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Nachspiel

Europapokal! Der Lohn einer treuen Generation

Nach 25 Jahren schießt Yuya Osako den 1. FC Köln in den Europapokal. Eine Generation wird für ihre grundlose Treue verdient belohnt. Eine Nachbetrachtung.

Europapokal-Einzug in Köln | Foto: Jürgen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Als Yuya Osako die Teilnahme des 1. FC Köln am Europapokal mit seinem Treffer wenige Minuten vor dem Ende der Partie gegen den 1. FSV Mainz 05 perfekt machte, brachen im RheinEnergie Stadion alle Dämme. Auch zwei Tage später wirkt die Welt noch surreal. Eine persönliche Nachbetrachtung eines historischen Ereignisses.

In den letzten zwei Tagen wurde ich von vielen Freunden, die nicht in der schönsten Stadt der Welt leben, gefragt, wie das sein kann, dass man in Köln einen Europapokaleinzug derart feiern kann, während anderorts Anastacia für die inszenierteste Meisterfeier der Geschichte sorgt. Dieser so friedliche Platzsturm im RheinEnergie Stadion beeindruckte Menschen – auch weit über die Landesgrenzen hinaus.

Dennoch bleibt die Frage bestehen, warum dieses Erlebnis derart ekstatisch gefeiert wurde. Natürlich ist da zum einen die reine Tatsache, dass der 1. FC Köln zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder europäisch spielt, natürlich ist da zum anderen das kölsche Feiergemüt. Doch um dem Ausmaß für diesen beispiellosen Freudentaumel auf dem Grund zu gehen, muss man tiefer graben.

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Ich fragte meine Freunde also stets, ob sie ein paar Minuten Zeit hätten. Denn um zu erklären, welch historische Bedeutung dieser fünfte Tabellenplatz für die Fans des effzeh hat, muss ich weit ausholen …

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Kühle Erinnerungen an Mainz

Es war ein bitterkalter Sonntag im Januar dieses Jahres, als der 1. FC Köln zum ins neue Jahr verschobenen Hinrundenende gegen den 1. FSV Mainz 05 antrat. Während das Gefühl der Taubheit in meinen Zehen und Fingern trotz des üppigen Glühweinangebots rund um die Opel-Arena weiter zunahm, lieferte sich der effzeh gerade ein Fußball-Trauerspiel gegen die Hausherren aus der pfälzischen Landeshauptstadt ab.

In der 80. Minute hatten wir noch immer keine Torchance geboten bekommen. Zwei Mannschaften neutralisierten sich auf eher biederem Niveau, während der kölsche Anhang das mitten auf einem weiten Feld gelegene Stadion bei Temperaturen weit unter dem Nullpunkt fest im Griff hatte.

Irgendwann drehte ich (Jahrgang 1989) mich zu meinem Bruder (Jahrgang 1993) um. Wir haben seit jeher gerade im Hinblick auf unseren Lieblingsverein eine spezielle Verbindung. Ich konnte an seinen Augen ablesen, wie er sich, genauso wie ich, an die unzähligen torlosen Unentschieden erinnerte, von denen in Gedanken nur noch blasse Enttäuschung und abgefrorene Körper-Extremitäten übrig geblieben sind.

Spielzeugautos im Müngersdorfer Stadion

Sandhausen, Burghausen und Oberhausen sind die Orte unserer fußballerischen Kindheit und Pubertät. Selbstironie und rheinischer Optimismus halfen uns seit jeher aus, wenn der Verein mal wieder Söldner aus allen Orten der Welt verpflichtete, sich hoch verschuldete, Idole aus der Stadt vergraulte, aus der Bundesliga abstieg und uns generell nicht nett behandelte.

Als ich anfing, zu begreifen, wie Fußballspiele funktionieren, lernte ich auch zu begreifen, dass mein Verein, den ich mir nie hatte aussuchen dürfen, irgendwie ziemlich scheiße war. Zumindest spielte der Verein, den ich kannte, wohl deutlich schlechter als der Verein, den meine Eltern noch kannten. Die fußballerische Sozialisation meines Bruders lief in etwa genauso ab.

Eine Generation voller Fußball-Schmerz

Warum schreibe ich das nun alles? Warum erzähle ich diesen scheinbar belanglosen Kram aus meiner Kindheit? Das liegt wohl daran, dass ich das Gefühl habe, mit dieser persönlichen Geschichte nicht alleine zu sein. Ein Großteil der Jungs unten in der Kurve, ein Großteil der Menschen, die am letzten Sonntag den Rasen stürmten, dürfte ähnliche Erfahrungen teilen, egal, ob sie nun zehn Jahre jünger oder ein paar Jahre älter als ich sind.

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Kölner Fußballfans bis in die jungen 30er verbindet ein Schicksal. Das Schicksal einer großen Vergangenheit, an die man sich aufgrund der späten Geburt nicht erinnern kann, an die der eigene Verein aber bis heute gekoppelt wird. Bis vor wenigen Tagen war diese Verbindung noch negativ behaftet. Anspruch und Wirklichkeit schienen in Köln seit jeher weit auseinanderzuklaffen. Ein Szenario, das wir gar nicht anders kannten. Vereinsfußball war für uns schon immer eher mit Hohn und Schmerz verbunden als mit Erfolg und Freude.

