Die SG Eintracht Frankfurt, Gegner des 1. FC Köln am Samstag, muss man nicht lieben. Aber man kann zumindest gutheißen, dass die SGE derzeit vieles richtig macht – Beispiele dafür sind die sozialverträglichen Ideen für den Stadionausbau und Präsident Fischers Position gegen die AfD.
Viele Dinge im Leben basieren auf dem Zufall. Man wird zufällig in ein bestimmtes Land geboren, Sir Isaac Newton hätte ohne den herunterfallenden Apfel wohl niemals die Gravitationstheorie entwickeln können und wir alle haben aus zufälligen Gründen einen Lieblingsverein. Die Bindung zu diesem entwickelt sich meistens in der Kindheit und basiert ebenfalls auf komplett arbiträren Ereignissen: Bei manchen gibt es im Familienkreis einen verrückten Onkel, der einen das erste Mal ins Stadion mitnimmt, bei anderen überzeugen die gewagten Farben im Trikot des gerade zufällig spielenden Vereins – schon ist es um einen geschehen, aus der Nummer kommt man so schnell nicht mehr heraus. Heute, viele Fanjahre später, erscheint es selbstverständlich, dass man zum Beispiel Fan des 1. FC Köln ist, eine geringe Veränderung in der Sozialisation hätte aber schon bedeuten können, dass man Fan von einem anderen Verein wird.
Als Fan baut man mit der Zeit natürlich auch eine Wagenburgmentalität auf, die sich bisweilen in einem sehr stark ausgeprägten “Wir gegen die”-Denken äußert – die Ausprägung von Rivalitäten mit anderen Vereinen kann Gott sei Dank jeder für sich selbst entscheiden. Festzuhalten bleibt auch: Fans des 1. FC Köln sind nicht automatisch bessere, Fans von anderen Vereinen (auch Mönchengladbach!) sind nicht automatisch schlechtere Menschen. Daraus folgt, dass das Erlernen von Toleranz immer eine immense Rolle spielen muss – der Blick über den Tellerrand hinaus ist nämlich nicht nur im Sport wichtig.
Stadionpläne in Frankfurt: “Sozialverträglich und nachhaltig”
Schaut man beispielsweise auf den Gegner des 1. FC Köln am kommenden Samstag, fällt auf, dass dieser zumindest auf gesellschaftspolitischer Ebene vieles richtig macht. Während Eintracht Frankfurt im sehr volatilen sportlichen Geschäft aktuell um den Einzug in das internationale Geschäft kämpft, überzeugt der Verein im gesellschaftspolitischen Bereich auf zwei Ebenen. Zum einen demonstrieren Verein, Fans und auch die Stadtverwaltung Frankfurts, dass Stadionpläne nicht hochtrabend und größenwahnsinnig, sondern auch sozialverträglich und nachhaltig sein können. Zum anderen zeigt Eintracht-Präsident Peter Fischer, dass sich Fußballunternehmen nicht vor ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung scheuen müssen, wenn es darum geht, den Rechtsruck in der Gesellschaft und die erstarkte Rolle der AfD einfach so hinzunehmen.
Doch der Reihe nach: Aktuell fasst das mittlerweile mit einem Sponsoren-Namen versehene Waldstadion in Frankfurt 51.500 Plätze und gehört damit sowohl zu den größeren als auch zu den schöneren Stadien in Deutschland. In den letzten Wochen und Monaten wurde deutlich, dass sich Verein und Stadt mit einem Ausbau beschäftigen – wohl auch, um für die Europameisterschaft 2024 in den Topf möglicher Austragungsorte zu kommen. Im Mai des vergangenen Jahres wurden dann erstmals konkrete Überlegungen für den Ausbau des Waldstadions kommuniziert. Axel Hellmann, Marketing-Chef der Eintracht, stellte gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Stadionbetreibergesellschaft und einem Architekten die neuen Pläne vor. Diese umfassen eine Aufstockung des Fassungsvermögens auf 61.000 Plätze, von denen dann 20.000 Stehplätze sein sollen. Aktuell verfügt das Waldstadion über 7.800 Stehplätze im Unterrang der Kurve. Nach dem Umbau soll dann auch der Oberrang Stehplätze aufweisen. Ziel des Umbaus sei es, ein “nachhaltiges und sozialverträgliches Konzept” zu verfolgen, bekräftigte Hellmann.
Nicht mehr Logen, sondern mehr Stehplätze!
