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Nachspiel

Hätte, hätte, Fahrradkette

Eins zu fünf. Im Nachbarschaftsduell in Leverkusen kassiert der effzeh eine deutliche und verdiente Pleite, die zwei Tore zu hoch ausfällt und einen bitteren Nachgeschmack hat.

Foto: Dirk Unschuld
Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Der beste Freund des Fußballfans ist und bleibt nun einmal der Konjunktiv. Was hätte sein können, wenn der Schiedsrichter, dessen Name mir entfallen ist, zum zweiten Mal auf den Punkt gezeigt und Leno des Feldes verwiesen hätte? Hätte der effzeh das Spiel gegen zehn Mann besser kontrollieren können? Hätte Timo Horn dann nicht gepatzt? Wäre das Team dann in der Schlussphase nicht so jämmerlich auseinandergefallen? Alles offen, alles hypothetisch – und gerade wegen solcher (vermutlich jahrelang anhaltenden) Diskussionen lebt und liebt die Welt den Fußball.

Bei einem bin ich mir allerdings ganz sicher: Wäre die Niederlage knapper ausgefallen, das Chaos bei der Abreise hätte mir sicherlich nicht derart den Abend versaut. Was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben, wird wohl ihr ewiges Geheimnis bleiben. Jedenfalls sind mir die Worte “Bitte nicht von hinten drängeln” und “Bislang haben sie sich doch alle ganz vernünftig verhalten” im Ohr geblieben. Aus Duisburg scheinen so manche Planer nicht allzu viel gelernt zu haben.

Ausgangslage

Als beste Auswärtsmannschaft der Liga war der effzeh nach Leverkusen gereist, dennoch konnten die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust eigentlich nicht viel verlieren. Auf der einen Seite der Aufsteiger, auf der anderen die Champions-League-gestählte Truppe vom Bayer-Kreuz. Allerdings: Nach der bitteren Heimpleite gegen Hertha BSC und dem Sieg der Stuttgarter im Freitagabendspiel wäre ein Auswärtscoup in der IG-Farben-Stadt gern gesehen. Nicht nur, weil es ein Duell zweier Lokalrivalen ist.

Die Leverkusener dagegen hatten ein schweres Spiel in der Königsklasse in den Beinen. Monaco hatte der Elf von Trainer Roger Schmidt mit einer Defensivtaktik schwer zugesetzt, dazu vergab die Werkself zahlreiche Chancen. Die Partie machte das Manko des Teams offensichtlich. Der offensiv eingestellten Truppe mangelt es noch an Effizienz. Dennoch: Die Favoritenrolle war vor dem (Nicht?-)Derby klar verteilt.

Personal

Foto: Dirk Unschuld

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Kurzfristig musste Peter Stöger noch reagieren: Daniel Halfar (Infekt) und Adam Matuschyk (Zerrung) mussten am Tag des Spiels passen. Das änderte vielleicht auch die taktischen Überlegungen des Österreichers, der zuvor noch eine Spielweise a la Monaco ausgeschlossen hatte. Diesmals schickte Stöger eine Fünferkette ins Rennen, in der Zentrale stieß Dominic Maroh zum gewohnten Stammpersonal in der Defensive. Yannick Gerhardt blieb im Vergleich zum Hertha-Spiel nur der Platz auf der Bank.

Bei den Gastgebern waren Heung-Min Son und Lars Bender rechtzeitig fit geworden. In der Offensive konnte Schmidt somit auf das gewohnte Quartett setzen: Neben Son sollten Karim Bellarabi, Hakan Calhanoglu und Stefan Kießling für den hochgelobten Angriffswirbel sorgen. Auf Giulio Donati und Ömer Toprak hingegen musste die Werkself verzichten, so dass in der Abwehr Roberto Hilbert und Tin Jedvaj ins Team rutschten.

