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Filmreif

Früher stand der effzeh für hysterischen Trash und fühlte sich an wie ein B-Movie auf Tele 5. Wandelt er nun auf den Spuren von Christoph Waltz?

© effzeh.com

Kurz, ganz kurz durchzuckte es mich am vergangenen Montag, als ich beim Kiosk meines Vertrauens die Titelseite des kicker erblickte. Nicht nur die Tatsache, dass sich dort abermals ein ausführlicher Bericht über den effzeh ankündigte, rief diese körperliche und etwas posttraumatische Reaktion in mir hervor. Wann hat es das schließlich zuletzt gegeben, dass so häufig und dann auch noch meist positiv über den ehemaligen Chaosclub berichtet wird? Nein, auch nicht der Umstand, meine für mein Lebensalter dann doch recht spät lieb gewonnenen Idole Stöger und Schmadtke auf dem Cover des Magazins zu bewundern, ließ mich durchzucken, sondern vielmehr die Überschrift:

© effzeh.com

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„Ein wenig Hollywood“ hieß es da als Auszug aus einem Interview mit unserem Sportchef. Nervös kratzte ich also mein Geld zusammen, um mir ein Heft zu kaufen und konnte es kaum erwarten, meine Wohnung zu erreichen, um dann zu erfahren, was denn passiert sein muss, beim effzeh. Schließlich war ich einige Zeit im Urlaub, vielleicht hat sich da ja einiges zum Schlechten zurückentwickelt, vielleicht dominieren doch wieder die Possen das Treiben rund ums Geißbockheim und ich habe davon einfach nur nichts mitbekommen. Denn merke: Hollywood und Fußballverein, das ist eine ganz schlechte Kombination. Ich erinnere nur an Anfang der 90er, die Bayern, Rudolfo Valencia und dessen Flöte, die ausführlich von Lothar Matthäus einer jungen Damenmannschaft angepriesen wurde, etc. Also: Hollywood und Fußball hat immer etwas Hysterisches, Schrilles. Und als ich in den Urlaub fuhr, da war ja noch alles gut gewesen rund um den effzeh. Was um alles in der Welt mag also in der Zwischenzeit passiert sein, dass Schmadtke so ein Statement abgibt, das nun den Titel des selbsternannten Fachmagazins schmücken sollte?
Im Endeffekt war das alles etwas aus dem Zusammenhang gerissen und eine ganz kleine Nebenbemerkung Schmadtkes, die ein kleines bisschen auf dem Cover von der kicker-Redaktion aufgebauscht oder zumindest etwas absichtlich in einen doppeldeutigen Kontext gestellt wurde, um vielleicht das eine oder andere Heft zusätzlich zu verhökern, wer mag es den Herren aus dem Frankenland verübeln? Jedenfalls hatte Schmadtke diese Bemerkung überhaupt nicht auf den Verein bezogen, sondern auf den nun geglückten Transfer Hosniers, denn da sei „die Geschichte drumherum (…) so ein wenig Hollywood“.

Früher hätte ich an dieser Stelle aufgeschrien. Hätte den kicker bezichtigt, mit dieser Entkontextualisierung dieses Nebensatzes Unruhe stiften zu wollen. Wäre rot angelaufen, dann weiß, hätte in unserer Redaktion Alarm geschlagen, Heribert Bruchhagen kontaktiert, denn der setzt sich für die Schwachen ein. Aber heutzutage bin ich da tiefenentspannt. Nicht nur, weil man an der deutlich wohlwollenden Berichterstattung des Magazins dem Club gegenüber ablesen kann, dass man da offenbar in Nürnberg selbst etwas angetan vom effzeh ist aktuell, will nicht sagen etwas verliebt (ein paar Seiten später heißt ein Artikel über den effzeh: „Kluge Strategie! Große Zukunft?“), sondern weil deutschlandweit anerkannt wird, wie gut die Herren Schmadte, Wehrle, Stöger und Jakobs, etc. da arbeiten.

