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Fankultur & Sportpolitik

Gewahrsam und Überwachung: So gefährlich ist das neue Polizeigesetz

Noch im Juli soll das Polizeigesetz in NRW verschärft werden. Die Polizei erhält dann umfassende Befugnisse, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken.

COLOGNE, GERMANY - JANUARY 14: Police or Polizei watch the fans of Borussia Monchengladbach during the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Borussia Moenchengladbach at RheinEnergieStadion on January 14, 2018 in Cologne, Germany. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Elektronische Fußfessel, Überwachung des WhatsApp-Chats und bis zu einem Monat Polizeigewahrsam: NRW-Innenminister Herbert Reul möchte, dass Nordrhein-Westfalen sein bisher schärfstes Polizeigesetz der Geschichte bekommt. Die Kritik am geplanten Sicherheitspaket ist umfassend. Trotzdem blieben Proteste – ähnlich wie in Bayern – bislang aus. Am kommenden Samstag, 7.7., haben Gegner des Gesetzesvorhabens nun zu dem Protestmarsch durch die Düsseldorfer Innenstadt aufgerufen. Dahinter steht ein breites Bündnis politischer und gesellschaftlicher Gruppen. Unterstützt wird der Protest unter anderem von den Grünen, der Linken, den Jusos und der Piratenpartei sowie von Attac sowie Daten- und Umweltschützern. Auch Fußballfans einiger NRW-Vereine werden dabei sein. So auch der Zusammenschluss der Kölner Fanclubs, die Südkurve 1. FC Köln e.V.

Juristen, Datenschützer, Menschenrechtler – und auch Fußballfans: Sie alle haben Bedenken gegen das geplante Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen, das nach der parlamentarischen Sommerpause vom Landtag verabschiedet werden soll. Warum? Das Gesetz erweitert die Befugnisse der Polizei erheblich. Gleichzeitig werden die Freiheitsrechte der Bürger massiv eingeschränkt – sofern „drohende Gefahr“ im Spiel ist.

Ob das Vorhaben an sich oder auch Teile, wie etwa der neue Begriff der „drohenden Gefahr“ rechtssicher ist, daran zweifeln viele Menschen. Ebenfalls umstritten sind die Dauer des Polizeigewahrsams für terroristische Gefährder, aber auch für Kriminelle und Hooligans, der Einsatz der elektronischen Fußfessel und die Schleierfahndung. Nichteinmal wer ein „Gefährder“ sei, werde im Gesetz deutlich. Aufgrund der Unbestimmtheit könnte sich das Gesetz somit auch gegen Whistleblower, Fußballfans , Demonstranten oder Streikführer richten, so die Kritik.

Drei Fragen zum Polizeigesetz an Stephan Schell von Südkurve 1. FC Köln e.V.

