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Nachspiel

Erst hatten sie kein Glück, und dann…

Der FC spielt toll und überzeugt nicht nur kämpferisch. Doch am Ende steht die schlimmste aller Niederlagen: Die so so so ungerechte.

© effzeh.com

Es gibt diese Niederlagen, da sitzt man nachher im Stadion und denkt sich: „Das war höchst unnötig“. So wie zuletzt gegen den VfL Bochum. Es gibt auch Niederlagen, bei denen man sagt: „Ja klare Sache, verdient einen draufbekommen“. So war das in den letzten Jahren sehr häufig der Fall beim FC. Dann gibt es auch noch Niederlagen wie gegen Ingolstadt, da sagt man sich: „Ja, wir waren schlecht, der Gegner auch. Kein Glück gehabt. Nächstes Mal.“

Und dann gibt es die Niederlagen, die einen fassungslos vor dem heimischen Fernsehgerät, dem leeren Plastikbier im Stadion oder an der Schulter eines Unbekannten in der Kneipe zurücklassen. So wie Deutschlands Pleite im Halbfinale gegen Italien 2006 oder die des FC Bayern im Champions League Finale 2012 gegen den FC Chelsea.

Das ist die mit Abstand bitterste Form von Niederlage, denn nach dieser ist man nicht hochgradig wütend auf die eigene Mannschaft oder resigniert, vielmehr ist man unfassbar enttäuscht, denn eigentlich, ja eigentlich hat doch alles gepasst. Das Bett war gemacht. Die Leistung hat gestimmt. Man kann den elf Mann da unten auf dem Feld einfach keinen Vorwurf machen, kann sich nicht abreagieren. Man ist einfach nur unendlich frustriert angesichts des Pechs der Welt, welches in diesen 90 Minuten doch auf einen eingeprasselt ist. Ratlosigkeit macht sich breit. Man kämpft gegen das Schicksal, ein Kampf gegen Windmühlen.

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Genau so eine Niederlage wiederfuhr dem besten Verein der Welt gegen den einzig übriggebliebenen Bundesliga-Dino in der dritten Runde des DFB-Pokals. Der FC war die bessere Mannschaft, doch ein Sonntagsschuss und ein Duseltor lassen den Traum von Spielen in Mailand, Madrid, Dnjepropetrowsk und Matschakala wie Seifenblasen zerplatzen. Das ist nicht verdient. Das ist einfach nicht verdient!

Ausgangslage

Man hätte ja ganz gerne im Vorfeld diskutiert über die Aufstellung des FC, doch Peter Stöger machte sehr schnell deutlich, dass er an dem Konzept vom Pokalspiel gegen Mainz festhalten wollte, was hieß: Ein Stürmer. Kompaktheit. Nadelstiche. Matuschyk statt Ujah. Konter statt Ballbesitz. Eine kleine Überraschung hatte der Österreicher dann doch im dritten Adventstürchen parat. Daniel Halfar nahm auf der Bank Platz, für ihn begann Slawomir Peszko. Der FC hatte unlängst mit einem 3:0 am Millerntor „Leck mich“ zum Abwärtstrend gesagt und die Tabellenführung in der 2. Bundesliga zurückerobert. Die vier Tage zwischen den Partien nutzten die Spieler nicht dazu, die Reeperbahn unsicher zu machen, sondern sich in Köln auf den Pokalschlager vorzubereiten. Ganze vier Tage hatten die Spieler im Anschluss Zeit, die Reeperbahn unsicher zu machen. 

Der HSV hatte unter Bert van Marwijk wieder zu einer Halbkonstanz in der Liga gefunden und mit Lasogga, Calhanoglu, Tah und Co konnte der Niederländer einige vielversprechende Talente aufbieten. Freilich wusste man im Vorfeld auch, dass der FC hier nicht auf eine um Klassen bessere Mannschaften treffen würde. Gerade die HSV-Abwehr bleibt bisweilen vieles schuldig und bewies auch gegen den FC letztlich ihre Fehlerhaftigkeit. Favorit war der HSV natürlich trotzdem.

