Drei Wochen vor dem Finale hatte sich Hans Schäfer allerdings verletzt, der Öffentlichkeit war dies verheimlicht worden, erst einen Tag vor dem Spiel konnte „De Knoll“ wieder trainieren. Es stellte sich naturgemäß die Frage, ob man Schäfer einsetzen könne. Das Risiko war hoch, denn einmal drin im Spiel musste man durchhalten oder das Spiel mit weniger Personal zu Ende spielen. Es durfte zu dieser Zeit nicht gewechselt werden.
Zwei WM-Ikonen mit halber Kraft – Das erste Finale um die Meisterschaft
Doch nicht nur Schäfer war ein Wackelkandidat, auch der zwischenzeitlich von FC-Boss Franz Kremer verpflichtete 54er Nationalheld Helmut Rahn hatte vor dem Spiel Probleme. Es waren jedoch keine Verletzungssorgen wie Schäfer in Reskis Buch beschrieb. Rahn war nämlich vor dem Endspiel plötzlich spurlos verschwunden und tauchte erst wenige Stunden vor dem Anpfiff wieder auf. Sein Zustand war nach wohl vorherigen „gesellschaftlichen Anlässen“ allerdings nur bedingt sport-tauglich.
Man entschied kurz vor dem Spiel, auch nach Rücksprache mit Tribünengast Sepp Herberger, dennoch mit beiden 54er-Weltmeistern aufzulaufen. Rahn begann sogar überraschend gut, gab anfangs Vollgas und hatte seine Torchancen, aber der Tank war bei schwül-heißen Bedingungen schnell leer und er wurde dann im weiteren Verlauf des Spiels nicht mehr gesehen. Auch Hans Schäfer kämpfte mit den Folgen der Verletzung und ob des Trainingsrückstands mit ungewohnten konditionellen Schwächen. Das reichte letztlich gegen einen voll im Saft stehenden HSV nicht, der Titel ging nach einem 3:2-Sieg der Norddeutschen an die Elbe.
Im zweiten Anlauf erfolgreich – Deutscher Meister effzeh
Zwei Jahre danach, am 12. Mai 1962, war es dann endlich soweit. Der 1. FC Köln erreichte wieder das Finale um die Meisterschaft in Berlin. Gegner war der 1. FC Nürnberg und dieses Mal gab es keine Zweifel, wer als Sieger vom Platz ging. Der effzeh um Mannschaftskapitän Hans Schäfer spielte sich in einen Rausch und ließ dem „Club“ um seine 54er-Legende Max Morlock keine Chance. Mit 4:0 konnten sich die “Geißböcke” durchsetzen, Schäfer erzielte dabei einmal mehr das wichtige und richtungsweisende 1:0. Die Fotos, die Hans Schäfer anschließend mit der Meisterschale zeigen, sind längst Stilikonen geworden.
Tags darauf wird der neue Deutsche Meister in seiner Stadt gebührend gefeiert, Schäfer und Co. wurden im Autokorso durch Köln gefahren. Kürzlich tauchte ein Amateurfilm auf, der die selten gesehene Situation rund um den Kölner Neumarkt an diesem Tage sehr schön dokumentiert. Die Edition Steffan, die gerade die Dokumentation über „Das Double 1977/78“ veröffentlicht hat, wird diesen Amateurfilm neu überarbeiten und mit Zeitzeugen besprechen. Einige Vorab-Aufnahmen dieses Amateurfilms können hier nun erstmalig gezeigt werden.
Große Erfolge im Herbst der Karriere – Der erste Bundesliga Meister-Kapitän
Der 1. FC Köln und Hans Schäfer waren nun endgültig obenauf, auch wenn das letzte Finale um die Meisterschaft im Folgejahr 1963 gegen Dortmund mit 1:3 verloren wurde: Der effzeh war dennoch DER Verein der frühen 60er Jahre. Dies unterstrich der Start-Ziel-Sieg des Vereins im ersten Jahr der neu gegründeten Fußball-Bundesliga. Locker gewann der effzeh die erste Bundesliga Meisterschaft und am Ende war es der zwölffache Torschütze und Kapitän Hans Schäfer, der erneut die Meisterschale entgegennahm. Abermals versank Köln im Jubel.
