Um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, musste man tatsächlich weitermachen, ohne Wenn und Aber, denn in der 77. Minute schraubte Heynckes das Ergebnis von Düsseldorf auf zweistellig! Es stand 10:0 im Rheinstadion. Alles erschien weiterhin möglich zu sein.
Bernd Cullmann gelang in der 83. Minute das 4:0 indem er alleine durchmarschierte und das Tor erzielte. Den spektakulärsten Treffer gelang in der 86. Minute Okudera, der einen sagenhaften Flugkopfball mit großer Wucht in die Maschen setzte. Der Japaner zischte wie ein Düsenjet quer durch die Luft als er einnetzte. Die spektakuläre Aktion wurde später zum „Tor des Monats“ gekürt.
Turbulente Szenen
Während der letzten Minuten der Begegnung, spielten sich teilweise unglaubliche Szenen um die Kölner Trainerbank herum ab. Ein riesiger Pulk Journalisten versammelte sich vor Weisweiler, der dadurch fast nichts mehr vom Spielgeschehen mitbekam. Immer wieder knurrte Weisweiler, dass die Meisterschaft noch nicht entschieden sei, es müsse erst abgepfiffen werden. Heinz Flohe verließ in der 79. Minute das Feld, da er sich bei einer Rettungstat am eigenen Strafraum leicht verletzte. Für ihn kam Heinz Simmet ins Spiel, der somit einen letzten großen Auftritt in FC-Dress erhielt. Auch Strack musste kurz vor dem Schlusspfiff vom Platz, da auch er sich verletzte. Für ihn kam Herbert Hein, der mithalf die verbleibende Zeit zu überstehen.
Als das Spiel zu Ende war, entlud sich die ganze nervliche Belastung der vergangenen Wochen. Fans hatten das Spielfeld gestürmt, feierten ausgelassen mit den Spielern im Hamburger Regen. Auch das nahm chaotische Formen an, denn teilweise versuchten die Ordner mit Hunden die über die Zäune kletternden Fans von ihrem Vorhaben abzuhalten. TV-Teams rannten ebenfalls auf den Rasen, versuchten erste Stimmen einzufangen. Auf Grund der Vorkommnisse in Düsseldorf, entrüstete sich Neumann vor laufenden Kameras: „Eine Unverschämtheit, was da passiert ist! Da kämpfen die Spieler des FC St. Pauli bis zum Umfallen und die Dortmunder lassen sich ohne Gegenwehr überfahren. Das ist schlichtweg ein Skandal!“
Freude, Wut auf Dortmund und erste Feierlichkeiten
Was nach dem Spiel laut Plan geschehen sollte, war keinem klar. Für den Fall, dass der FC als Deutscher Meister den Platz verließ, sollte der Ligaausschussvorsitzende Wilhelm Neudecker dem Mannschaftskapitän einen Blumenstrauß überreichen und ein paar warme Worte mit auf den Weg geben. Keiner wusste es und deshalb stand Neudecker mehr oder weniger blöd im Regen. Die echte Meisterschale sollte erst tags drauf dort überreicht werden, wo sie hingehört.
Die Spieler verzogen sich alsbald in die Kabine, wo erst langsam so was wie Partystimmung aufkam. Präsident Weiand wollte Sekt ausschenken, traf aber auf wenig Gegenliebe bei den abgekämpften Spielern, erst mal war nur Wasser angesagt.
Weiand wurde von Presseleuten gedrängt, die Düsseldorfer Ereignisse zu kommentieren. Seine Stellungnahme fiel knapp aus: „Ich möchte nicht viel dazu sagen,“ erklärte er und fügte hinzu „aber es ist doch schon ein recht merkwürdiges Ergebnis. Um so stolzer dürfen wir sein, dass wir uns den Titel trotz allem durch unsere eigenen Tore sicherten“. Trainer Weisweiler hielt sich erst recht bedeckt: „Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, dass bei uns nichts anbrannte, da konnte ich mich über andere Dinge nicht aufregen und möchte es auch jetzt nicht tun“.
Ärger um den Ex-Star
Echte Feierstimmung kam erst nach der Rückkehr ins Hotel auf. Man hatte einen großen Saal im Hotel angemietet, zahlreiche Ehrengäste eingeladen und nun ging es langsam los mit den Festlichkeiten. Dicke Havannas wurden angesteckt, alkoholische Getränke aller Art ließen die Promillepegel steigen und feine Speisen sorgten für das leibliche Wohl, so konnte es nach dem Geschmack der Akteure weitergehen. Die Party im Crest-Hotel war bereits im vollen Gange, die Stimmung immer gelöster, da erschien unversehens Wolfgang Overath via TV-Schalte aus dem „Aktuellen Sportstudio“, wo er als Gast von Dieter Kürten, vermeintlich passend zum Thema Doublegewinner eingeladen war, auf dem Bildschirm des Fernsehers, der im Hamburger Festraum stand. Vielen Anwesenden blieb der Bissen im Hals stecken, man reagierten stocksauer, forderten lauthals, dass „die Glotze ausgeschaltet“ wird. Man bekam sich danach wieder ein und feierte alsbald unverdrossen weiter.
Von Hamburg nach Köln – Die große Feier des 1. FC Köln
Einige Spieler machten die Nacht zum Tag, gingen noch in die Stadt, bevorzugt in Richtung Reeperbahn, feierten weiter und bekamen so gut wie gar keinen Schlaf ab. Anderntags ging es zurück nach Köln und da war dann im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los. Zunächst stand der Besuch im Rathaus an, wo auch die echte Meisterschale von DFB-Vizepräsident Ägidius Braun an Heinz Flohe überreicht wurde. Vor dem Rathaus hatten sich gut und gerne 20.000 Fans im kollektiven Freudentaumel versammelt und für Karnevalsstimmung gesorgt. Man schätzt, dass die anschließende Triumphfahrt im offenen Wagenkorso von ungefähr 300.000 Menschen gesehen wurde. Das hatte durchaus Rosenmontagsdimensionen. Die Fahrt ging bis zum Geißbockheim, wo munter weiter auf den Putz gehauen wurde.
Es waren tatsächlich denkwürdige Momente, die sich seinerzeit in der Stadt abspielten. Der FC war am Ziel seiner Träume, der Triumph total und das allgemeine Glückgefühl hatte nahezu jeden Kölner erfasst.
Text: Frank Steffan und Ralf Friedrichs