Spielverlauf

Die taktische Ausrichtung beider Teams wurde direkt zu Beginn des Duells klar: Der effzeh versuchte den offensivstarken Gastgebern mit einer kompakten Defensive und überfallartigen Kontern beizukommen. Dass das gelingen kann, machte bereits die erste gelungene Angriffsaktion klar: Matthias Lehmann wurde von Pawel Olkowski perfekt bedient, der Routinier versuchte Leverkusens Schlussmann Leno zu umkurven und wurde dabei gefoult. Klare Sache: Elfmeter, allerdings nur Gelb für den Bayer-Keeper. Der Gefoulte trat selber an – und verwandelte eiskalt (4.). Der effzeh führte, der Gästeblock tobte!

Das spielte unseren Jungs mit dem Geißbock auf der Brust natürlich in die Karten. Leverkusen war drückend überlegen, kam aber gegen die massierte Kölner Abwehrreihe nicht zum Zuge. Mit vereinten Kräften konnte der effzeh stets klären, Bayer blieb seltsam uninspiriert. Und patzte nach einer Viertelstunde in der Defensive: Spahics Kopfball-Rückgabe geriet zu kurz, Ujah spritzte dazwischen und wurde von Leno einwandfrei umgeräumt. Klare Sache: Elfmeter, Platzverweis für Leno. Sah nur der Schiedsrichter, dessen Name mir weiterhin nicht einfällt, etwas anders und ließ weiterspielen.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Anstatt 2:0 in Überzahl zu führen blieb es also bei der knappen Führung – und auch die hielt nicht mehr allzu lange. Vogts unnötiges Foulspiel 25 Meter vor dem Tor brachte den bis dato schwachen Calhanoglu in Stellung. Den Freistoß des jungen Türken konnte Horn nur abprallen lassen, Bellarabi netzte zum (verdienten) Ausgleich für die Werkself ein (26.). Ein dicker Patzer des jungen Keepers, der danach noch mehrmals wackelte. Spätestens ab dem 1:1 gelang es dem effzeh nicht mehr, sich aus der Umklammerung der Gastgeber zu befreien. Gegen das chaotische anmutende Pressing der Leverkusener hatten die “Geißböcke” zu oft nur hektisches Rumgebolze entgegenzusetzen. Schnelle Ballverluste und erneute Angriffswellen der Werkself waren die Folge.

Das blieb auch im zweiten Durchgang so: Leverkusen drückte, drängte und presste, der effzeh verteidigte, kämpfte und bolzte. Dennoch: Viele Chancen erspielte sich die hochgelobte Offensive der Gastgeber nicht. Kaum verwunderlich, dass es erneut eine Standardsituation war, die den effzeh bis ins Mark traf. Mavraj verschuldete am eigenen Sechzehner nach langem Schlag der Leverkusener einen unnötigen Freistoß. Erneut trat Calhanoglu an und ließ Horn diesmal keinerlei Abwehrchance. Aus neutraler Sicht ein wunderschöner Treffer, aus effzeh-Sicht ein extrem bitteres Gegentor.

Die “Geißböcke” antworteten wütend und wurden deutlich offensiver. Olkowski verweigerte im direkten Gegenzug den Abschluss, aus den zahlreichen Ecken und Freistößen konnte abermals keine Gefahr generiert werden. Stöger, der schon vor dem Rückstand Peszko für Svento gebracht hatte, wechselte offensiv: Finne ersetzte Maroh, Osako kam für Brecko, dessen Job als Rechtsverteidiger nun Olkowski übernahm. Der bislang glücklose Japaner konnte dem Spiel allerdings nicht die nötige Wende verpassen, ganz im Gegenteil: Sein verlorenes Kopfballduell leitete den nächsten Nackenschlag ein. Über Bellarabi und Son kam das Leder zum eingewechselten Drmic, der eiskalt zum 3:1 verwandelte (79.).

Das Spiel war entschieden, doch Leverkusen hatte noch nicht genug. Gegen auseinanderfallende Kölner erhöhten Drmic und Bellarabi auf 5:1 und stellten damit den (allerdings nicht in der Höhe) verdienten Sieg sicher.

