Das alles hatte den Kölner Journalisten und Filmemacher Frank Steffan seinerzeit schon länger umtrieben. Wie viele andere Flohe-Fans war Steffan der Ansicht, dass „Flocke“ viel zu tief unter dem öffentlichen Radar flog. Und er war der festen Absicht, dies zu ändern. Mit der Dokumentation „Heinz Flohe – Der mit dem Ball tanzte“ schuf er daraufhin nicht nur ein kleines Meisterwerk, sondern setzte in der Tat durchaus einen Meilenstein im Bereich der Fußball-Dokumentationen. Die Presse feierte bundesweit den emotionsgeladenen Film, unter anderem stellte die „Süddeutsche Zeitung“ die berechtigte Frage: „Nach 104 Minuten in der Welt von Heinz Flohe bleibt einzig die Frage: Warum gibt es in Deutschland nicht mehr Sportfilme dieser Art?“
Frank Steffan hat den Streifen auf vielen Veranstaltungen und in den Kinosälen gezeigt und jedes Mal gab er die Antwort auf diese Frage: „Das Drehbuch hat Heinz Flohe selbst geschrieben, eben durch seine Art Fußball zu spielen und zu leben.“ Mit anderen Worten: Der Film konnte nur deswegen so herausragend werden, weil der Fußballer und Mensch Flohe so herausragte. Letztlich hat wohl nur jemand wie Frank Steffan gefehlt, der dies in Szene setzen konnte. Denn bei allen Fähigkeiten auf dem Platz, die Gabe der Selbstinszenierung fehlte Flohe gänzlich. Dies war wohl auch der Grund, warum ihm trotz aller genannten Vorzüge in seiner Zeit wenig Anerkennung widerfuhr. Jedenfalls nicht die, die er gemessen an seinem Vermögen verdient gehabt hätte.
Dreifacher Torschütze, aber medial gefeiert wurde ein anderer
Ein kleines Beispiel aus seiner aktiven Zeit belegt dies: Die „Geißböcke“ spielten im Frühjahr 1974 in der Bundesliga gegen den Lokalrivalen Fortuna Köln. Der Aufsteiger aus der Südstadt hatte seinerzeit viele Anhänger in der Domstadt gefunden, rüttelte ein wenig am Thron des großen FC, der gerade nicht seine beste Phase hatte. Aber in diesem Spiel zauberte Heinz Flohe ganz besonders, erzielte drei fulminante Treffer, darunter eines – ohne Übertreibung – der Marke „Tor des Jahrzehnts“. Dazu bereitete der FC-Mittelfeldmotor noch einen weiteren Treffer vor. Ein anderer FC-Spieler war eher am Rande am großen Erfolg beteiligt. Kölns Star hieß nämlich damals Wolfgang Overath, der aber in dieser Phase schon länger in einer tiefen Formkrise steckte. In jenem Spiel aber wurde Overath mitgerissen und konnte sich erheblich steigern, wenn man die teils wirklich schlechten Vorwochen im Hinterkopf hatte. Dennoch muss klar gesagt werden: In diesem Match war Overath eher Mitläufer.
Das innerstädtische Duell war auch für die überregionalen Medien interessant, eventuell roch es nach einer Sensation des Kleinen gegen den Großen. Das ZDF war vor Ort und sendete mit Dieter Kürten sogar seinen damaligen Star-Sprecher und Moderator. Dieser war mit Overath durch die Jahre in der Nationalelf gut bekannt und sogar lose befreundet. Kürten unterlegte seinen Schluss-Kommentar dann mit der Bemerkung, dass man „zwar auf den ersten Blick meinen könne, dass Heinz Flohe der Spieler des Spiels sei, aber in Anbetracht der bemerkenswerten Steigerung eigentlich Wolfgang Overath dieses Prädikat zustehen würde“. Mit der Realität hatte diese Aussage natürlich wenig zu tun. Kürten galt immer als smart und war in der Breite sehr beliebt und es ist auch heute noch. Durchaus zu Recht! Aber als exorbitanter Kenner und Experte, der in die Tiefe ging, galt er nicht. Hier wurde also eher der verunsicherte Star-Spieler und „Buddy“ gestützt, der nach eigener Aussage ob seiner Formkrise kurz davor stand, die WM 1974 im eigenen Land abzusagen. Flohes Leistung dagegen wurde einmal mehr medial relativiert, nach dem Motto: Na ja, der hatte halt auch mal einen guten Tag.
Overath & Flohe: Ein FC-Mittelfeld für die Ewigkeit
Diese einzelne Beispiel-Anekdote soll nur verdeutlichen, wie viel Einfluss die Medien bereits in den frühen Jahren der Bundesliga hatten. Flohe war sicher ein anerkannt guter Spieler, aber eben der Mann hinter Overath. Es ging sogar so weit, dass Flohes technische Brillanz nicht selten als „brotlose Kunst“ abgetan wurde. Insbesondere, wenn es mal nicht gut lief, war die Kritik der Medien gerade an Flohe recht gnadenlos. Die Frage, wer von den beiden denn nun der bessere Fußballer war, hatte Thielen indirekt bereits beantwortet. Sie ist aber nicht endgültig und generell schwierig zu beantworten. Der junge Overath galt als eine Offenbarung, ein unfassbares Talent, der vor allem die Spielmacherposition mehr und mehr ausfüllte.
Technisch sehr stark beschlagen, schnell und vor allem mit einer großen Spielübersicht ausgestattet schlüpfte der Siegburger schnell in die Rolle des Chefs. Die Rolle, die zuvor der „Held von Bern“ – Hans Schäfer – beim FC innehatte. Vor allem hatte Wolfgang Overath schon früh einen festen, starken Willen und einen unbändigen Ehrgeiz. Nach seinen ersten Erfolgen auf nationaler (Meisterschaft 1964) und internationaler Ebene (WM-Endspiel 1966) galt Overath als DER Star des FC … und dieser Rolle war sich Overath bereits sehr früh bewusst. Schon in jungen Jahren wurde das Spiel auf ihn ausgerichtet und er war auch durchaus in der Lage, von seinen Mitspielern Loyalität in aller Deutlichkeit einzufordern.
Heinz Flohe kam 1966 zum FC, da war Overath bereits der große Starspieler und das Versprechen auf eine goldene Zukunft der Kölner. Von seinen Fähigkeiten her konnte Flocke direkt mithalten, technisch war er sogar – wohl als einziger deutscher Spieler – noch versierter als Overath. Aber auf den anderen Ebenen fehlte dem über vier Jahre jüngeren Euskirchener Jungtalent doch noch einiges. An der Seite Overaths, dem er sich zunächst unterordnete, jedoch konnte das Talent gedeihen. Flohe profitierte also auch von der Führungsfigur beim FC, beide respektierten sich und verstanden sich auf dem Platz zeitweise blind. Bei einem 4:3-Sieg über Bayern München traf Overath nach einem doppelten Doppelpass mit Flohe. Die Abwehr des Europapokalsiegers der Landesmeister um Meier, Beckenbauer & Co. sah dabei aus wie ein überfordertes Schülerteam. Solche Szenen waren keine Seltenheit. Es war Spektakel pur! Kreativität und Kunst in Reinkultur.
Auf der nächsten Seite: Erst mit Weisweiler kam der Erfolg