Spielverlauf

Eigentlich wurde schon nach wenigen Minuten klar, dass hier ein Duell auf Augenhöhe stattfand. Ob das jetzt für den FC oder gegen den HSV sprach, das bleibt erst einmal dahingestellt. Obwohl: Es sprach für den FC, ganz eindeutig. In den ersten 20 Minuten geschah das, was Kommentatoren der Öffentlich-Rechtlichen gerne während eines WM-Vorrundenspiels zwischen Honduras und Australien sagen, um das Spiel schmackhaft zu machen: Die Mannschaften neutralisierten sich auf hohem taktischen Niveau.

Das lag zum einen daran, dass das System von Stöger funktionierte. Der FC agierte fast in so etwas wie einem 4-1-4-1, wobei Lehmann den Part vor der Abwehr gab und Matuschyk sowie Gerhardt ein wenig offensiver im zentralen Mittelfeld spielten. Zum anderen lag das am HSV, der anders als erwartet, ebenfalls eher zurückhaltend und defensiv auftrat mit Zerstörer Tomas Rincón vor der Abwehr. Der Sky-Kommentator betonte schon hier mehrmals, wie sehr er sich doch auf einen echten Pokal-Fight gefreut hatte, doch der FC machte anscheinend einen Strich durch die Rechnung, in dem er nicht wie ein naiv kämpfendes Amateurteam, sondern wie eine reife, geordnete Mannschaft auftrat. Der HSV hatte zunächst trotzdem leichte Feldvorteile, nach 19 Minuten prüfte Calhanoglu mit einem Fernschuss zum ersten Mal Timo Horn.

Nach 25 Minuten wagten unser rot-weißen Götter die ersten mutigeren Schritte nach vorne. Peszko wurde an der Strafraumgrenze gefoult, doch Patrick Helmes schlenzte den folgenden Freistoß gefühlvoll in die Mauer. Nur zwei Minuten später segelten Peszko und Helmes an einer scharfen Hereingabe von Risse vorbei, kurze Zeit später brachte dieser die Flanke auf Peszko, der aber wieder verpasste. Der FC schien immer besser ins Spiel zu kommen und erarbeitete sich eine relativ deutliche Feldüberlegenheit, als Marcell Jansen in der 42. Minute plötzlich ungestört eine lange Flanke von links an die Strafraumgrenze brachte, die Maximilian Beister volley aus der Luft in einen perfekten Torschuss umwandelte, der im linken oberen Eck einschlug. Horn chancenlos, der FC geschockt angesichts dieses Sahneschusses. Die letzten paar Minuten bis zur Pause drückte wieder der HSV.

In den zweiten Durchgang gingen beide Teams mit einem offeneren Visier. In den ersten 10 Minuten der zweiten Hälfte machten vor allen Dingen die Hanseaten wesentlich mehr Druck. Jetzt war es aber der FC, der den HSV kalt erwischte. Johann Djourou und Tomas Rincón leisteten sich in der 52. Minute im Spielaufbau den für HSV-Fans schon zur Gewohnheit gewordenen Kapitalaussetzer. Adam Matuschyk griff energisch ein, klaute Rincon den Ball und stürmte aufs Tor zu. Er setzte sich gegen Djourou sowie Tah durch und schob letztendlich locker an Adler vorbei ins Tor zum Ausgleich. Nur fünf Minuten später haute Helmes einen Gewaltsfreistoß aus 20 Metern an die Querlatte. Später vergab Arslan freistehend vor Horn, der FC kam noch zu einigen Halbchancen.