Spieler/Trainer im Fokus

Timo Horn: Ach Timo, ein Patzer zur Unzeit. Mit deinem Fehlgriff brachtest du eine hilflos agierende Leverkusener Truppe, die der effzeh-Taktik bis dato nichts entgegenzusetzen hatte und zunehmend verunsichert wirkte, wieder voll in die Verlosung. Auch danach warst du sehr, sehr unsicher. An den restlichen vier Gegentoren allerdings ohne Schuld. Kein schöner Abend für einen kölschen Jung!

Peter Stöger: Eine Stunde lang schien es so, als hättest du alles richtig gemacht. Als hättest du den spielstarken Gegner mit einer Defensivtaktik derat entnervt, dass es für einen Punktgewinn oder vielleicht sogar mehr reichen könnte. Doch am Schluss wurde die Igel-Taktik nicht belohnt. Weil das Team fußballerisch nicht stark genug ist, gegen einen derart drängenden Gegner die richtigen Lösungen zu finden. Das ist nicht schlimm. Schlimm ist nur, dass du es nach dem 1:3 nicht verstanden hast, die Mannschaft aus der “Alles-nach-vorne”-Variante in den “Schlimmeres-Verhindern”-Modus zu bringen.

Roger Schmidt: Oh Shit, Herr Schmidt! Nicht nur in der Niederlage zeigt sich die Größe, auch im Sieg. Der Stachel des misslungenen Titelrennens in Österreich vor zwei Jahren scheint sehr, sehr tief zu sitzen. Letztlich ist es gut so, wie es ist: Du sitzt in Leverkusen und kannst wie schon in Salzburg bei einem Spitzenteam aus dem Vollen schöpfen, wir haben einen Trainer, der wie in Wien aus dem vorhandenen Personal das Beste herauszukitzen versucht.

Fazit

Erstmals ist der effzeh in dieser Saison nach allen Regeln der Kunst vermöbelt worden. Das gilt zumindest, wenn man sich das reine Ergebnis anschaut. Bis zu Calhanoglus Zauber-Freistoß konnte die Stöger-Elf das ungleiche Duell allerdings recht offen gestalten, wenn auch die Werkself optisch deutlich überlegen war. Erst dieser (vermeidbare) Gegentreffer löste das kölsche Korsett – und ließ uns in alle Einzelteile zerfallen.

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Das junge Team (und auch die meisten Fans) werden gesehen haben, was passiert, wenn man gegen solche Kaliber mitspielen will beziehungsweise muss. Aber auch zuvor wurden einige Mängel offensichtlich: Gegen stark pressende Gegner fehlt es uns (wenig überraschend) an fußballerischer Klasse. Es war nach dem 1:1 angesichts des Fehlpass-Festivals im Spielaufbau nur eine Frage der Zeit, bis das zweite Tor fällt.

Trotz aller Schwächen fiel die verdiente Niederlage allerdings zwei Tore zu hoch aus. Auch das muss das Team lernen: Bei aller berechtigter Enttäuschung darf man sich in der Schlussphase nicht so hängen lassen. Nicht nur in Nachbarschaftsduellen, sondern in jedem Bundesliga-Spiel. Da gilt auch der zu Unrecht verweigerte Strafstoß plus Platzverweis nicht als Ausrede. So bitter diese Fehlentscheidung für uns war, das Ergebnis ist letztlich ein Spiegelbild der ab dem 1:1 abgelieferten Partie.

Die Statistik zum Spiel:

1. FC Köln: Horn – Mavraj, Maroh (77. Finne), Wimmer – Brecko (68. Osako), Lehmann, Vogt, Hector – Olkowski, Svento (57. Peszko) – Ujah

Bayer 04 Leverkusen: Leno, Boenisch, Spahic, Jedvaj, Hilbert – Castro, Bender (66. Rolfes), Son, Calhanoglu (83.Kruse), Bellarabi – Kießling (46. Drmic)

Tore: 0:1 Lehmann (4. FE), 1:1 Bellarabi (27.), 2:1 Calhanoglu (61.), 3:1 Drmic (79.), 4:1 Drmic (88.), 5:1 Bellarabi (90.)

Gelbe Karten: Leno (4.), Lehmann (54.)

Schiedsrichter:
Thorsten Kinhöfer

Zuschauer:
30.210

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