Sportliches Know-How als Wettbewerbsvorteil
Um aus dieser umfassenden Bestandsaufnahme nun konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln, braucht es klar definierte Leitlinien, anhand derer man im öffentlichen Diskurs versuchen kann, die Entwicklung nachhaltig zu beeinflussen. Auffallend ist in jedem Fall, dass in England weit mehr Geld für Personalkosten ausgegeben wird als in Deutschland – die Ergebnissen in der UEFA-Fünfjahreswertung entsprechen dem allerdings nicht. Während Manchester United zwar 2017 die Europa League gewann, lassen die Erfolge auf der ganz großen europäischen Bühne, der Champions League, seit Jahren zu wünschen übrig.
Weiterhin hat die englische Nationalmannschaft seit Jahren damit zu kämpfen, dass junge Spieler aufgrund der hohen Leistungsdichte und kostspieliger Engagements ausländischer Profis in die Röhre blicken. Gewiss, die FA kann sich seit diesem Monat Weltmeister in der U20-Altersklasse nennen – wie nachhaltig der Erfolg tatsächlich ist, wird sich jedoch noch zeigen müssen.
Es braucht Kompetenz auf Führungsebenen
Der Erfolg des deutschen Nationalteams bei der FIFA WM 2014 zeigt überdies auch Folgendes auf: sinnvolle und zielgerichtete Nachwuchs-Arbeit sorgt dafür, dass man mit Spielern aus Nachwuchsakademien einen Weltmeistertitel gewinnen kann. In Deutschland ist das Know-How im Bereich Nachwuchsentwicklung und Spielerscouting wohl so groß wie nirgends sonst in Europa. Der 1. FC Köln verkörpert dieses Denken wie kein anderer Verein: Mit einer positiven Transferbilanz hat man es geschafft, von einem Aufsteiger zu einem Europapokal-Teilnehmer zu werden. Dass das viele Geld in England nicht zwangsläufig zum Erfolg führt, verdeutlichte Aston Villa in der Saison 2015/2016 eindrücklich – trotz des siebthöchsten Etats stieg das Team aus Birmingham ab. Das ist zwar nur ein vereinzeltes Beispiel, das jedoch trotzdem verdeutlicht, dass es in erster Linie Kompetenz auf den sportlichen Führungsebenen benötigt.
Bevor man also in China Kooperationen eingeht, sollte man erst einmal Kunstrasenplätze in sozialen Brennpunkten bauen. Oder den Spieltag einheitlicher abhalten, um dem Amateurfußball nicht die wichtigen Einnahmen zu klauen.
Ausgeglichene Gehälter = ausgeglichener Wettbewerb
Dazu gehören Cheftrainer, Sportdirektoren, Scouts und die medizinische Abteilung, Video-Analysten und Ernährungswissenschaftler. Die Premier League wäre wahrscheinlich gut beraten, mehr in diesen Bereich zu investieren. Doch auch in der Bundesliga gibt es Verbesserungsbedarf: Die Gewinnspirale der Großklubs aus München und Dortmund dreht sich immer schneller, sodass andere Vereine nicht mehr mithalten können und mittlerweile eine bemerkenswerte Lücke in den Gehältern zwischen den großen Zwei und dem Rest der Liga entstanden ist. Auf lange Sicht wird Leipzig zwar auch in diese Dimensionen vorstoßen, das Verhältnis jedoch ist nicht mehr angemessen. In der Premier League ist das Rennen um die Meisterschaft auch deshalb offener, weil die Gehaltsunterschiede zwischen den Clubs nicht allzu groß sind – in Deutschland liegt das Verhältnis bei 13 zu 1, in England bei 6 zu 1. Eine Debatte anhand des Gehaltsgefälles in europäischen Ligen wäre also sinnvoll.
Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images
Wie umgehen mit den Rekordgewinnen?
Unter Berücksichtigung der angesprochenen Aspekte wäre es für Premier League und Bundesliga auch sinnvoll, ihre Ausrichtung zu überdenken – weniger internationales Großmannsdenken und mehr lokale und soziale Verantwortung. Während in Deutschland der Amateurfußball trotz Millionengewinnen der DFL weiterhin vor sich hin darbt, ist es in England gleichzeitig aufgrund des Strukturwandels nicht mehr möglich für sozial Benachteiligte, ein Spiel ihres Lieblingsvereins im Stadion zu verfolgen. Die Bundesliga scheint davon zwar noch ein gutes Stück entfernt. Insgesamt wäre es jedoch schon wünschenswert, wenn sich DFL und Vereine zuerst auf ihre lokale Bedeutung konzentrieren würden, um mit dem großen Geld Probleme vor Ort zu lösen, anstatt den Blick nach China zu richten. Bevor man also in China Kooperationen eingeht, sollte man erst einmal Kunstrasenplätze in sozialen Brennpunkten bauen. Oder den Spieltag einheitlicher abhalten, um dem Amateurfußball nicht die wichtigen Einnahmen zu klauen.
Die Fans stärker beteiligen
Als ein wesentliches Ergebnis der Studie des FC PlayFair! ergab sich, dass ein Drittel der Fans ein stärkeres Mitspracherecht befürworten würden – eine Aufhebung der 50+1-Regelung würde dem komplett entgegenstehen. Hingegen braucht es wohl tatsächlich einen unabhängigen Fanverband, um den Fans eine gewisse Teilnahme am Profifußball zu ermöglichen. Ein derartiges Korrektiv wäre der Entwicklung der Bundesliga sehr zuträglich, genauso wie ein Fanvertreter im Aufsichtsrat. Diese Form der Mitbestimmung zu ermöglichen wäre ein deutliches Zeichen der DFL und des DFB dafür, dass man die Fans nach wie vor ernst nimmt…Es wird aber wahrscheinlich ein Wunschdenken bleiben, während sich das Rad trotzdem immer weiter dreht.