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Als der FC das Spiel wieder ein wenig herunterfuhr und ruhiger in der Abwehr aufbaute, kam der nächste unerwartete Schock. Nach einer Flanke feuerte Calhanoglu Badelj einen Ball vom Sechszehner gen Tor. Irgendwie wurde der eigentlich harmlose Schuss von Kevin Wimmer abgefälscht und segelte in hohem Bogen genau in die Füße des eingewechselte Ivo Ilicevic, der aus kurzer Distanz sein gefühlt 1000. Tor gegen den FC schoss. Ein höchst unglücklicher Gegentreffer in der 84. Spielminute.

In den letzten Minuten warf der FC natürlich noch einmal alles nach vorne. Ujah kam und gewann keinen einzigen Ball, dafür scheiterte Patrick Helmes in der Nachspielzeit nach einem Schuss aus spitzem Winkel wieder am verdammten Aluminium. Maximilian Beister bewarb sich am Ende an der Seitenlinie gegen Kevin Wimmer noch für den Oscar in der Hauptrolle des Films „Die Schwalbe und Ich“, als er sich ohne Fremdeinwirkung höchst theatralisch an den Kopf packte, nur um Sekunden später wieder topfit aufzustehen. Damit rettete er den HSV aber über die Zeit. Am Ende stand die bittere Niederlage.

Spieler im Fokus

Adam Matuschyk: Einen Angriff vermasselte er ganz fürchterlich, doch das Tor erzielte er dank gutem Auge und Entschlossenheit. Es war bezeichnend für Matuschyks Spiel, das seit jeher immer wieder vom Licht- und Schattenkontrast geprägt ist. Gegen den HSV war es mehr Licht, für einen Stammelfeinsatz in der Liga spricht trotzdem wenig, weil auch Gerhardt und Lehmann wieder überzeugten.

Dominic Maroh: Ist ein toller Zweitligaverteidiger. Bringt da alle Voraussetzungen mit, ist robust, kopfballstark und toll beim Grätschen. Ob es allerdings für die erste Liga reicht, ist immer ein wenig fraglich. Das sah man auch gegen den HSV. Da klappte eben nicht mehr jede Grätsche. Da fing er sich eine gelbe Karte ein, weil er bei einer seiner Grätschen viel zu spät kam und da stand er auch beim zweiten Gegentor irgendwo im Raum herum.

Patrick Helmes: Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, auf Helmes im Sturm zu setzen. Den HSV-Verteidigern flatterte das Herz ob Helmes bloßer Anwesenheit zwar nicht ganz so sehr wie dem Otto-Normal-Zweitligaverteidiger, dennoch merkte man auch hier den Defensivspielern den Respekt an. Helmes arbeitete mit, er half aus, er stopfte Löcher und er war stets gefährlich. Dass er statt des Tornetzes nur zweimal die aus Aluminium hergestellten Gestängel des Tores traf, das passte in das Bild des Spiels: Engagiert aber unglücklich.

Fazit

Das war bundesligareif! Stögers Team wirkte gegen den HSV nicht wie das eigentlich unterlegene Team, das durch den Kampf ins Spiel fand. Der FC war vielmehr taktisch und technisch mindestens auf dem gleichen Niveau. Ein Klassenunterschied war zu keiner Zeit zu erkennen.

Wir würden ja gerne am Ende Parolen raushauen wie: „Wenn du vorne die Dinger nicht machst, kassierst du sie halt hinten“, oder „Solche Fehler werden in der Bundesliga eben bestraft“ oder „Mailand oder Madrid, Hauptsache Spanien“, aber erstens ist der Europapokal erst einmal wieder in die Ferne gerückt und zweitens gelten die Parolen dieses Mal einfach nicht. Erst hatten wir kein Glück und dann hatten wir Scheißpech.