Unterstützt wird der Verein in diesem Vorhaben von einer Initiative der wichtigsten Fanorganisationen, die den Fußball als Volkssport erhalten wollen. Momentan seien fast alle der 7.800 Stehplätze für Dauerkarteninhaber reserviert, weswegen kaum Karten in den freien Verkauf gelangen würden, äußerte ein Vertreter. Für junge Fans mit geringem Einkommen ist es daher schwierig, überhaupt ein Ticket zu ergattern – die Preise für das günstigste Ticket liegen bei der Eintracht je nach Gegner bei 20 bis 35 Euro. Mit dem Fokus auf eine größere Anzahl an Stehplätzen möchte die SGE zur Tradition der Stehplätze in Frankfurt zurückkehren – das alte Waldstadion hatte 30.000 Sitz- und 30.000 Stehplätze. Es ist daher bewundernswert, dass die SGE darauf setzt, nicht den eigenen Anhängern in den Logen und auf überteuerten Sitzplätzen das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern der jungen Generation ermöglicht, auch mit einem schmaleren Geldbeutel die Spiele des eigenen Teams zu unterstützen.
Eintracht-Präsident Fischer zeigt klare Kante gegen die AfD
Und auch auf anderer Ebene konnte Eintracht Frankfurt vor kurzem überzeugen: In mehreren Interviews zum Jahreswechsel betonte Präsident Peter Fischer, dass es in seinem Verein für die “braune Brut keinen Platz” geben würde. Er ergänzte: “Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei Eintracht Frankfurt geben.” Damit meinte er auch, dass bei der SGE niemand Mitglied sein könne, der gleichzeitig die AfD wähle oder gar Mitglied der rechtspopulistischen Partei sei. Dieses Interview hatte für viel Aufsehen gesorgt, da es ja leider sehr selten vorkommt, dass sich bedeutende Fußballfunktionäre derart klar zu politischen Themen positionieren. Zwar wurde Fischer im Anschluss vorgeworfen, ein Populist zu sein und im Endeffekt genau dieselben Mechanismen zu bedienen wie die AfD und gleichzeitig deren Opferrolle zu verstärken – sein Mut, zu politischen Themen Stellung zu nehmen und gleichzeitig sich nicht davor zu scheuen, ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit zu geraten, ist allerdings bewundernswert.
Bei der Jahreshauptversammlung der Eintracht vor einigen Tagen bekräftigte Fischer seine Aussage: “Ich habe in einem Interview gesagt, dass niemand Mitglied bei Eintracht Frankfurt sein kann, der diese Partei wählt. Und ich habe von dieser Aussage nichts zurückzunehmen oder zu relativieren. Wir müssen uns für die Verteidigung der Werte unserer Gesellschaft ohne Zweifel engagieren. Die sind viel stärker in Gefahr, als wir das wahrnehmen.” Er ruderte allerdings auch ein wenig zurück und gestand, dass in seinem Verein fortan keine Gesinnungskontrollen durchgeführt würden: “Wir werden die politische Gesinnung und das Wahlverhalten unserer Mitglieder nicht überprüfen. Wir erwarten aber, dass sich jeder dieser kritischen Selbstprüfung unterzieht.”
Fischers Position – Ein Beispiel, das Schule macht?
Im Anschluss warf er die Frage auf, wie ein Bekenntnis zur Satzung von Eintracht Frankfurt, die sich die Integration von Ausländerinnen und Ausländern als Ziel setzt und Rassismus und Diskriminierung mit Vereinsausschluss ahndet, mit der Unterstützung der AfD zusammenpasse. Deren Spitzenfunktionäre würden sich laut Fischer “regelmäßig diskriminierend, ausgrenzend und herabwürdigend äußern” – das Ganze sei “nicht vereinbar”.
Man kann nur den Hut davor ziehen, wie sich Eintracht Frankfurt in diesen beiden gesellschaftspolitischen Fragen positioniert und dabei weder Gewinnmaximierung noch den Weg des geringsten Widerstands wählt. Es ist wünschenswert, dass sich andere Bundesligisten anschließen und dem Beispiel folgen – dies hoffte auch Fischer, der mit seinen Aussagen gegenüber der AfD in jedem Fall eine Debatte ausgelöst hat, die über die Frankfurter Stadtgrenzen hinausgeht und vielleicht endlich dafür sorgt, dass mehr Leute kapieren, dass Fußball und Politik zusammengehören.
Man muss also kein Fan der Frankfurter Eintracht sein, um anzuerkennen, dass es auch außerhalb der eigenen Blase Entwicklungen gibt, die man sich für seinen eigenen Verein wünschen würde. Am kommenden Samstag dürfte dies allerdings während der 90 Minuten für die meisten eine weniger bedeutende Rolle spielen, was ja auch irgendwo verständlich ist. Doch wenn wir den Fußball und unsere Gesellschaft voranbringen wollen, braucht es kompetente und mutige Leute – in Frankfurt kann man davon momentan einige finden.