Elfmeter oder nicht? Gleich zwei Situationen erregten beim Duell effzeh gegen den Hamburger SV die Gemüter. Wir baten Alex Feuerherdt vom Schiedsrichter-Podcast Collinas Erben um seine Einschätzung.
Verschaukelt worden sei der HSV, Schiedsrichter Deniz Aytekin hätte die Hanseaten im Duell beim glorreichen effzeh um einen wertvollen (und auch verdienten) Zähler gebracht. Erst entschied der Unparteiische beim Zweikampf zwischen Kölns Anthony Modeste und Hamburgs Emir Spahic auf Strafstoß, dann wurde den Gästen ein möglicher Handelfmeter in der Nachspielzeit verweigert. Hitzige Diskussionen folgten: Lag Aytekin in beiden Situationen richtig? Oder hatte der effzeh Glück bei den Entscheidungen? effzeh.com fragt nach – und zwar bei einem richtigen Experten: Alex Feuerherdt, bessere Hälfte des Schiedsrichter-Podcasts Collinas Erben, ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Kölner Unparteiischen und leitet selbst seit 1985 Partien.
Hallo Alex, wie siehst du die Situation zwischen Emir Spahic und Anthony Modeste. Ist das ein Elfmeter? Die Meinungen dazu gehen ja weit auseinander.
Ja, das tun sie wirklich. Die Ex-Schiedsrichter Peter Gagelmann und Thorsten Kinhöfer haben die Entscheidung in ihrem neuen Job als Experten beispielsweise als vertretbar, wenn auch sehr hart bezeichnet. Auch Deniz Aytekin selbst hat den Pfiff als diskussionswürdig eingestuft – und das war er auch durchaus. Es ist eine 50/50-Situation – und wenn er das gegen Spahic entscheidet, muss er ihm auch wegen einer Notbremse vom Platz stellen. Das Problem: Modeste schludert bei der Ballannahme und kommt dort schon aus dem Gleichgewicht. Spahic bietet dem Schiedsrichter aber auch den Kontakt an. Es ist eine sehr, sehr harte Entscheidung, auch Weiterspielen wäre vertretbar gewesen.
Hättest du denn auf den Elfmeterpunkt gezeigt?
Ohne Deniz Aytekin etwas Böses zu wollen: Ich hätte ihn eher nicht gegeben. Es wäre angesichts des vorherigen Stolperns bei Modeste sinnvoller gewesen, das Spiel weiterlaufen zu lassen, denn Spahics Aktion war nicht ursächlich für den Fall des Kölners. Sie war allerdings auch nicht sonderlich clever.
Du sagtest, ein Platzverweis wäre unumgänglich gewesen. Modeste war allerdings schon etwas vor dem Ball und nicht mehr in allerbester Schussposition. Hätte Aytekin hier nicht auch Gnade vor Recht walten lassen können?
Eigentlich nicht. Wenn das Foul nicht passiert, dann hat Modeste weiterhin eine hundertprozentige Torchance. Und die Verhinderung einer klaren Torchance zieht eben die Rote Karte nach sich. Ich neige dazu, das Vergehen als Notbremse zu sehen – und dann hat diese kleine Vergehen eben große Konsequenzen für Spahic. Da ist Gnade vor Recht aus meiner Sicht nicht mehr möglich.
Labbadia erwartet Freispruch für Spahic. Die Regularien scheint er nicht zu kennen. Hier liegt kein offenkundiger Irrtum des Referees vor.
— Collinas Erben (@CollinasErben) August 29, 2015
Aytekin leistete sich in den vergangenen Spielen mit effzeh-Beteiligung zwei umstrittene Entscheidung zu Ungunsten der Kölner. Spielt sowas im Unterbewusstsein bei einem solchen Pfiff eine Rolle?
Das sollte eigentlich keine Rolle gespielt habe, ausschließen kann man es aber nicht völlig. Aytekin, ist allerdings zusammen mit Felix Brych in der UEFA-Elitegruppe eingeordnet und damit faktisch Deutschlands Nummer zwei bei den Schiedsrichtern. Ein solcher Vollprofi sollte ausblenden können, was in der Vergangenheit war. Und als Schiedsrichter gesprochen: In den Bruchteilen einer Sekunde, in der eine solche Entscheidung getroffen wird, ist es nicht maßgeblich, für oder gegen wen man sie trifft. Von daher schließe ich das auf dem Niveau aus!
Eine weitere umstrittene Entscheidung gab es in der Nachspielzeit. Marcel Risse wurde im eigenen Strafraum der Ball an den Arm geschossen, die Hamburger forderten vehement einen Elfmeter. Zurecht?
Nein. Risse bewegt zwar den Arm kurz vor dem Treffer zur Seite, doch im Moment des Berührens hängt der Arm schlaff herunter. Es ist also keine Bewegung zum Ball erkennbar, auch eine Vergrößerung der Körperfläche ist nicht gegeben. Die Kriterien, die für Absicht beim Handspiel herangezogen werden, sind somit nicht erfüllt. Wäre die Berührung allerdings einen Augenblick vorher erfolgt, hätten wir einen Strafstoß intensiv diskutieren müssen!
@fetzi6: Der wird ihm aus kürzester Distanz dagegen geschossen, der Arm hängt herab, es gibt keine Bewegung zum Ball. Kein Strafstoß. (af)
— Collinas Erben (@CollinasErben) August 30, 2015
Auch nach dem Abpfiff gab es weitere Unruhe. Lewis Holtby behauptete, Aytekin hätte sich bei Spahic für den Pfiff entschuldigt, musste dies aber kurze Zeit später zurücknehmen. Kann sowas ein Nachspiel für den Spieler haben?
Das ist theoretisch möglich. Das kommt ganz darauf an, ob der DFB-Kontrollausschuss aufgrund von Holtbys Verhalten den Verdacht einer Unsportlichkeit hegt und Ermittlungen gegen den Spieler einleitet. Zu seinen Gunsten spricht natürlich, dass der HSV das Ganze sehr schnell klargestellt hat. Als Außenstehender scheint das Thema damit abgeschlossen zu sein. Aber: Holtbys Verhalten gehört sich natürlich absolut nicht. Allein die Vorstellung, dass ein Schiedsrichter nach dem Spiel in die Kabine geht, um sich für eine Entscheidung zu rechtfertigen oder um Entschuldigung zu bitten, halte ich für ausgeschlossen. Es gab zwar schon Schiedsrichter, die nach Anblick der Fernsehbilder öffentlich ihren Irrtum eingestanden haben, aber in der Kabine des Benachteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Das wäre schon sehr, sehr ungewöhnlich. Von daher war mir klar, dass das Ganze so nicht stimmen konnte. Und das Dementi kam dann auch sehr schnell.
Aytekin war nach dem Spiel nicht in der HSV-Kabine u. hat sich für den Elferpfiff entschuldigt. Lewis Holtby hat da etwas falsch verstanden
— Hamburger SV (@HSV) August 29, 2015