Ihr ruft zum Demobesuch gegen das Polizeigesetz in NRW auf. Was genau kritisiert ihr?
Schell: Also erst mal müssen wir an dieser Stelle loswerden, dass wir nicht verstehen können, warum die Landesregierung überhaupt eine Novellierung des Polizeigesetzes vorschlägt. Unseres Erachtens werden den Leuten irrationale Ängste eingeredet, was dann missbraucht wird, um dem Staat tiefgehende Eingriffe in das Leben der Bürger zu erlauben. Man hat ja den Eindruck, dass es offenbar keine anderen Probleme in diesem Land gibt als Einwanderung oder angeblich ausufernde Kriminalität und Terrorismus. Unabhängig davon, fällt einem bei näherer Betrachtung der geplanten Gesetzesänderung direkt der Begriff der „drohenden Gefahr“ ins Auge. Neben der Tatsache, dass wir wie gesagt die Idee der Gesetzesänderung generell kritisieren, ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff der Kern unserer Kritik. In der Praxis würde es dann so aussehen, dass die Polizei überall wo sie eine Gefahr der Begehung einer Straftat sieht, gravierende Maßnahmen wie etwa Aufenthaltsverbote, Kontaktverbote, Überwachung der Kommunikation oder Inhaftierung anordnen kann. Das alles ohne einen einzigen Beweis, geschweige denn ohne dass jemand auch tatsächlich eine Straftat begangen hat. Es reicht eben allein die „drohende Gefahr“ und was genau das ist, entscheidet kein Richter, sondern jede Polizeistelle nach ihrem Geschmack. Damit ist willkürlichem Handeln durch die Exekutive Tür und Tor geöffnet! Vom Hintergrund des Zulaufs, den antidemokratische Bewegungen derzeit überall haben und den damit verbundenen Gefahren für die Zukunft, brauchen wir gar nicht erst anfangen. Wenn wir daran denken, dass bald jede beliebige Polizeidienststelle um die Ecke in unsere Handys rein schauen kann wird uns schlecht! Das hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern ist blanker autoritärer Kontrollwahn und ein schwerer Eingriff in die Freiheit von jedem.
Warum fühlt ihr euch als Fußballfans betroffen?
Schell: Wir fühlen uns in erster Linie als Bürger dieses Landes betroffen und würden uns wünschen, dass nicht nur Fußballfans mal so langsam wach werden. Aber wenn wir die Brücke zum Fußball schlagen wollen: Fußballfans dienen in vielerlei Hinsicht als Testobjekt für repressive Maßnahmen des Staates, mit anderen Worten: Wir werden die ersten sein, die den Maßnahmenkatalog dieses Gesetzes zu spüren bekommen werden. Platzverweise, Aufenthaltsverbote oder Meldeauflagen sind mittlerweile Themen, mit denen man alltäglich zu tun hat. Ein aktuelles Negativbeispiel polizeilichen Handelns ist ja wie alle gesehen haben, auch unser letztes Auswärtsspiel in Wolfsburg. Schon ohne Polizeigesetz stand man da einer um sich schlagenden und mit Pfefferspray sprühenden Masse an Polizisten gegenüber, die dieses Verhalten vielleicht auch auf der nächsten Demo gegen niedrige Renten an den Tag legen. Solche Leute sollten nicht auch noch Taser-Pistolen in die Hand gedrückt bekommen! Am Ende wird dieses Gesetz sehr viele unbescholtene Bürger treffen, während Anschläge immer noch stattfinden werden.
Euer Aufruf nochmal zusammengefasst lautet...
Schell: Es müsste ja bis heute eigentlich jeder mitbekommen haben, um welche Wurst es am Samstag geht. Wer die Zeit nicht ticken hört, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber gerne an dieser Stelle nochmal der Aufruf, dass jeder FC-Fan seinen Arsch hoch bekommt, um am Samstag gegen das neue Polizeigesetz zu demonstrieren. Rivalitäten und persönliche Eitelkeiten jucken an dem Tag keinen, es geht nur darum gemeinsam unseren Protest auf die Straße zu tragen! Wir treffen uns hierfür, um 10:30 Uhr am Breslauer Platz und fahren dann vom Kölner Hauptbahnhof mit der Bahn nach Düsseldorf.

Die strittigen Aspekte des Polizeigesetzes:

Begriff der „drohenden Gefahr“

Die Begriffe „drohende Gefahr“ und „drohende terroristische Gefahr“ werden im neuen Polizeigesetz neu eingeführt. Sie sind die Voraussetzungen für die Ausweitung der Polizeimaßnahmen. Bislang war das Vorliegen einer Gefahr erforderlich, mit dem neuen Gesetz soll bereits die Gefahr einer Gefahr ausreichen. Liegt eine solche Gefahr der Gefahr vor, so soll die Polizei Personen überwachen oder inhaftieren dürfen, Menschen durch ein Aufenthaltsverbot und –gebot befehlen, einen Ort nicht zu verlassen oder nicht zu betreten oder auch Personen verbieten, Kontakt zu anderen aufzunehmen.

Kritiker wie Amnesty und die NRW-Datenschutzbeauftragte halten dem Begriff der „drohenden Gefahr“ jedoch für nicht rechtssicher. Zu unbestimmt sei etwa die Definition, wonach eine drohende Gefahr vorliege. Beispielsweise wenn bei einer Person „bestimmte Tatsachen“ die Annahme rechtfertigten, dass sie „innerhalb eines absehbaren Zeitraums“ eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen werde.

Der Begriff der „drohenden terroristischen Gefahr“ ist gleichsam problematisch, dürften die Beamten dann Personen bis zu einen Monat lang inhaftieren, Personen elektronisch überwachen, das Tragen einer Fußfessel anordnen, Aufenthalts- und Kontaktverbote aussprechen sowie eine Residenzpflicht aussprechen.