Stimmen zum Spiel

Dominic Maroh: Fußball kann manchmal ein bisschen ungerecht sein. Ich glaube, die erste Halbzeit war richtig gut und wir hatten richtig gute Kontersituationen, wo wir toll umschalten und der letzte Ball dann fehlt wie schon in den letzten Wochen und dann macht Hamburg aus zwei Schüssen zwei Tore. Ein Sonntagsschuss und ein Ball direkt für die Tore. Schade, dass wir mal nicht so belohnt werden. Wir müssen uns jede Aktion richtig hart erarbeiten. Wichtig ist es, den Rückenwind in der Liga mitzunehmen und den ersten Platz zu behalten. Zu den Fans muss ich sagen: Chapeau! Wenn ich sehe, was da an einem Dienstagabend an Massen nach Hamburg kommt, dann muss ich meinen Hut ziehen und mich Rahmen der Mannschaft bedanken. Das ist einmalig. Sie machen jedes Spiel zu einem Fußballfest. Gegen Ende der Saison wird das noch ein Faustpfand.

Adam Matuschyk: Ich denke schon, dass man erwarten konnte, dass wir den HSV an seine Grenzen bringen. Das Spiel in Mainz lief ja ähnlich. Da standen wir auch kompakt, konnten immer wieder Nadelstiche setzen. Das war auch heute der Fall, aber heute hatten wir im Abschluss kein Glück. Ich glaube wir sind, was die Bundesliga betrifft schon sehr weit und können mehr als nur mithalten. Jetzt gilt es aber, sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren und in der zweiten Liga die Punkte zu machen, das ist auch alles andere als einfach. Wir wissen, dass wenn wir alles geben und Leidenschaft bis zur letzten Minute zeigen, dass das die Leute sehen und wir dann auch gefeiert werden. Absolute Gänsehaut.

Yannick Gerhardt: Mir fehlen einfach die Worte. Wir hatten so eine gute Chance, man ist einfach enttäuscht. Morgen im Training wird uns auch bewusst sein, dass wir ein sehr gutes Spiel gegen einen Erstligisten gezeigt haben und das wird uns Selbstbewusstsein geben. Gegen Frankfurt wollen wir den Fans etwas zurückzahlen.

Patrick Helmes: Wir haben ein richtig gutes Spiel abgeliefert, waren über weite Strecken des Spiels besser als der HSV und hatten leider wieder zweimal Pech mit dem Aluminium. Aber man sieht, dass wir mit den Mannschaften da oben mithalten können. Wir sind schon nah dran, allerdings war das heute auch ein anderes Spiel als sonst. Wir hatten nichts zu verlieren, konnten befreit aufspielen und sind dann letztendlich unglücklich ausgeschieden. Aber wir haben eine gute Hamburg-Woche hinter uns und können uns nichts vorwerfen.

Peter Stöger: Wir sind sehr stolz. Ich habe uns nicht auf Augenhöhe gesehen, sondern wir waren das bessere Team. Geordneter in der Spielanlage und mit einer sehr guten Organisation. Wir hatten heute einfach Pech mit einem Sonntagsschuss und einem abgefälschten Ball. Alles was wir der Mannschaft taktisch mitgegeben haben, hat sie fast zu 100 Prozent umgesetzt. Unsere Hausmannskost 2. Liga ist eine ganz andere Sache, da müssen wir Steher-Qualitäten zeigen und das noch ein halbes Jahr durchziehen. Dass die Jungs am meisten enttäuscht sind, ist klar, aber bis zum Wochenende wird das wieder in Ordnung sein.

Hamburger SV: Adler – Mancienne, Tah, Djourou, Jansen – Rincon – Beister (90. Zoua), Badelj, Arslan (74. Ilicevic), Calhanouglu – Lasogga

1. FC Köln: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Hector – Lehmann, Matuschyk – Risse (66. Halfar), Gerhardt (86. Ujah), Peszko – Helmes

Tore: 1:0 Beister (42.), 1:1 Matuschyk (53.), 2:1 Ilicevic (85.)

Gelbe Karten: Rincon | Helmes, Maroh, Wimmer

Schiedsrichter: Florian Meyer (Burgdorf)

Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)

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