Es ist noch nicht allzu lange her, da war der effzeh wirklich Hollywood. Ach was, streichen wir Hollywood und ersetzen durch schmierige B-Movies der schlechtesten Sorte. Um im Bild zu bleiben: Der effzeh war vergleichbar mit diesen beschissen-trashigen B-Movies, die sich noch nicht einmal Kalkofe freiwillig ansehen würde. Da gab es Sonnenpräsidenten, Sportdirektoren, die nicht mit ihren Trainern konnten und umgekehrt, gekeifte Interna, die im Express standen, Spieler, denen dieser Verein scheißegal gewesen ist, Manager und Trainer, die das Geld mit Schaufeln aus dem Fenster geknallt haben, usw. Allein dieser kurze Rückblick auf die allerjüngste effzeh-Vergangenheit verschafft mir ein zartes Magengeschwür. Und man muss betonen: Das ist wirklich alles noch nicht lange her, gerade mal drei, vier, fünf Jährchen, für eine Clubhistorie ist dieser Zeitraum gerade mal ein Räuspern, das erscheint aus jetziger Sicht wahnsinnig, unglaublich, aberwitzig, das kann man sich kaum vorstellen. Früher, da war der effzeh wirklich und leibhaftig eine Horrorfilmproduktion ohne Happyend.

Und nun? Hat er eine Metamorphose hinter sich wie Christoph Waltz, der ja in früheren Zeiten auch als Roy Black bei RTL2 zu bewundern war, bevor er zum gefeierten Tarantino-Schützling wurde. Auch wenn man es jetzt nicht übertreiben und behaupten sollte, wir wären das Roy Black des Westens gewesen, bleibt festzuhalten: Wenn das alles so geschmeidig und seriös wie derzeit weitergehen und der Fußball weiterhin im Mittelkreis liegen und vor allem auch im Mittelpunkt stehen sollte, glaubt mir mein Sohn eines Tages niemals, was wir alles durchgemacht haben, ich kann es ja selbst kaum glauben.

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Vielleicht erzähle ich ihm dann von meinem bis vor kurzem immer wiederkehrenden effzeh-Traum: Ich hab nämlich nicht von Meisterschaften und Europapokal geträumt, sondern von folgendem: Ich saß immer einem gebückten, knochigem Etwas gegenüber (es war dabei unklar, ob das ein menschliches oder tierisches Wesen war), dessen Gesicht war jegliche Farbe gewichen, alles aschgrau, Haarausfall im Ziegenbart inklusive. Dieses Etwas kratzte dann mit den Fingernägeln die Risse im Holztisch nach und war völlig zerstört. Zischte nur und blickte mich nicht an. Auf seinem Kopf loderte ein Feuer zwischen zwei Hörnern und im Radio lief „Spielplatz“ von der Band „Captain Planet“, wo es heißt: „wie gehst Du nur mit den Niederlagen um? und Du fragst mich: Wo üben die, die immer siegen?“ Ich sagte dann diesem Etwas, es möge bitte gehen, ich hätte genug. Doch dann lachte es immer diabolisch und zeigte mir seine schlechten Zähne. Dann guckte es mich plötzlich an, ich machte mir in die Hose, dann wurde ich immer wach, schweißgebadet und war wild entschlossen, Schluss zu machen mit dem effzeh.

Geschafft habe ich das natürlich nie. Was auch an der fehlenden Länge und Dramatik dieses Traumes gelegen haben dürfte. Spätestens dann, wenn ich frisch geduscht die Dämonen der Nacht verjagt hatte, begann ich, die Minuten bis zum nächsten Spiel zu zählen. Und heute? Heute sind diese Träume verschwunden. Heute schlägt mein Herz schneller, wenn ich an die kommende Saison denke, aber es ist kein gestresstes Herzrasen, es ist vielmehr das Kribbeln, dieses Gefühl, wie wenn man frisch verliebt ist.

Heute ist der effzeh vielleicht dann doch ein wenig Hollywood. Aber im Sinne von guter Unterhaltung, für die man gerne den Eintritt bezahlt. Die aus lustigen Momenten besteht, aus spannenden, aus rührenden. Der man die Arbeit, die dahinter steckt, aufgrund der aufwändigen und hochwertigen Produktion einerseits ansieht, sie andererseits aufgrund der Leichtigkeit jedoch auch schnell wieder vergisst. Das ist mein effzeh in der Jetztzeit. Und wenn das die Definition von Hollywood ist, unterschreibe ich sofort.

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