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Kolumnen

Einwurf zum 1. FC Köln: Wie ich zwei Schalkern das Leben rettete

Etwas Hilfsbereitschaft und vor allem ein Dialog täte dem deutschen Fußball momentan sehr gut. Wie ich einen kleinen Anfang machte und welche Fragen noch offen sind, verarbeite ich in diesem Blog.

Sportlich läuft’s. Überraschend gut. Hätte ich Heldt und Gisdol niemals zugetraut, das sinkende Schiff derart auf Kurs zu bringen. Klar, so ganz traue ich dem Braten noch nicht. Aber man sieht deutlich, dass Spieler, die man abgeschrieben hat, plötzlich gute Leistungen bringen. Andere, auf die man viel Hoffnung gesetzt hat, spielen plötzlich keine Rolle mehr. Der Moment ist aber einfach zu schön, als dass ich über solche Nebensächlichkeiten nachdenken könnte. Ich stehe auf der Süd, und die Mannschaft holt sich nach dem Sieg gegen Schalke ihren verdienten Applaus ab. Das ist doch immer der schönste Moment des Spiels. Menschen, die deutlich vor Schlusspfiff das Stadion verlassen, werde ich nie verstehen.

Die Anspannung war nur kurz da. Souverän hat der effzeh das Spiel über die Bühne gebracht. Hinten stabil, vorne immer wieder gefährlich. Einzig das Potential der Schalker hielt über die Spieldauer die Anspannung hoch. Sie riefen es aber nicht ab. Jetzt kann ich den Moment genießen. Schaue, wie die Jungs in die Kabine gehen. Die Siegesfeier mit den Fans war etwas gedämpft, aber das mag für andere Leute das Erlebnis trüben, nicht für mich. Langsam gehe ich Richtung Ausgang und gönne mir noch eine Wurst, bevor ich die übervolle Blase ordnungsgemäß leere.

Mein geplanter Weg geht südlich des Stadions Richtung Innenstadt, um dann bei der ersten Möglichkeit nach links abzubiegen. Ein paar Bierchen in der dortigen Lokalität sollten noch drin sein. Den Großteil des Weges teile ich mit einer großen Ultragruppierung, die gleichzeitig mit mir das Stadion verlassen. Ich mag die Jungs ja. An der Abfahrt zur Tiefgarage Südost stehen zwei verlorene junge Typen. Kurzes Gedränge, dann sind sie einen Schal und eine Mütze in blau los. „Krass! So schnell ist man seinen Schal los!“ sagt der eine noch, und ich denke, sie haben kapiert, dass dieser Weg nicht empfehlenswert ist und kehren um. Richtung Norden. Direkter Weg zur Bahn. Dass der Bereich Nordost vermutlich gesperrt ist, kommt mir in dem Moment nicht in den Sinn.

Keine gute Idee

Ich schlendere also weiter, den Zug Ultras in ein wenig Abstand begleitend, in Richtung meiner inzwischen heiß ersehnten Flüssigkeitsaufnahme. Abbiegung nach links genommen, kurz aufs Handy geschaut, erschrickt mich eine Stimme von hinten. „Ich muss mal hier schnell vorbei!“ Die Aufpasser der Ultras in Staatsuniform haben den Anschluss verpasst und wollen wieder aufschließen. Nummeriert – nicht individuell, aber immerhin nummeriert. NRW 2331 hat es besonders eilig. In ihrem Schlepptau die zwei Schalker Jungs, die hilfesuchend hinter den, in ihrer Annahme, Freunden und Helfern hinterherhechten. „Können wir nicht ganz nahe bei euch mitkommen?“ höre ich den einen sagen. „Das halte ich für keine gute Idee!“ ist zumindest die ehrliche Antwort des Staatsdieners.

