Heinz Flohe war vielleicht der fußballerisch beste Spieler, den der 1. FC Köln jemals hatte. Dieser Meinung ist auch FC-Legende Karl-Heinz Thielen, der folgenden Satz prägte: „Hans Schäfer war der wichtigste FC-Spieler, Heinz Flohe der talentierteste und Wolfgang Overath der bekannteste.“ Thielen kann es beurteilen, spielte er doch mit allen drei FC-Ikonen zusammen und war FC-Manager, als „Flocke“ 1978 als Double-Kapitän seinen größten Triumph feierte. In keinem der genannten Vorzüge urteilt Thielen, dass einer der drei „der Beste“ sei. Aber er tut es letztlich doch, bescheinigt er Flohe das größte fußballerische Talent. Umso überraschender ist es, das der 39-fache Nationalspieler lange Zeit im Schatten von vielen anderen stand.
Das ging so weit, das im offiziellen 60-Jahre-Jubiläumsfilm, den der Verein 2008 selbst produzierte, viele FC-Persönlichkeiten gesondert vorgestellt wurden, der Double-Kapitän hingegen nicht. Von Heinz Flohe gab es kein Porträt und im Off-Text des Sprechers wurde der Name nur einmal, als es um den größten Erfolg der Vereinsgeschichte ging, ganz kurz am Rande erwähnt. An diesem Beispiel kann man erkennen, wie wenig selbst der eigene Verein den genialen Kicker Heinz Flohe noch auf dem Zettel hatte. Eigentlich unfassbar, dass der Name des Ausnahmespielers vielen jüngeren Fans gar nicht mehr geläufig war oder bestenfalls als einer von vielen in den Statistiken auftauchte.
Als Fußballer eine Naturgewalt
Doch natürlich hatte Flohe immer seine ganz persönlichen Anhänger und diejenigen, die ihn haben spielen sehen, werden nie vergessen, welche nahezu umwerfende spielerische Naturgewalt er darstellte. Sein Gesamtpaket war herausragend. Technisch machte ihm in ganz Deutschland und auch weltweit niemand etwas vor. Sein Dribbling war schlicht perfekt, nahezu genial. Er gilt auch als erster Anwender des sogenannten „Übersteigers“, generell war sein technisches Vermögen so überragend, dass er bis heute keinen Vergleich mit den weltgrößten Namen des Fußballs scheuen muss. Im Gegenteil. Mit- und Gegenspieler geraten heute noch ins Schwärmen, wenn sie von seinen Kunststücken erzählen.
“Hans Schäfer war der wichtigste FC-Spieler, Heinz Flohe der talentierteste und Wolfgang Overath der bekannteste.”
Weiterhin waren viele Fans seinerzeit nur wegen seiner Aufwärmübungen im Stadion. Diese sollen dem Vernehmen nach den bekannten Videos eines Diego Maradona sehr ähneln, nur leider wurde so etwas in der Frühzeit der Bundesliga noch nicht gefilmt. Sein Abschluss mit dem linken Fuß war enorm hart und präzise, viele seiner 130 Tore (Nationalmannschaft, Liga, Pokal, Europapokal) waren aufsehenerregende Weitschüsse. Seine Dynamik wurde später nur noch von Lothar Matthäus in seinen besten Jahren erreicht und dazu bot „Flocke“ auch noch einen Kämpfer par excellence an. Er war jemand, der voranging, insbesondere als Kapitän seiner Mannschaft. Ein Sprinter war er zwar nicht, aber seine Grundschnelligkeit war dennoch tadellos.
Unter dem Radar
Trotz all dieser geschilderten Meriten verblasste der Ruhm des FC-Double-Kapitäns relativ schnell. Das lag sicher daran, dass sich mit Wolfgang Overath und Günter Netzer zwei ebenfalls überragende Fußballer bereits während der Spielerkarriere aufgrund ihres Alters früher in den Vordergrund spielen konnten. Noch dazu waren beide, insbesondere Netzer, deutlich geschickter im Umgang mit den Medien. Das galt für den Zeitraum während und im besonderen Maße auch nach der Karriere. Während sich Netzer zunächst als erfolgreicher HSV-Manager und später mit seiner TV-Partnerschaft mit Gerhard Delling samt gewonnenem Grimme-Preis in die „Hall of Fame“ des Deutschen Fußball-Bundes spielte, blieb Overath als FC-Präsident präsent.
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„Flocke“ hingegen zog sich nach dem Ende seines Spielerdaseins selbstgewählt aus dem Rampenlicht, in dem er sich nie sonderlich wohl fühlte, zurück. Den Preis dafür, dass seine eigentlich großartige Spielerkarriere mehr und mehr vom Radar verschwand, nahm er billigend in Kauf. Denn letztlich war es der tragische Zusammenbruch und der spätere Tod des ehemaligen FC-Spielgestalters, der ihn zurück in den Fokus der Öffenlichtkeit brachte. Erst da besann man sich wieder eines großen Fußballers, der zwar Anerkennung und Sympathie bei den wirklichen Experten in aller Welt genoss, aber in der breiten Öffentlichkeit quasi in Vergessenheit geraten war.
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