Der „Tünn“ wird 65, … und schon kommen die persönlichen Erinnerungen hoch, denn unsere Wege haben sich ein paar Mal gekreuzt und irgendwie war dieser „Typus Mensch“ immer auffällig. Als ich Anfang der 70er Jahre am Geißbockheim Autogramme sammelte, waren dort Stars wie Wolfgang Overath, Heinz Flohe, Wolfgang Weber, Hannes Löhr und wie die Geißbock-Edelkicker in der kreativsten Phase dieses Vereins alle hießen, bei der Autogrammjagd heiß begehrt. Es gab ein Programmheft mit Schwarz-weiß-Fotos aller Spieler, dort konnte man die Schriftzüge der Spieler wunderbar sammeln.
Dort fiel er mir das erste Mal auf, auf dem Foto lächelt der langbemähnte Jüngling mit Ball in der Hand noch etwas unsicher. Vom späteren Auftreten als überehrgeizig-selbstbewusster, ständig angriffslustiger Torwart-Held war noch nichts zu sehen. Das Autogramm erhielt ich seinerzeit klaglos von ihm, denn das Heft sollte natürlich von allen unterschrieben werden, auch von den Ersatzleuten.
Die frühen Jahre – Alles andere als ein kommender Weltstar
Nichts, aber auch gar nichts deutete daraufhin, dass dieser Mann einmal zu den weltbesten Torhütern der 80er Jahre werden sollte. Die Nummer 1 des 1. FC Köln hieß damals Gerd Welz, der im weiteren Verlauf der frühen 70er Jahre drauf und dran war, sich in die Nationalelf zu spielen. Bundestrainer Helmut Schön soll daran gedacht haben, Welz für das WM-Turnier im eigenen Land im Jahr 1974 zu nominieren, bis eine schwere Kopfverletzung und dessen Folgen dem Torwart nicht nur die Nationalelf kostete, sondern letztlich auch die Fortsetzung seiner Karriere beim 1. FC Köln.
Nun musste also der junge Schumacher ins Tor, dem man allgemein nicht viel zutraute. Und tatsächlich, die Leistungen des talentierten Schlussmanns waren extrem schwankend: Mal zeigte er glänzende Reflexe, dann aber haute er sich den Ball fast selbst ins Tor. Überzeugt hat er mich persönlich nicht, auch viele Fans mokierten sich über den „Zappelphilipp“ im FC-Tor. „Dat, wat dä mit de Häng janz joot määt, haut er sich mim Aarsch widder öm“ wurde seinerzeit bei den Kiebitzen am Geißbockheim offen ausgesprochen.
Foto: Edition Steffan
Nicht förderlich für das Nervenkostüm des jungen Harald, der von der Mannschaft dann ganz schnell „Toni“ getauft wurde, war schließlich das ständige Wechselspiel mit Slobodan Topalović, dem anderen FC-Torhüter, der allerdings ebenso wie Toni zumeist schwankende Leistungen zeigte. In Köln sprach man ganz offen von einem Torhüterproblem.
Das Schicksal des Toni S. hieß: Norbert Nigbur, 2 mal
Mit der Zeit stabilisierte Schumacher sich ein wenig, dennoch war auch Hennes Weisweiler, der 1976 zum FC zurückgekommen war, lange Zeit kein Freund von Schumacher. Mit Norbert Nigbur waren sich die „Geißböcke“ mittlerweile bereits mit einem Nachfolger einig. Nur mit einem Top-Torhüter, so Weisweilers Meinung, könne der FC Deutscher Meister werden. Letztlich bewies Schumacher mehr und mehr seine Klasse und trug mit dazu bei, das der 1. FC Köln 1977 den Pokalsieg gegen Hertha BSC Berlin einfahren konnte.
Doublesieger: Heinz Flohe (l.) und Toni Schumacher | Foto: Edition Steffan
Ausgerechnet gegen den Verein, dessen Torhüter Norbert Nigbur hieß und der bereits einen gültigen Vertrag mit dem FC in der Tasche hatte.Doch Nigbur regte sich dermaßen über vermeintliche Schiedsrichter-Fehlentscheidungen und über Kölner Spieler auf, dass er sich noch voller Adrenalin im Anschluss des Spiels gegenüber FC-Präsident Peter Weiand total im Ton vergriff. So etwas konnte man mit Weiand nicht machen, er ließ Manager Thielen den Vertrag mit Nigbur auflösen. Hennes Weisweiler schenkte Toni Schumacher das Vertrauen und machte ihn endgültig zu seiner Nummer 1. Die direkte Folge daraus: Der Double-Sieg 1977/78.
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Torhüter und ein Besuch in der Schule