1. FC Köln gelten: Von den Hochgefühlen aus dem Frühjahr ist gegen Ende des Jahres nichts mehr geblieben, weder von den Ergebnissen noch von der Spielweise. Als würde uns der FC deutlich machen wollen, wie ernst diese Coronavirus-Pandemie ist, scheint er so gar keinen Spaß mehr zu machen. Ob auf dem Platz mit reichlich rumpeligen Auftritten oder abseits des Rasens, der uns allen die Welt bedeutet, mit nervigen Äußerungen zu den Vorgaben in der Krise: Selten hat mir der glorreiche 1. FC Köln weniger Freude bereitet, selten habe ich mich meinem Verein fremder gefühlt als in diesen Tagen. Nicht an allem in dieser Entwicklung ist der FC schuld, das ist mir klar. Es liegt nicht an dir, Schatz, es liegt an mir. Auf der Couch vor dem Fernseher zu hocken ist beispielsweise halt einfach nur billiges Methadon gegenüber dem Stadionbesuch mit Freunden. Bundesliga light: Das ist nicht mein Ding, sorry. Nemm mich su, wie ich ben.

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Im Amateurfußball ist derzeit Pause

So kam in mir am vergangenen Freitagabend erstmals seit langem das Verlangen auf, diesen Rumpelkick auszuschalten und mich sinnvolleren Dingen zu widmen (keine Sorge, habe ich natürlich nicht gemacht!). Spötter sagen, dass der FC-Kick in Bremen so unansehnlich war, der würde in Guantanamo in Dauerschleife als Folter laufen. 24/7. Aber im Ernst: Das war schon sehr schlimm anzuschauen, was an der Weser zusammengerumpelt wurde. Einem Gegner, der bei allem Respekt zumindest ansatzweise auf Augenhöhe anzusiedeln sein sollte, das Feld zu überlassen und sich am eigenen Strafraum zu verschanzen? So richtig erschließt sich mir diese Strategie nicht, aber ich habe schließlich auch keine Ahnung von Fußball. Vielleicht bräuchte ich auch hier einen Mann wie John King, der mir über Stunden auf CNN das Wahlchaos in den USA an der Magic Wall erklärt und selbst die simpelsten Details über Longerich County (oder welchen Teil dieses Landes auch immer) ins Kleinhirn gezimmert hat. Wat sull dä Quatsch?

Oder aber er kommt, wie auf Twitter schon gewitzelt, zur Taktikeinheit ans Geißbockheim vorbei. Mal schauen, wie schnell unseren Halbgöttern in rut-wieß die Synapsen durchbrennen und sie denken, die Wahl wäre längst noch nicht entschieden. Und die vergangenen Saison spiele keine Rolle bei der Bewertung der aktuellen Situation. Aber weg von der „Stop the count“-Parallelrealität in die triste Wirklichkeit, die für mich derzeit unter anderem heißt: Kein Amateurfußball. Ja, so mancher wird scherzen: Der FC darf doch noch spielen. Lustig. Aber auf den kölschen Asche- und Kunstrasenplätzen: Pause allerorten im November. Unterhalb der Regionalliga West, die zur Freude von Fortuna Köln und Co. aufgrund einer Ausnahmegenehmigung weitermachen darf, ist kein Fußball mehr angesagt. Das geht vor allem im Seniorenbereich für mich auch völlig klar, Kontakte vermeiden steht angesichts der ziemlich bedrückenden Infektionszahl im Vordergrund. Leid tut es mir allerdings für die Pänz, die zwar in der Schule aufeinanderhocken müssen, aber nicht mit ihren Freunden auf dem Fußballplatz kicken dürfen. Mir klääve am Lääve.

