Ergebniskrise. Es scheint wohl kein zutreffenderes neudeutsches Wort zu geben, mit dem die jüngste sportliche Situation des effzeh aus optimistischer Sicht beschrieben werden kann. Insgesamt ordentliche Auftritte bei den Niederlagen gegen Spitzenmannschaften wie Bayern und Bayer, zwischendurch ein eigenverschuldetes Unentschieden in Hoffenheim – unter dem Strich bleibt aber nur ein Punkt aus den letzten drei Spielen. Das ist insofern nicht dramatisch, weil der effzeh immer noch auf Rang elf notiert ist und der Vorsprung auf den Relegationsplatz immer noch sechs Punkte beträgt. Allerdings, und das scheint mittlerweile common sense zu sein, schwirrt die Frage, was denn möglich gewesen wäre, wenn man etwas stabiler gewesen wäre, ständig um die Köpfe all jener, die es mit dem effzeh halten. Zwar gibt es immer mahnende Stimmen, die auf die rechnerisch noch nicht abgesicherte tabellarische Situation des effzeh hinweisen und die augenscheinlich Tag und Nacht den kicker-Tabellenrechner bemühen, um die abstrusesten Ausgänge der Bundesliga-Saison zu prognostizieren. Natürlich soll man den Tag nicht vor dem Abend loben, knallt am Ende die Peitsche, ist man hinterher immer schlauer. Doch eine nüchterne Betrachtung der sportlichen Leistungsfähigkeit des effzeh, in Kombination mit einem Restprogramm, das durchaus hätte schlimmer kommen können – man muss schon relativ weit ausholen, um den Klassenerhalt des effzeh irgendwie noch wegzudiskutieren. Natürlich ist man nie davor gefeit, plötzlich in einen Abwärtsstrudel zu geraten, aus dem man so schnell nicht mehr herauskommt und der in einem sportlichen Desaster enden kann, fragen wir nach bei Eintracht Frankfurt. Doch sowohl Spieler als auch Verantwortliche erwecken nicht den Eindruck, die Kontrolle über die Situation verlieren.
Wer ersetzt den formstarken Bittencourt?
Dennoch ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen am Geißbockheim. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag passt bei weitem nicht zusammen, für jedes selbst erzielte Tor muss sich der effzeh schon mächtig strecken. 29 Tore nach ebenso vielen Spielen sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache. Wäre man diesbezüglich effizienter, würden wir momentan wahrscheinlich über ganz andere Dinge sprechen. Umso bitterer ist es, dass mit Leonardo Bittencourt ein entscheidendes Puzzleteil des jüngsten Aufschwungs in der Offensive des effzeh am Sonntag und darüber hinaus durch seine Sperre ausfällt. Die veränderte Rolle des ehemaligen Hannoveraners brachte seine Stärken etwas deutlicher zu Tage: die hohe Arbeitsrate gepaart mit starken Tempodribblings und einem guten Gespür für Kombinationen brachten zusammen mit dem physischen und spielerischen Gegenpart Anthony Modeste eine positive Weiterentwicklung im Vergleich zur Hinrunde. Die etwas übermotivierte Grätsche gegen Mehmedi sorgte dann allerdings für eine unfreiwillige Auszeit dieses neuen Konstrukts. Die Frage wird sein, wie Peter Stöger auf den Ausfall des Technikers reagieren wird. Optionen wären natürlich Yuya Osako, der in seinem Spiel dem gesperrten Bittencourt noch am ähnlichsten ist. Auch eine Rückkehr in die Startelf von Milos Jojic scheint trotz der zuletzt recht langen Ausfallzeit möglich. Marcel Hartel, der zuletzt mit einem engagierten Auftritt gegen Leverkusen auf sich aufmerksam machte, käme ebenfalls in Frage. Doch am wahrscheinlichsten ist, dass Filip Mladenovic den Part von Yannick Gerhardt auf der linken Seite übernimmt und der deutsche U21-Nationalspieler dafür in die Mitte rückt. Durch die Defensivstärke des Trios Lehmann, Vogt und Gerhardt könnte man zumindest den Stärken der Mainzer ein wenig ihre Wucht nehmen, dies allerdings wahrscheinlich auf Kosten der offensiven Durchschlagskraft. Doch in den letzten fünf Spielen geht es um Punkte und nicht um Spektakel.
Mainz als Prototyp einer stabilen Bundesligamannschaft
Im Vergleich zum effzeh nahm der FSV Mainz 05 seit dem Hinspiel eine gegenläufige Entwicklung. Nach dem torlosen Unentschieden in der Hinrunde sammelte Mainz 28 Punkte, während der effzeh seither nur auf 15 kam. Obwohl beide Mannschaften in ihrem sportlichen Potenzial nicht allzu weit auseinanderliegen, zeigt sich am Beispiel der Mainzer, dass Stabilität und konzentriertes Arbeiten für einen überdurchschnittlich guten Punkteschnitt sorgen können. Dementsprechend befinden sich die Mainzer als Überraschungsmannschaft der Saison immer noch in einer guten Position im Rennen um einen Startplatz in der Europa League. Das kompakte und stabile 4-4-2 der Mainzer profitiert dabei davon, dass die Mannschaft auf allen Positionen ausgeglichen besetzt und selbst bei Ausfällen von Leistungsträgern adäquat getauscht werden kann.
Insbesondere das Mittelfeldzentrum mit dem physisch und läuferisch starken Baumgartlinger, dem Aufbauspieler Latza und dem Zwischenraumspieler Malli gehört zu den Besten in der Bundesliga. Auf den offensiven Außenpositionen kämpfen der zuletzt formstarke Ex-Kölner Christian Clemens, Pablo de Blasis und Jairo Samperio um die beiden Startplätze. Im Sturmzentrum hat der Kolumbianer Jhon Cordoba seinen Platz sicher. Etwas weniger sicher ist allerdings die Besetzung der Viererkette, in der Martin Schmidt zuletzt auch häufiger wechselte. Am Sonntag kehrt zumindest Linksverteidiger Bussmann zurück, mit Brosinski dürfte ein weiterer Ex-Kölner auf seinen alten Klub treffen.
In Heimspielen ist der FSV seit Oktober unbesiegt und es ist davon auszugehen, dass den effzeh dort am Sonntag eine Mannschaft erwartet, die selbst wenig Fehler begeht und den Gegner mit variablem Pressing unter Druck setzt. Der fußballerische Ansatz ist dabei alles andere als revolutionär, dürfte gar in der Bundesliga als Standard gelten – die Kombination von guten und willigen Einzelspielern in Mainz und ein solides taktisches Fundament reichen bisweilen schon aus, um in einer turbulenten Bundesliga-Saison in die Top sechs vorzustoßen. Von daher erwartet den effzeh ein schweres Spiel, in dem es allerdings nicht unmöglich scheint, die nächsten drei Punkte zu holen, um alle Zweifel am Klassenverbleib frühzeitig zu beseitigen und für Planungssicherheit zu sorgen.