Flohe hat zudem durch seine extreme Medienscheu viel mit dazu beigetragen, dass seine Karriere zu weiten Teilen unbeachtet blieb. Dass überhaupt etwas blieb, hat nur damit zu tun, dass Tausende Menschen Zeuge seiner unübersehbaren Genialität wurden. Seine fast durchgängige Weigerung mit den Medien zu reden, ist durch die üblichen tiefenpsychologischen Erklärungsmuster nicht zu begründen. Medien, vor allem das Fernsehen, war für viele Spieler seiner Generation ein furchteinflößendes Monstrum, vor dem man am besten Reißaus nahm. Die sprachlose Panik und fast schon rührende Hilflosigkeit vieler Fußballer der sechziger und siebziger Jahre vor TV-Kameras ist unzählige Male eingefangen worden.
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Insofern war Flohe keine Ausnahme, aber er ging noch einen Schritt weiter, indem er sich fast gänzlich abschottete. Die naheliegendste Erklärung, nämlich mangelndes Selbstbewusstsein, greift jedenfalls bei Flohe zu kurz. Er konnte zwar ausgesprochen introvertiert wirken, war es aber längst nicht immer. Er konnte durchaus auf Menschen zugehen, völlig ungezwungen, je nach dem sogar richtig charmant sein. Denkbar, dass Flohe durch ein einfühlsames Coaching zum PR-Mann in eigener Sache hätte werden können. Das wäre zwar eine Mammutaufgabe für den Mediencoach gewesen, aber es hat schon genügend Beispiele hierfür gegeben.
Heinz Flohe: Dreh- und Angelpunkt beim Double
Für gut ein Jahr schien es so, als wenn sich die oft unglücklichen Umstände und all die dummen Zufälle in ihr Gegenteil gedreht hätten. In der Saison 1977/78, als der 1. FC Köln das glorreiche „Double“ in Form der deutschen Meisterschaft und des DFB-Pokals gewann, gelang Heinz Flohe auf einmal nahezu alles, das Glück lachte ihn an. Unterstützt und angetrieben von Hennes Weisweiler war Flohe die dominierende Figur im Kölner Mannschaftsgefüge. Er führte glänzend Regie, war der Dreh- und Angelpunkt, schoss 14 Tore in der Bundesliga. Selbst in der Nationalmannschaft war sein Status auf einmal gefestigt, obwohl sein Verhältnis zu Bundestrainer Helmut Schön jahrelang angespannt gewesen war.
Heinz Flohe mit DFB-Pokal | Foto: Edition Steffan
All die Jahre vor 1977 konnte Flohe in der Nationalmannschaft nur selten wirklich befreit aufspielen, doch nun änderte sich das. Schön setzte auf ihn mit Blick auf die WM 1978 in Argentinien. Flohe flog als Kapitän der erfolgreichen Kölner Doublemannschaft zur WM, vier weitere Kölner standen im Kader. In Argentinien wurde die deutsche Mannschaft zwar nicht so aufgestellt, wie es für Flohe am besten gewesen wäre, aber er legte im Mexiko-Spiel eine fulminante Leistung mit zwei Traumtoren hin. Das immerhin mit 6:0 gewonnene Mexiko-Spiel ist eins der Spiele, die völlig vergessen wurden.
Eine Legende, die niemals stirbt
Warum? Weil die WM mit der Katastrophe von Cordoba und der historischen Niederlage gegen Österreich assoziiert wird und mit nichts anderem. Spätestens da war das Pech des Heinz Flohe wieder zur Stelle, denn noch bevor die „Schmach von Cordoba“ ihren Lauf nahm, verletzte er sich im vorherigen Italien-Spiel so schwer, dass er vorzeitig nach Deutschland zurückfliegen musste. Was wäre gewesen, wenn er sich nicht verletzt und gegen Österreich mitgespielt hätte? Durchaus möglich, dass sich dadurch das Österreich-Debakel hätte verhindern lassen. Aber so?
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
Diese und viele andere Wegmarken wurden in meinem Film- und Buchprojekt über ihn im Zeitraum 2014/2015 nachgezeichnet. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Realisierung dieser Projekte auch mit einer ordentlichen Portion Herzblut zu tut hatte. Dieser Umstand hat aber nicht den journalistischen Blick getrübt. Nichts wurde aufgebauscht, nichts wurde geschönt. Ich denke, es war an der Zeit für eine posthume Würdigung.
Seinen 70. Geburtstag am 28. Januar 2018 kann er nun nicht mehr erleben, dies ist sehr traurig und verursacht Schmerz. Aber das, was er dem Fußball und dem 1. FC Köln gegeben hat, bleibt ein großes Vermächtnis und rund um den 1. FC Köln wird er unvergessen bleiben. Heinz Flohe ist ein Großer – eine Legende, die niemals stirbt!