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Lebenswege beim 1. FC Köln: Joschi Chang – “Für mich ist ein Traum kaputtgegangen”

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? Autor Kurt Ludwigs traf “Joschi” Chang, ein Mitglied der Kölner B-Jugend-Mannschaft von 1990, die damals Deutscher Meister wurde.

A-Junioren des 1.FC Köln 1990/91. Joschi Chang ist in der unteren Reihe ganz rechts zu sehen.| Foto: privat

Joschi Chang wollte den Traum einer Profikarriere aber noch nicht endgültig aufgeben und ging deshalb nach Südkorea, das Land seiner Vorfahren. Er schloss sich den Yukong Elephants an, einem Club der 1. Liga, der 1989 südkoreanischer Meister geworden war. „Der Wechsel dorthin war ein Kulturschock für mich“, so Chang. „Ich sprach kaum Koreanisch, da ich in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert worden war. Ich war ganz auf mich alleine gestellt, meine Familie war ja in Köln zurückgeblieben.“

Nach dem Ende der Profi-Träume: Der Aufbau einer beruflichen Existenz

Auch die Auffassung vom Fußball unterschied sich von der aus Deutschland bekannten. „Im ersten Training sind wir zwei Stunden lang nur gelaufen, ohne Ball bei 35 Grad im Schatten“, sagt Chang. „Als wir nach den zwei Stunden an die Gatorade-Kanister kamen und ich nach einem davon griff, spürte ich einen Klaps im Rücken. Dort war es Usus, dass die älteren Spieler – unter ihnen auch einige Nationalspieler – zuerst trinken durften und ganz zum Schluss erst die jungen.“

Nach einem Jahr kehrte Joschi Chang wieder nach Deutschland zurück. Seine Fußballkarriere führte ihn noch nach Wesseling, zum TuS Höhenhaus und auch noch nach Porz zur dortigen Sportvereinigung – dorthin, wo alles begonnen hatte. Er nahm ein Sportstudium in Köln auf, erwarb den Spielerberaterschein und die Trainer B-Lizenz. Bei den Kursen für den Trainerschein teilte er das Zimmer mit Lars Leese, den Traumhüter, der seinen „moment of glory“ bei einem 1:0-Auswärtssieg im Tor seines FC Barnsley beim FC Liverpool erleben durfte.

Sushi in Köln – die Changs als Vorreiter

Für Chang stellte sich nun die Frage des Aufbaus einer beruflichen Existenz. Sein Vater Jae-In hatte den Fisch-Hof 1996 eröffnet, damals ein Fischgeschäft mit angeschlossener kleiner Sushi-Bar. Um Top-Qualität anbieten zu können, fuhr Joschi mit seinem Vater mehrmals in der Woche nach Paris zum Fischmarkt in Rungis. „Wir düsten dann um acht Uhr abends hier los, kamen nach Mitternacht in Rungis an, kauften den fangfrischen Fisch ein und waren dann vormittags wieder in Köln, wo mein Vater die Ware dann in seinem Laden verkaufte“, erklärt Chang.

Die Idee, Sushi anzubieten, hatte sein Vater aus Korea mitgebracht, wo als Folge der bis 1945 dauernden japanischen Besatzung Sushi zu einem beliebten Snack geworden war. Damit betrat er in Köln und Umgebung völliges Neuland. „Sushi kannten ja zunächst nur die Leute, die schon einmal in Japan oder den USA waren“, sagt Chang. „Dazu zählten Medienschaffende, Politiker, Schauspieler und Künstler.“

Alleiniger Inhaber einer prosperierenden Sushi-Bar

Zu den Gästen des Fisch-Hofs zählen Unterhaltungskünstler wie Mike Krüger, Harald Schmidt und Guildo Horn, Moderatoren wie Markus Lanz und Birgit Schrowange, Schauspieler wie Martin Semmelrogge und Moritz Bleibtreu sowie Politiker wie Volker Beck und Karl Lauterbach. Zudem war der Fisch-Hof Drehort für einige Szenen des deutschen Spielfilms „Fandango“ mit Moritz Bleibtreu, Richy Müller und Nicolette Krebitz, für Anke Engelkes „Ladykracher“ und Annette Friers TV-Serie „Danny Lowinski“.

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Die Euro-Umstellung ließ die Fischpreise steigen, so dass der Fischverkauf nicht mehr rentabel genug war, andererseits erfreuten sich die angebotenen Sushi-Spezialitäten wachsender Beliebtheit. „Die Leute rannten uns förmlich die Sushi-Bar ein“, sagt Chang, und so war es nur allzu konsequent, das Fischgeschäft zugunsten einer vergrößerten Sushi-Bar aufzugeben. 2001 zwangen gesundheitliche Probleme Joschis Vater Jae-In kürzer zu treten.

