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Fankultur & Sportpolitik

Interview mit Fanhilfe Kölsche Klüngel: “Stadionverbote sind eine rein repressive Maßnahme”

In den letzten Jahren haben sich in vielen deutschen Städten Fanhilfen zusammengefunden, so auch in Köln. Im Interview mit effzeh.com erklären die Ehrenamtler, warum ihre Arbeit so wichtig ist, warum sie davon abraten, zur Stadionverbotskommission zu erscheinen und was aus Fansicht strittige Punkte im neuen Polizeigesetz sind.

Foto: roteboecke.com

effzeh.com: Stichwort Polizeigesetz in NRW. Im Dezember hat der Landtag das neue, deutlich schärfere Polizeigesetz verabschiedet. Auf welche Neuerungen müssen wir uns einstellen?

Bei jedem Heimspiel kann die Polizei nach §12a PolG NRW ab sofort im Vorfeld eines Spiels einen Bereich ums Müngersdorfer Stadion als Gefahrenbereich deklarieren und darf dann verhaltensunabhängige Identitätsfeststellungen durchführen. Das heißt, es muss gar kein Anfangsverdacht bestehen, dass jemand eine Straftat begangen hat. Die Polizei darf jede Person, die sich in diesem Gebiet befindet, anhalten, kontrollieren und durchsuchen – auch das Auto dieser Person, wenn diese mit einem unterwegs ist. Vorher war dazu ein richterlicher Beschluss nötig, das ist jetzt nicht mehr so – wenn das Gebiet als Gefahrenbereich deklariert wurde. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass bereits die simplen und nicht immer nachvollziehbaren Identitätsfeststellungen, die bislang an das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte geknüpft waren, dafür sorgen, dass teilweise große Teile von Fans ganze Spiele verpassen, weil sie sich in einer solchen Maßnahme befinden. Auch Aufenthaltsvorgaben wie Hausarrest oder Kontaktverbote können die Beamten nach §34b Abs. 1 PolG NRW verhängen, sofern eine terroristische Straftat zugrunde liegt.

effzeh.com: Was kann einem denn jetzt noch passieren?

Durch die Änderungen der §§35gg PolG NRW kann die Polizei jetzt Personen nicht mehr „nur“ 48 Stunden in Gewahrsam nehmen, sondern je nach Vorwurf bis zu 28 Tage wegsperren. Das stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Menschen dar und kann heftige Auswirkungen auf den Job oder die Familie haben.

Man fragt sich da halt schon, welchen präventiven Zweck es erfüllen soll, wenn jemand 24 Stunden nach dem Heimspiel noch in Gewahrsam sitzt. Das ist zum Glück noch nicht vorgekommen, aber rein rechtlich ist es jetzt möglich, eine Person bis montags um 7 Uhr festzuhalten, wenn das Spiel am Samstag um 15:30 Uhr stattgefunden hat.

Warum Fußballfans so ein schlechtes Standing haben

effzeh.com: Stimmen da noch die Relationen?

Nein, darum sind wir ja alle letzten Sommer auf die Straße gegangen und haben gegen das verschärfte Polizeigesetz demonstriert. Man kann gegen das Gesetz aber erst klagen, wenn man selbst davon betroffen ist. Wir müssen einfach schauen, was die Zukunft und vor allem die laufende Saison mit sich bringt.

COLOGNE, GERMANY - JANUARY 14: Police or Polizei watch the fans of Borussia Monchengladbach during the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Borussia Moenchengladbach at RheinEnergieStadion on January 14, 2018 in Cologne, Germany. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)

Foto (Archivbild): Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

effzeh.com: Was erwartet ihr denn für die laufende Saison?

Wir schwanken zwischen der Hoffnung, dass sich für Fußballfans nicht viel ändert, und der Angst, dass wir Fußballfans jetzt als Testpersonen für das neue Polizeigesetz gelten und die volle Bandbreite zu spüren bekommen.

effzeh.com: Wie kommt es denn, dass Fußballfans eine so schlechte Lobby haben?

Wir sind einfach die kleinste Stimme und von Presse und Polizei in den vergangenen Jahren immer wieder schlecht geschrieben worden. Wir haben einen schlechten Ruf und wenn in der Presse jemand als „Hooligan“ bezeichnet wird, der weder verurteilt noch ein Hooligan ist, dann schert das niemanden. Wenn man sich Stadionverbote und Verurteilungen in absoluten Zahlen anschaut, merkt man, dass an dem schlechten Bild nichts dran ist. Wir haben das Gefühl, dass da oftmals die Gesellschaft ein falsches Bild von Fußballfans hat.

Wenn die Journalisten in der Zeitung den Polizeibericht ungeprüft übernehmen und dann schreiben, jemand hätte im Stadion „stark randaliert“, weil er gerade zufällig da stand, wo etwas passiert ist, dann wirft das ein schlechtes Licht auf alle Fans. Hinzu kommt, dass vielleicht viele junge Fans schlichtweg nicht die finanziellen Mittel oder die Verbindung zu guten Anwälten haben, gegen solche Falschdarstellungen vorzugehen. Darum sind Fanhilfen immer hilfreich. Denn wir haben Kontakte zu engagierten Anwälten. Und wir bringen unter Umständen das Geld auf, um dagegen vorzugehen.

Das schlechte Image ist auch der Grund, warum die Polizei sich verhalten kann, wie sie sich verhält – Stichwort Polizeigewalt: Wenn man versucht, gegen Polizeigewalt vorzugehen und zur Anzeige zu bringen, dann, so unsere Erfahrung, werden die Kollegen zur Hilfe eilen und den betreffenden Beamten decken. Auf jede Anzeige gegen einen Polizisten bekommt man reflexartig eine Gegenanzeige. Im Zweifel wird der Richter immer den Beamten glauben. Das ist das Problem. Das ist ein Kernproblem unserer Gesellschaft.

effzeh.com: Warum ist es wichtig, mit anderen Fanhilfen zusammenzuarbeiten?

Wir sind bundesweit gut vernetzt und treffen uns in regelmäßigen Abständen mit anderen Fanhilfen in Deutschland. Das ist total wichtig. Wir unterstützen uns gegenseitig. Beispielsweise, wenn wir ein Auswärtsspiel in Niedersachsen hätten, würden wir uns im Vorfeld z. B. mit der Fanhilfe Hannover austauschen und abklären, was im niedersächsischen Polizeigesetz für Änderungen stehen, die uns betreffen könnten. Aber mit den anderen acht Fanhilfen in NRW stehen wir auch im Austausch. Der neue Flyer über das Polizeigesetz ist in Zusammenarbeit mit der Fanhilfe Dortmund entstanden. Den Inhalt haben wir den anderen NRW Fanhilfen zur Verfügung gestellt. Den Entwurf kann jede Fanhilfe mit ihrem eigenen Layout und den eigenen Vereinsfarben nutzen. So werden Synergien geschaffen, von denen alle profitieren.

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