Polizeigewahrsam

Derzeit können Beschuldigte in sogenanntem Unterbindungsgewahrsam maximal 48 Stunden festgehalten werden, nach den Plänen des CDU-Ministers sollen daraus im neuen Polizeigesetz bis zu vier Wochen werden. Zur Erinnerung: In Bayern dürfen Beschuldigte seit dem neuen Polizeigesetz bis zu drei Monate in Gewahrsam genommen werden. Allein zur Identitätsfeststellung sollen Menschen in NRW künftig bis zu sieben Tage festgehalten werden dürfen.

Verstärkte Telefon- und Internetüberwachun

Telefonate, Gesprächsverläufe, SMS oder Messengerdienste wie WhatsApp und Co. Sollen in Zukunft präventiv und ohne Vorwarnung von der Polizei mitgehört und verfolgt werden dürfen. Auch die Spähsoftware, auch als Staatstrojaner bekannt, darf dann von den Beamten auf den entsprechenden Geräten installiert werden. Mobilfunkanbieter müssen dann per Gesetz kooperieren und die notwendigen Zugänge bieten.

Das BKA argumentiert, dass die Überwachung der Kommunikation häufig „der einzige Weg, um die Gefahrenlage erhellen zu können“. Datenschützer sind trotzdem alarmiert und warnen vor diesem Passus des Gesetzesvorschlags. „Die Verteidigung von Privatsphäre ist keine versponnene Idee einiger weniger Krimineller, sondern notwendige Grundlage der freien Entfaltung jedes menschlichen Individuums“, argumentierten die Kritiker von #NoPolGNRW.

Mehr Videoüberwachung öffentlicher Plätze

Geht es nach dem Gesetzentwurf sollen öffentliche Plätze häufiger und verstärkt mit Videokameras überwacht werden – ohne begründeten Verdacht. Bisher ist das nur mit begründetem Verdacht möglich.

Strategische Fahndung“

Auch wenn in Paragraph 12a des Gesetzesentwurfs „strategische Fahndung“ steht, so bedeutet das nichts anderes als Schleierfahndung. Darunter versteht man die verdeckte („verschleierte“) Form einer allgemeinen Fahndung, in der verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchgeführt werden. Künftig soll die Polizei in NRW verdachtsunabhängige Kontrollen in vorher bestimmten Gebieten für 28 Tage durchführen dürfen – mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere 28 Tage. Kritiker, wie die Kampagne #NoPolGNRW spricht dabei klar von Racial Profiling. „Die Kontrollmaßnahmen werden also in der Regel Menschen treffen, die einen Migrationshintergrund haben und nicht „typisch deutsch“ aussehen.“ Dies würde zu einer rassistischen Polizeipraxis führen, so die Kritiker.

Einsatz von Tasern

Eine Neuerung betrifft den Waffenkatalog: Künftig sollen sogenannte Distanzelektroimpulsgeräte („Taser“) von den Beamten eingesetzt werden. Zunächst sollen die Geräte in einem Pilotversuch getestet werden. Ob sie eingeführt werden, ist noch unklar. Kritiker lehnen den Einsatz von Tasern ab, da diese schwere Gesundheitsschäden verursachen könnten, argumentiert beispielsweise Amnesty International. Die niederländische Sektion der Menschenrechtler erstellten einen Bericht zum Probelauf des Tasers in den Niederlanden und kommt zu dem Schluss, dass die Geräte meistens in Situationen genutzt wurden, die keinen Schusswaffeneinsatz erlaubt hätten, und in 80 Prozent der Fälle sogar gegen Unbewaffnete eingesetzt wurden. So berichten sie von Fällen, in denen Menschen getasert wurden, denen bereits Handschellen angelegt waren, oder sie mehrfach getasert wurden, was ein schweres Gesundheitsrisiko darstellten könne.

Video: Rechtsanwalt Christian Mertens über das neue Polizeigesetz

Quelle: Chaos Computer Club

Mehr Informationen: 
>>> Gesammelte Kritik am Gesetzesentwurf findet ihr hier!
>>> Den Gesetzesentwurf findet ihr hier!

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