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Ein Leben mit Podolski (1): Mit Urgewalt ins Rampenlicht

Am Mittwoch gegen England endet eine Nationalmannschaftskarriere, die beim effzeh ihren Anfang nahm. Von Bergheims Bolzplätzen zur Hauptrolle im Sommermärchen: Unser erster Teil zum Podolski-Abschied.

Foto: Vladimir Rys/Bongarts/Getty Images

Am Mittwoch gegen England endet eine Nationalmannschaftskarriere, die beim effzeh ihren Anfang nahm. Von Bergheims Bolzplätzen zur Hauptrolle im Sommermärchen: Unser erster Teil zum Podolski-Abschied.

Plötzlich war er da. Kurz nach der Sessionseröffnung stand da dieser „Prinz“, der damals noch nicht so hieß, auf dem Platz und hielt die Zuschauer in Atem. Am 22. November 2003 gab Lukas Podolski sein Profidebüt für den 1. FC Köln. Mit gerade einmal 18 Jahren. Ein vielversprechender Teenager. Wild auf dem Platz, körperlich präsent, mit enormer Spielfreude und noch größerer Schusskraft. Die Geschichte, die er schrieb, die war an diesem tristen Samstagnachmittag, der mit einem 0:1 gegen den Hamburger SV endete, so nicht abzusehen.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Ein wenig Licht ins sportlich äußerst triste effzeh-Dasein brachte er aber bei dieser überflüssigen Niederlage, irgendetwas entflammte dieser talentierte Junge bei den Fans. Der Verein stand zu diesem Zeitpunkt am Tabellenende, Trainer Friedhelm Funkel war nach nur sieben Punkten aus zehn Spielen gegen Marcel Koller getauscht worden. Der Schweizer Fußball-Fachmann startete mit einer satten 0:4-Pleite in Bochum – und setzte über die Länderspielpause ein Trainingslager an. Dabei war seine Entdeckung Lukas Podolski, den er bei der A-Jugend mehr zufällig erspäht und sofort das Herz des neuen Profitrainers („ein kleines Wunder auf zwei Beinen“) erwärmt hatte.

Der “Prinz Poldi”-Hype startet

Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Ich weiß noch, dass das Stadion eine Baustelle war und wir uns in den historischen Abel-Bauten umgezogen haben. Plötzlich war ich dabei. Und blieb es.

Die Konsequenz: Profivertrag für den U-Nationalspieler, der zu dem Zeitpunkt in acht Spielen der U19-Bundesliga achtmal geknipst hatte, am Elften im Elften, das Bundesliga-Debüt nur wenig später. Gegen den Hamburger SV beorderte Koller den Youngster direkt in die Startelf, Podolski bildete mit Andrej Voronin den effzeh-Sturm. Matthias Scherz blieb nur der Platz auf der Bank. „Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben“, sagte Podolski einmal dem „Express“: „Ich weiß noch, dass das Stadion eine Baustelle war und wir uns in den historischen Abel-Bauten umgezogen haben. Plötzlich war ich dabei. Und blieb es“, so der Angreifer im Rückblick. Ein paar Schüsse, ein paar gute Pässe, trotzdem konnte der 18-Jährige bei seinem 79-Minuten-Einsatz die vierte Niederlage nicht verhindern.

Es war dennoch der Startschuss für eine wilde Fahrt: In Rostock traf Podolski erstmals (und das per Kopf!), gab im Anschluss ein kultiges TV-Interview und avancierte zunehmend zum Hoffnungsträger einer ganzen Stadt. „Das war damals nicht wie heute. Früher gab es viel weniger Spieler, die so jung schon in der 1. Liga zum Einsatz kamen“, erinnert sich Podolski: „Ich weiß, was ich Marcel Koller zu verdanken habe. Ohne ihn würde ich heute vielleicht in Bergheim spielen. Und hätte diese Karriere nicht machen können“, bedankte sich der Nationalspieler einst bei seinem Förderer.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Der Podolski-Hype nahm seinen Lauf: Am Ende der Saison stand „Prinz Poldi“, wie er vom Boulevard getauft wurde, bei zehn Toren, er hatte damit so viele wie kein anderer 18-Jähriger in der Bundesliga-Geschichte zuvor. Den dritten effzeh-Abstieg konnte der umjubelte Youngster („Einer wie Michael Owen“, Erich Rutemöller) nicht verhindern.

Auf zur Nationalmannschaft

Dafür startete er auch international durch: Noch ohne Länderspiel für die Nationalmannschaft nominierte ihn Bundestrainer Rudi Völler für die EM, die für die DFB-Auswahl desaströs verlief. Beim Vorrundenaus kam Podolski nur im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien zu einem Kurzeinsatz. Dennoch: Der Kölner verkörperte zusammen mit seinem Münchener Pendant Bastian Schweinsteiger die Zukunft des deutschen Fußballs.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Und die fand trotz Offerten von großen Klubs zunächst beim effzeh statt: Podolski, in Bergheim in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und mit zehn Jahren ans Geißbockheim gewechselt, ging mit in die zweite Liga und schoss dort alles in Grund und Boden. Mit 24 Treffern führte er seinen Klub zurück ins Oberhaus – und etablierte sich auch im DFB-Team. Spätestens im Sommer beim Confed Cup im eigenen Land, als er in vier Spielen dreimal einnetzte, spielte sich der unbekümmerte Junge aus dem Rheinland in die Herzen der Fans.

Nochmals 2. Liga? Vergiss es!

Das änderte sich auch nicht in der kommenden Saison, obwohl Podolski („Es geht hier nicht um Konzeptfußball oder irgendeinen Dreckscheiß”) mit dem neuen Trainer Uwe Rapolder wie so viele im Verein absolut nicht zurecht kam. Der effzeh versank sportlich im Abstiegskampf, auch nach der Trennung von Rapolder wurde es unter dem neuen Coach Hanspeter Latour nicht besser.

Foto: Markus Gilliar/Pool/Bongarts/Getty Image

Nochmals zweite Liga? Vergiss es! Und so verließ der größte Hoffnungsträger des 1. FC Köln seine Heimat, um in München anzuheuern. Als er sein vermeintlich letztes Heimspiel gegen Bielefeld absolvierte und zweimal knipste, weinte ich. Rotz und Wasser. Danach nie wieder. Podolski brachte derweil das ganze Land in Feierlaune: Noch als effzeh-Spieler spielte eine herausragende WM, wurde zum Protagonisten des „Sommermärchens“ und avancierte endgültig zum internationalen Star.

“Vielleicht hätte ich keine zweite Chance bekommen…”

All das begann nicht an diesem 22. November, es begann schon viel früher auf den Bolzplätzen in Bergheim. Für den Großteil der effzeh-Fans startete diese Weltkarriere allerdings an diesem tristen Samstagnachmittag gegen den Hamburger SV. Dabei wäre es um ein Haar nicht dazu gekommen: Bei einem Küchenunfall rammte sich Podolski ein Messer in die Hand. „Sie war ein paar Wochen lang taub, ich konnte sie nicht bewegen. Ich habe mit Verband gespielt und keinem, außer meinen Eltern, was davon gesagt“, enthüllte er in einem ZEIT-Interview: „Ich wollte erst gar nicht ins Krankenhaus, weil ich Angst hatte, dass die Ärzte mir verbieten zu spielen. Ich hatte großes Glück, es waren keine Sehnen oder Nerven getroffen. Wer weiß, wie meine Karriere sonst gestartet wäre! Vielleicht hätte ich keine zweite Chance bekommen…“

→ Ein Leben mit Podolski (1): Mit Urgewalt ins Rampenlicht
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