Der eigentliche Karnevalsverein ist der DFB

Wo ich eben schon das Wort „Parallelrealität“ in den Text warf: Wie absurd ist es eigentlich, dass nun schon wieder Länderspielpause ist? Nerven diese Unterbrechungen des Vereinsspielbetrieb im normalen Alltag schon, sind sie in meinen Augen derzeit komplett fehl am Platze. Inmitten einer Pandemie für ein paar unwichtige Kicks kreuz und quer durch die Gegend reisen? Das lässt sich einfach nicht vermitteln. Schon der Profi-Spielbetrieb ist angesichts der kolportierten Engpässe bei den Testlaboren äußerst grenzwertig, aber jetzt auch noch Spieler aus allen Gegenden der Welt gegeneinander antreten zu lassen? Es scheint, als sei der Fußballbranche wenig überraschend mehr um „business as usual“ gelegen, als sie in ihren Sonntagsreden so gerne postuliert. Ein wenig ärgerlich natürlich, wenn dann die Wirklichkeit einen Strich durch die Rechnung macht und etliche Spieler entweder mit positiven Testergebnissen zurückkehren oder aber irgendwo in Quarantäne festhängen. Das ist es nicht wert, Freunde. Aber die Show muss offensichtlich weitergehen – ist ja extrem wichtig für die Menschen, wie oft genug betont wurde und wird. Tschingderassabum!

FRANKFURT AM MAIN, GERMANY - MARCH 18: DFB director for national teams and the DFB academy Oliver Bierhoff (cut in) talks to the media whilst DFB president Fritz Keller (L) looks on during a video press conference at DFB Headquarter on March 18, 2020 in Frankfurt am Main, Germany. (Photo by Thomas Boecker/DFB/Pool/Getty Images)

Foto: Thomas Boecker/DFB/Pool/Getty Images

Da passt es doch prima ins Bild, dass Oliver Bierhoff vor den Länderspielen der DFB-Auswahl zur großen Brandrede ansetze. Eine dunkle Wolke hänge über der Nationalmannschaft, die unter PR-Genie Bierhoff zunehmend als „DIE MANNSCHAFT“ vermarktet wurde. So leiden die jungen Spieler angeblichen unter Anfeindungen, unter hämischer Kritik, die noch aus dem desaströsen WM-Gruppenaus 2018 rühren würde. Im Stile eines deutlich prominenteren Polterers namens Uli Hoeneß könnte man den DFB-Granden antworten: Für die scheiß Stimmung seid ihr doch selbst verantwortlich. Doch hat Bierhoff in meinen Augen weiter am Thema vorbeigeschossen als Georgi Donkov in seinen „besten“ Zeiten beim 1. FC Köln am gegnerischen Tor: In der öffentlichen Kritik stehen doch vor allem die Verantwortlichen aus der DFB-Zentrale, nicht die Spieler. Skandale noch und nöcher, zahlreiche Wechsel auf dem Präsidentenposten, schlimme Außendarstellung. Eigentlich sitzt der wahre Karnevalsverein in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt. Do bes Kölle!

Es sind harte Zeiten, doch mer sin eins!

Weniger PR-lastig, dafür deutlich wichtiger: Am 10. November jährte sich Robert Enkes Todestag zum elften Mal, Depressionen hatten den Nationaltorhüter über lange Zeit gequält. Und auch wenn sich die psychologische Betreuung im Spitzensport seitdem verbessert hat: Immer noch sind seelische Erkrankungen im Alltag, ob privat oder auf der Arbeit, ein Tabuthema, Betroffene haben die Angst vor Stigmatisierung. Als jemand, dem dieses Thema aus persönlichen Gründen am Herzen liegt: Bessere Aufklärung und bessere Betreuung sind zwingend notwendig. Und denkt daran: Es klingt zwar abgedroschen, aber gerade in diesen Zeiten sollten wir alle ein Auge aufeinander haben. Weniger Kontakte, Home Office, Freizeitvergnügen wie Fußball gestrichen: Es ist nicht schlimm, sich derzeit überfordert, einsam oder traurig zu fühlen. Es sind harte Zeiten, doch gemeinsam sollten wir sie überstehen. Passt auf euch auf, kümmert euch umeinander, bleibt gesund. Mer sin eins.

Euer Jeff Jas

In unregelmäßigen Abständen schreibt Jeff Jas an dieser Stelle über die groben Fouls und versteckten Nickligkeiten im Fußball, die Diskussionen auf dem Platz, an der Seitenlinie, in der Kabine, auf der Tribüne und an der Theke. Er fühlt sich überall zuhause, wo der Ball rollt: Vom Aschenplatz auf der Schäl Sick über das Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen bis zu den Hochglanzarenen dieser Welt.

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