Der Sohnemann stieg nun immer mehr in das Geschäft ein, führte aber bis 2003 sein Sportstudium weiter. Danach musste er erkennen, dass sich Studium und Beruf nicht mehr vereinbaren ließen, so dass er sich ab diesem Zeitpunkt vollständig auf den Fisch-Hof konzentrierte. Nach dem Tod seines Vaters ist Joschi Chang nun alleiniger Inhaber der Sushi-Bar.

Der Bezug zum 1. FC Köln hat abgenommen

Die Besuche am Geißbockheim sind unterdessen selten geworden. Zuletzt war er nach langen Jahren wieder einmal dort, weil er die U18-Nationalelf Südkoreas auf ihrer Tour durch Nordrhein-Westfalen begleitete und dieses Team ein Spiel gegen die U19 des 1. FC Köln austrug. „Es war Gänsehaut pur, nach mehr als 10 Jahren wieder einmal das FC-Gelände zu betreten“, sagt Chang. „Es hat sich gar nicht so viel verändert und in jeder Minute kamen tausend Erinnerungen hoch an Spiele, Spielszenen, Begegnungen mit Menschen.“

Von der U19 des FC war er sehr angetan. “Ich habe die Spiele der U18 Südkoreas gegen Leverkusen, Düsseldorf und den FC gesehen und die FC-Junioren haben dabei bei weitem am besten gegen das Nationalteam ausgesehen.“ Auch deshalb wünscht er sich, dass wieder vermehrt Eigengewächse des FC den Sprung in die Profimannschaft schaffen. Er wertet es als vielversprechendes Zeichen, dass mit Ostrak, Churlinov, Bartels und Führich vier Nachwuchskräfte mit ins Wintertrainingslager auf Mallorca genommen wurden.

https://twitter.com/fckoeln/status/1081906140580118529

Kontakte zum FC hat er in erster Linie über seinen Landsmann Ho-Yeon Kim, der seit Jahren im Mitgliederrat des Vereins aktiv ist. Die alten Mitspieler sieht er kaum, Begegnungen mit ihnen sind eher zufällig. „Natürlich ist man mit dem ein oder anderen durch die sozialen Netzwerke verbunden, aber auch dort ist der gegenseitige Austausch sehr überschaubar“, gibt Chang zu.

Einmal FC, immer FC.

Das letzte Mal im Stadion war er vor fünf oder sechs Jahren. Wenn es die Zeit erlaubt und er nichts anderes vorhat, schaut er sich die Spiele des FC im Fernsehen an. „Wenn ich weiß, dass der FC spielt, frage ich immer, wie das Spiel ausgegangen ist.“ Trotzdem scheint eine gewisse Distanz zu dem Club spürbar. „Damals im zweiten Jahr der A-Jugend ist vieles kaputtgegangen bei mir“, sagt er. “Die Enttäuschung ist immer noch da.“ Oder schwingt da noch etwas anderes als Distanz mit? Er macht eine Pause und schaut mir direkt in die Augen. “Aber einmal FC, immer FC.“

Fußball spielt immer noch eine Rolle

Den heutigen Fußball sieht er distanziert, die wachsende Kommerzialisierung mache vieles kaputt, bekennt er. „Es ist zu viel Geld im Spiel.“ Und dann wandern seine Gedanken doch wieder zum FC zurück. „Das Stadion muss unbedingt in Müngersdorf bleiben, es ist auch groß genug. Was willst Du mit einem Stadion, in das 70.000 Zuschauer gehen und es ist in einem Spiel gegen Augsburg oder Hannover halb voll!“

5. Mannschaft Blau-Weiss Köln

Foto: facebook/fchanguk

Fußball spielt er auch noch gelegentlich in der 5. Mannschaft von Blau-Weiss Köln. Sein Bruder Paul Chang hat dort ein Team aufgebaut, das fast nur aus in Köln und Umgebung lebenden Koreanern besteht. „Mein Bruder hat zehn Jahre in Südkorea gelebt und dort den FC Dogil gegründet. Dogil ist das koreanische Wort für Deutschland und dort spielten fast ausschließlich Deutsche, die in Seoul lebten. Die 5. Mannschaft von Blau-Weiß ist das Gegenstück dazu.“

Wir gehen nach draußen, um ein Foto zu machen, dann verabschieden wir uns. Nach einigen Schritten drehe ich mich noch einmal zu ihm um. Da steht Young-Suk “Joschi” Peter Chang, der „Porzer Jong“ mit koreanischen Wurzeln, dessen Traum von einer Profikarriere nicht in Erfüllung ging und der trotzdem seinen Platz im Leben gefunden hat.

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