Wir wussten selbst oftmals keine Antwort auf die Frage, warum wir unserem Verein so treu nach Lübeck, Ahlen oder Reutlingen hinterherreisten. Hoffnung auf bessere Zeiten machte uns der effzeh nur selten. Die wohligen Gedanken an die großen Zeiten in den 70ern, 80ern und frühen 90ern hat unsere Generation nicht. Trotz all dem Mist, den ich als Fußballfan ertragen musste oder vielleicht gerade deswegen befand ich mich auch am Sonntag wieder im Herzen des Stadions, auf der Südtribüne. Tausende andere taten es mir gleich.

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Kölsche Identifikation

Schon die letzten beiden Spielzeiten waren wir für unsere höchst unlogische, jahrelange Treue zu diesem Verein, der uns so oft verletzte, belohnt worden mit packenden Duellen und einer Mannschaft, die sich auf dem Feld stets den Allerwertesten aufriss. Einer Mannschaft, die auch uns wieder Hoffnung machte.

Das lag zu einem großen Teil auch daran, dass diesem Team viele Spieler angehören, die unsere Gefühle verstanden, weil sie dieser Generation von Kölnern angehörten, die den effzeh nur als die Karikatur eines einst so großen Vereins wahrgenommen hatten, ohne die so wundervollen alten Zeiten selbst miterlebt zu haben.

Mit Spielern wie Timo Horn, Marcel Risse, Christian Clemens, Marcel Hartel, Salih Özcan, Thomas Kessler, Marco Höger, Lukas Klünter und Sven Müller konnten wir uns nicht nur identifizieren, weil sie in Köln und Umland geboren sind, sondern weil sie irgendwie auch leidensgeschichtlich zu uns gehörten. Schon ohne die Europokalteilnahme hätte uns diese Tatsache glücklich gemacht.

“Das hast du dir so verdient!”

Als Yuya Osako schließlich in der 87. Minute zum 2:0 traf und damit die erste Europapokal-Teilnahme des effzeh seit 1992 perfekt machte, schien es beinahe so, als sei einer der konstantesten mathematischen Gleichungen der letzten Jahrzehnte auf den Kopf gestellt worden. Es ist der Lohn für eine Generation, der stets nach Wein dürstete, die zumeist aber verfaultes Wasser bekommen hat. Eine Generation von Kölner Fans, die dauerhaften Erfolg stets als vage Utopie wahrgenommen hat und ihrem Verein dennoch stets treu blieb. Wenn et sin muss durch et Füer eben.

Es brach ein fassungsloser Jubel aus. Einer dieser Jubel, der Richter-Skalen ausschlagen lässt. Inmitten dieses Freudentaumels packte mich einer der älteren Fans um mich herum an sich und schrie mich an: „Das hast du dir so verdient. Das freut mich so für dich!“

Foto: Jürgen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Ein Erfolg des Vereins, den ich mir persönlich verdient habe? Auch das sind Worte, die Außenstehende nicht verstehen würden. Doch im gesamtkölschen Kontext ergeben sie Sinn. Wir waren lange grundlos treu. Wir haben unseren Fußballverein zu Orten in Deutschland begleitet, von denen wir zuvor nicht wussten, dass sie existieren. Das alles haben wir ohne Aussicht auf Erfolg gemacht und wir hätten es noch 50 Jahre lang gemacht. Wir kannten es ja nicht anders, wir waren nur Misserfolge in Regensburg, Koblenz oder Trier gewöhnt. Daher haben wir es nun auch verdient, einfach mal belohnt zu werden.

Europapokal, wir sind im Europapokal

Natürlich stand ich auch schon nach den diversen Aufstiegen auf dem Platz und habe gefeiert. Doch Aufstiege sind stets irgendwie gedämpfte Feiern, weil wir alle doch schon wissen, dass die kommende Saison wohl nur wenig Grund zum Lachen liefern wird, dass stattdessen direkt wieder der Kampf um den Abstieg ansteht. So eine Teilnahme am Europapokal ist dagegen mit keinerlei negativen Gedanken verbunden. Er ist einfach nur gut.

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Trotz allem fühlt sich der Einzug ins internationale Geschäft auch zwei Tage nach diesem Fest im RheinEnergie Stadion, auf den Ringen und in der gesamten Stadt für mich noch immer surreal an. Ältere Fans können sich wenigstens noch an legendäre Duelle im Europapokal erinnern. Meine Erinnerung an den internationalen effzeh beschränkt sich auf ein Spiel im UI-Cup 1997 gegen den FC Aarau, als Ion Vladoiu im ehrwürdigen Südstadion beim 3:0 ein Hattrick erzielte. In der Saison darauf stieg mein Verein ab.

Dass der effzeh also wirklich international spielt und das auch noch völlig verdient, weil die Mannschaft sowie Trainerstab und sportliche Leitung einfach tolle Arbeit geleistet haben, kann ich wohl erst glauben, wenn er wirklich sein erstes Duell in der Europa League bestreiten wird. Donnerstagabends mit Flutlicht und allem Drumherum.

Bis dahin schüttle ich weiter ungläubig den Kopf und summe vor mich hin: „Europapokal! Wir spielen wieder im Europapokal…“ Damit bin ich sicher nicht alleine.

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