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Ehrentribüne

Zum 70. Geburtstag von Heinz Flohe: „Flocke war anders als alle anderen. Er war Rock’n’Roll“

Heute vor 70 Jahren wurde Heinz Flohe geboren. Der viel zu früh verstorbene Double-Kapitän des 1. FC Köln zählt völlig zurecht zu den absoluten Vereinslegenden. Eine Laudatio zum 70. Geburtstag!

Heinz Flohe an seinem 30. Geburtstag gegen den 1. FC Saarbrücken | Foto: Edition Steffan / Pfeil

Wie kann es also sein, dass man in den siebziger Jahren einen Spieler gesehen hat, der Dinge machte, die zum damaligen Zeitpunkt neu und unbekannt waren, der ohne Übertreibung den deutschen Fußball revolutioniert hat, der aber nicht vorkommt, wenn die Großen des deutschen Fußballs aufgelistet werden? Die Großen, die nicht vergessen werden, von Franz Beckenbauer über Günter Netzer bis Jupp Heynckes, sie haben Flohe nicht vergessen, im Gegenteil, sie zählen ihn wie selbstverständlich zu Ihresgleichen. Und dennoch spricht heute kaum ein Fußballinteressierter in Hamburg, in München oder in Frankfurt mehr von Heinz Flohe, es sei denn es handelt sich um einen ausgewanderten Fan des 1. FC Köln, der die siebziger Jahre in der legendären Radrennbahn oder die Doublesaison 1977/78 live miterlebt hat.

>>> Nachruf auf Anton “Toni” Regh: Eine Frohnatur mit großem Herzen für den 1. FC Köln

Die Gründe für dieses Missverhältnis sind vielfältig und sie wurden teilweise erst durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema klar. Klar wurde auch, dass man seinerzeit keiner Sinnestäuschung unterlegen war, denn plötzlich meldeten sich unzählige Menschen, die es damals ähnlich empfanden. Es waren zudem viel mehr Menschen als anfangs für möglich gehalten. Ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass Flohe weder zu Lebzeiten als Spieler und erst recht nicht posthum in der Form gewürdigt wird, die ihm eigentlich gebührt, ist die damalige Aufnahmetechnik der TV-Anstalten.

Et sin die kleine Saache…

Es gibt zwar Aufnahmen aus seiner aktiven Zeit, teilweise sogar in recht guter Qualität, aber es sind die „falschen“ Bilder. Was heute noch auffindbar ist, sind die Zusammenfassungen von Bundesligaspielen, meistens 5 bis 10 minütige Beiträge für die „Sportschau“ und die sind nun mal auf das Wesentliche reduziert. Die wichtigen Spielszenen und natürlich die Tore sieht man. Nun hat Heinz Flohe alleine in der Bundesliga immerhin 81 Treffer erzielt, viele davon auf spektakuläre Art, aber bei Flohe waren vor allem die „Kleinigkeiten“ das wirklich Verblüffende. Wenn er am Rand des Spielfelds zwei und mehr Gegenspieler auf sich zog und diese mit einer kleinen, aber genialen Körpertäuschung ins Leere laufen ließ, dann konnte das der Ausgangspunkt für eine brandgefährliche Situation sein.

Heinz Flohe Ehrung

Foto: Edition Steffan/Pfeil

Aber diese Details wurden entweder gar nicht gefilmt oder so, dass man sie kaum erkennen konnte. Es war bis weit in die siebziger Jahre hinein Standard, dass eine Kamera die linke und eine andere Kamera das rechte Spielfeld in der Totalen aufnahm und das war´s dann im Wesentlichen. Nahaufnahmen, Ranzoomen, andere Perspektiven gab es so gut wie gar nicht. Demgegenüber wird heutzutage aus der banalsten Aktion ein visuelles Großereignis aufgepumpt. In Super-Slowmotion und extrem rangezoomt, sieht man die Schweißperlen auf der Stirn des Spielers, Grashalme spritzen bestens ausgeleuchtet in Zeitlupe durchs Bild, ein Trommelfeuer von ästhetischen Bildern erweckt den Eindruck, als wenn Weltbewegendes passiert, und tatsächlich hat nur ein Verteidiger ganz simpel gegen den Ball getreten.

Kleinigkeiten fehlten zum Nicht-Vergessen-Können

Wäre Flohe damals mit der heutigen Technik aufgezeichnet worden, wären es so spektakuläre Bilder gewesen, dass sie rund um den Globus immer wieder für Furore gesorgt hätten. Und bis heute wären es Youtube-Hits à la Christiano Ronaldo oder Messi. So gesehen hat Heinz Flohe zur falschen Zeit gespielt. Er war sowieso oft genug zur falschen Zeit am falschen Ort. Dieser Umstand kommt noch erschwerend hinzu. Ein Beispiel: 1976 war Flohe in einer großartigen Form, spielte bei der EM-Endrunde in Jugoslawien. Das Endspiel endete mit dem Elfmeterschießen gegen die Tschechoslowakei. Flohe verwandelte seinen Elfmeter souverän, so wie er alle (!) seine Bundesliga- und Länderspiel-Elfmeter verwandelt hat. Aber dann kam Uli Hoeneß und verschoss seinen Elfer spektakulär. Dieser Schuss in die Wolken blieb in Erinnerung, er kostete den Titel. Flohe wäre andernfalls Europameister gewesen.

Flocke feiert den Meistertitel © Edition Steffan

Noch ein Beispiel: Das legendäre DFB-Pokalfinale 1973, Köln gegen Mönchengladbach, gilt als das beste und dramatischste aller Zeiten. Was blieb von diesem Finale primär in Erinnerung? Die Selbsteinwechslung von Günter Netzer, jenem geborenen Medienprofi, der auch gleich noch mit der zweiten Ballberührung den Siegtreffer für Gladbach erzielte. Das ist der Medienstoff, aus dem ewige Legenden gestrickt werden. Flohe spielte demgegenüber die ganzen 120 Minuten, es war nicht sein allerbestes Spiel, aber er schoss in der zweiten Halbzeit von der Strafraumgrenze aus an die Querlatte des Gladbacher Gehäuses. Der Schuss wäre unhaltbar gewesen, wenn er auch nur ein paar Zentimeter tiefer gesessen hätte. Von dieser Szene spricht niemand mehr, sie ist selbst vielen Kölner Akteuren nicht mehr im Gedächtnis. Wäre es aber der Siegtreffer gewesen? Dann wäre es ein unvergessliches Ding mit entsprechenden Nachwirkungen gewesen. So oder so ähnlich war es oft während seiner fast 14 jährigen Profikarriere. Kleinigkeiten fehlten zum Nicht-Vergessen-Können.

Auf der nächsten Seite: Eine Legende, die niemals stirbt!

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