Mit seinem Auftritt am 15. Mai 1965 beim 2:2-Auswärtsremis bei Borussia Dortmund beendete der damals 37-Jährige seine aktive Laufbahn. Die Nationalmannschaftskarriere hatte Schäfer bereits nach dem Viertelfinalaus bei der WM in Chile 1962 beendet.
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Seinem effzeh blieb Schäfer nach Karriereende verbunden, zwischen 1966 und 1969 fungierte er noch als Co-Trainer. Nicht wenige sahen ihn als den eigentlich verantwortlichen Trainer für den Pokalsieg 1968 an, der eigentliche Cheftrainer Willi „Fischken“ Multhaup hatte – so munkelte man – Autoritätsprobleme mit Teilen des Teams. Das würde erklären, warum Hans Schäfer mit Overath, Flohe, Thielen, Löhr sowie allen anderen auf dem offiziellen Siegerfoto zu sehen ist und nicht der eigentliche Trainer.
Nachwirkungen eines Idols
Doch Schäfer wollte nicht Trainer oder Manager werden. Nach 1969 zog er sich ins Privatleben zurück, eine tragende Funktion im Fußballgeschäft kam für ihn nicht in Frage. Obwohl so viele Jahrzehnte nach seinem Ausscheiden von der sportlichen Bildfläche vergangen sind, die Wirkung und die Ausstrahlung des kölschen Jung Hans Schäfer ist nach wie vor einzigartig. Es mag daran liegen, dass er zu den legendären „Helden von Bern“ gehört. Jener Elf, die sicher sportlich siegen wollte, aber wohl niemals damit gerechnet hat, was hinterher über sie hereinbricht. Einige, das ist bekannt, haben den Ruhm und die Heldenverehrung nicht verkraftet.
Gemeinsam mit Horst Eckel, seinem Zimmergenossen des legendären Zimmers 301 im Hotel Belvederé, hat Hans Schäfer nun alle Beteiligten des Endspiels von 1954 überlebt. Dennoch hat sich Schäfer zumeist von den DFB-Feierlichkeiten und Jahrestagen ferngehalten. Beim Treff der Weltmeister im Mai 2014 machte er eine Ausnahme und ließ sich mit seinen Nachfolgern feiern. Nur wenige Wochen später holte das deutsche Team in Brasilien den vierten Stern.
“Ich will 105 Jahre alt werden. Und dann in meiner Stammkneipe mit einem Glas Kölsch in der Hand an der Theke sterben.”
90 Jahre und noch “vill vür”
Beim 1. FC Köln leistete er als Spieler und klarer Chef der Truppe auf dem Platz die ganz wichtige Aufbauarbeit und war klar mitbeteiligt beim Aufstieg eines „anmaßenden“ Neu-Clubs zum besten Verein des Landes in den frühen 60er Jahren. Zum Real Madrid des Westens! Der 1. FC Köln ist immer noch ein verhältnismäßig junger Club, er besitzt aber dennoch eine unschätzbare Historie und Tradition, welche Hans Schäfer dank seinem sportlichen Lebenswerk verkörpert.
Das wissen auch die jüngeren Fans, nicht umsonst wurde die Schäfer-Choreo aus dem Jahr 2014 dem Idol der 50er und 60er Jahre gewidmet. Der so Geehrte bedankte sich persönlich dafür und rief tatsächlich bei der “Wilden Horde 96” an. In der “Kölnischen Rundschau” unterstreicht Schäfer, dass ihn sein Geburtstag nicht sonderlich interessiere – die Feier anlässlich seines Geburtstags findet nur im Familienkreis statt. Am Abend schaut die Geburtstags-Gesellschaft dann gemeinsam zu, wenn der effzeh in Borisov antritt. “Da sollten mich die Jungs mit einem Sieg beschenken”, hofft der Jubilar.
105 Jahre möchte er alt werden – trotz der “Maläste” sagte er der “Kölnischen Rundschau”, dass er noch “vill vür” hätte. Hans Schäfer kann machen, was er will: Er ist und bleibt eine FC-Legende. Vermutlich sogar die Größte! Und nun wünschen wir ihm nach all der (ihn nervenden) Verehrung alles Gute zum 90. Geburtstag und noch viele unbeschwerte Jahre!
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