Inzwischen habe ich tatsächlich Mitleid mit den beiden planlosen Verirrten. Ich spreche sie kurz an und bedeute ihnen, sich mal in meine Richtung zu bewegen, gebe ihnen den Tipp, sowohl von den Grünen als auch von Dunklen Abstand zu halten. Wenn die anderen gleich vorne rechts gehen, empfehle ich mit mir links abzubiegen. Zwei, dreimal muss ich sie noch mal darauf hinweisen, nicht zu schnell zu gehen, um eben keinen Anschluss mehr herzustellen, dann haben wir es geschafft. Vor uns die Gaststätte mit dem Biergarten. Ich gebe den Tipp, dass sie hier einkehren können oder weiter vorne rechts abbiegen und zur Bahn gehen können. „Kann man hier als Schalker unbescholten ein Pils trinken?“ Jetzt wird es zu blöd: „Besser nicht!“ sage ich und wünsche ihnen eine gute Heimreise. Pils, tse!

Der Mond über Müngersdorf

Ein Kölsch mit Hopp?

Bei einem leckeren Kölsch stelle ich mir die Frage, ob ich das auch für Dietmar Hopp gemacht hätte. Ja, hätte ich. Vielleicht würde ich ihn dann bitten, mit mir ein Kölsch zu trinken und ihm weitere Tipps geben. Zieh dich zurück. Unterstütze deinen Verein und gerne karitative Institutionen. Aber häng’ es nicht jedes Mal so dermaßen an die große Glocke. Sag den Jungs von Sky, die eh schon in deinem Arsch stecken, dass sie die Kamera nicht auf dich richten sollen, wenn du im Stadion bist. Ignorier’ die Beleidigungen oder versuch einfach mal ansatzweise zu verstehen, was dahintersteckt. Du hast dich leider dazu entschieden, die Muskeln spielen zu lassen. Klar, du denkst du hast gute Karten, weil deine Freunde diejenigen sind, die an den Hebeln der Macht sitzen im deutschen Fußball.

Aber auch die sind abhängig davon, was ihre Geldgeber sagen. Glaubst du die größte Finanzspritze Fernsehen bleibt bestehen, wenn ständig Spiele wegen dieser Farce unterbrochen oder vielleicht sogar abgebrochen werden? Glaubst du, es macht es besser, wenn durch die Unterbrechungen der Fokus komplett auf diese Sache gezogen wird? Oder willst du genau das? Junge, du hast es zu was gebracht. Ich frage mich zwar immer noch, wie man mit ehrlicher Arbeit an so viel Geld kommen kann, aber da mag ich dir gar nichts unterstellen. Und ich verstehe, dass man für seine gute Taten auch Anerkennung bekommen möchte. Aber nur die guten Taten heroisch-aggressiv öffentlich darzustellen und die weniger guten zu kaschieren, zu relativieren und unter den Tisch zu kehren, fällt halt irgendwann auf. Und wenn man das Echo bekommt, muss man dazu stehen. Du hast die Möglichkeit, dies alles zu tun. Ein Spieler kann seine Hautfarbe oder seine wie auch immer gearteten Neigungen nicht verändern. Ist schon mal ein Spiel unterbrochen worden, wenn ein solcher Spieler beleidigt wurde?

Du hast eine Situation geschaffen, die den deutschen Fußball vor eine Zerreißprobe stellt. Verband gegen Fans. Ich bin gespannt, ob du es schaffst, den Verband zu überzeugen, dass es ohne Fans besser geht. Bist du dann wirklich am Ziel deiner Träume? Ein steriler Fußball, Stimmung vom Band, Operettenpublikum in den Stadien? Da hast du die Rechnung ohne die Fans gemacht. Die werden sich nicht vertreiben lassen und ganz bestimmt nicht ihr Maul halten, wenn ihnen etwas nicht passt. Und wer ihnen nicht zuhört, sich nicht für ihre Themen interessiert, wird am Ende genau so planlos umherirren wie meine beiden Schalker Freunde.

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