Zum Abschluss noch einmal alles in die Waagschale werfen – das war der Anspruch, den der effzeh zum Auswärtsspiel nach Wolfsburg mitbrachte. Dasselbe galt für die erneut reisefreudigen und stimmgewaltigen Fans der „Geißböcke“. Noch einmal Gas geben, dann ist Weihnachten. Zeit, sich zu beschenken.
Und die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust gaben sich alle Mühe, zumindest einen Zähler unter das Bäumchen zu legen. Mit der üblichen Marschroute: In der Abwehr stabil, Nadelstiche in der Offensive. Wie es auswärts schon so oft funktioniert hat. Doch diesmal reichte es für die tapfer kämpfenden Kölner nicht. Weil in der 78. Minute ein Grinch namens Naldo hochstieg und zum Siegtreffer für die „Wölfe“ einköpfte.
Ausgangslage
Der Tabellenzweite vor eigenem Publikum gegen den Zweiten der Auswärtstabelle. Viel mehr Topspiel am Samstagabend geht doch kaum. Aber: Die Favoritenrolle war klar verteilt. Der VfL Wolfsburg spielt bislang eine blitzsaubere Runde, ist hinter den Über-Bayern die beste Mannschaft der Liga. Daran änderten auch die zwei Remis gegen Paderborn und Dortmund nichts. De Bruyne, Luiz Gustavo und Co sind besonders zuhause eine Macht. Sechs Siege und zwei Unentschieden bedeuten Rang zwei in der Heimtabelle hinter den Bayern.
Denselben Platz belegt der effzeh in der Auswärtstabelle. Besonders der Coup auf Schalke, als Peter Stöger den Champions-League-Siegercoach Roberto di Matteo in Halbzeit zwei eiskalt auscoachte, ließ den Anhang insgeheim von einem weiteren Punktgewinn träumen. Warum auch nicht? Die “Geißböcke” stehen defensiv zumeist sehr stabil und hoffen auf die Lücken in der Wolfsburger Hintermannschaft, die gegen Paderborn und Dortmund gewackelt hatte. Warum auch nicht? Es hat doch schon öfters geklappt.
Personal
Stöger war gezwungen, seine gegen Mainz aufgebotene Elf auf einer Position zu verändern. Kevin Vogt fehlte wegen seiner fünften Gelben Karte und wurde durch Daniel Halfar ersetzt, der bei seinem Jokereinsatz unter der Woche überzeugt hatte. Der kleine Wirbelwind rückte auf die rechte Seite, Marcel Risse sollte den Part hinter Anthony Ujah besetzen. Ansonsten keine Änderung, das heißt: Dominic Maroh stand neben Kevin Wimmer in der Innenverteidigung, Pawel Olkowski verteidigte hinten rechts. Kapitän Miso Brecko kehrte nach überstandenen Magen-Darm-Problemen in den Kader zurück.
Bei Wolfsburg gab es auch nur eine Änderung, die allerdings überraschte: Luiz Gustavo, Anker im defensiven Mittelfeld, erhielt eine Pause – für ihn kam Junior Malanda in der Schaltzentrale zum Einsatz. Aaron Hunt, unter der Woche mit einer Verbalgrätsche aufgefallen, war nicht im Kader. Aufzupassen galt es besonders auf Kevin de Bruyne, seines Zeichens Liga-Topvorbereiter, und den formstarken Ivan Perisic.
Spielverlauf
Wer gedacht hatte, der effzeh igelt sich von Beginn an ein, der sah sich eines Besseren belehrt. Mutig und spielfreudig agierten die “Geißböcke” vom Anpfiff weg. Die erste Chance hatten aber die Gastgeber: Robin Knoche köpfte knapp über das von Timo Horn gehütete Tor hinweg (4.). Der effzeh ließ sich aber gegen den Europa-League-Teilnehmer nicht einschüchtern, stets suchte man den schnellen Weg zum Wolfsburger Tor. Halfar setzte Ujah in Szene, der im Strafraum Naldo ins Karussell schickte. Der Abschluss des Nigerianers wurde in letzter Sekunde noch zur Ecke abgewehrt (10.).
Diese nutzte der effzeh dann zur überraschenden Führung: Halfar kam im Rückraum an die Kugel und lupfte den Ball über die Wolfsburger Abwehr zu Dominic Maroh. Der Abwehrchef nahm den Ball technisch stark an und vollendete im Stile eines Top-Stürmers (11.). 1:0 effzeh – der Gästeblock lag sich in den Armen vor Freude. Lang hielt sie allerdings nicht: Jung hatte auf rechts viel Zeit zum Flanken, der einlaufende Dost ließ Maroh stehen und köpfte wuchtig zum Ausgleich ein (16.).
Wolfsburg hatte nun Oberwasser, der effzeh musste sich sichtlich schütteln. Zu großen Chancen reichte es für die “Wölfe” aber nur einmal in der Drangphase: Dosts erneuten Kopfball parierte Horn aber glänzend (21.). Mit zunehmender Spieldauer bissen sich die Kölner wieder ins Spiel. Angetrieben vom erstaunlich präsenten Yannick Gerhardt, der ein klasse Spiel ablieferte, präsentierte sich der effzeh aus stabiler Deckung sogar ballsicher und spielstark. Fast wäre dieser starke Auftritt belohnt worden: Halfar wühlte sich in den Wolfsburger Strafraum durch und kam zum Abschluss, doch sein Schuss streifte nur die Latte (36.).
Auch nach dem Seitenwechsel, den erschreckend viele Wolfsburger Anhänger nicht im Stadion, sondern vermutlich an den Versorgungsständen erlebten, fand das Spitzenteam keine Lücke gegen den Aufsteiger, bei dem mittlerweile Zoller für Risse in der Partie war (52.). Zollers Konterchance nach Halfars Steilpass war noch die einzige aufregende Szene nach dem Wiederbeginn (54.). Ansonsten entwickelte sich ein zäher Abnutzungskampf zwischen drängenden Gastgeber und stark verteidigenden Kölnern, die Matuschyk für Svento (66.) brachten.
Erst in der 77. Minute fanden die “Wölfe” die Lücke in der effzeh-Defensive: Nach tollem Zusammenspiel zwischen de Bruyne und dem eingewechselten Luiz Gustavo rettete Wimmer vor Dost genau gegen den Kopf von Horn, der Ball prallte glücklich über das Kölner Tor. Doch wie schon in der ersten Hälfte beim 1:0 schepperte es bei der anschließenden Ecke: De Bruynes Hereingabe fand Naldos Schädel, der Deutsch-Brasilianer köpfte zum 2:1 ein. Liest sich simpel, sah es auch aus, war aber kaum zu verteidigen. Gegen die Wucht des 198 Zentimeter großen Innenverteidigers war die kölsche Defensive in diesem Moment nicht gefeit.
Der effzeh versuchte nun den Ausgleich zu erzwingen, doch die “Wölfe” ließen den Ball gut in den eigenen Reihen laufen und versuchten durch eigene Konter die Entscheidung herbeizuführen. Stöger warf Osako ins Spiel, der den bemitleidenswerten Matuschyk ersetze. Lediglich 17 Minuten durfte der Pole mitmischen, bevor ihn aus taktischen Gründen die Auswechslung ereilte. Eine echte Schlussoffensive konnte der effzeh allerdings gegen clevere Wolfsburger nicht entfachen. Eine Aktion bot die Partie, die trotz sechs Wechsel und einem Treffer in der zweiten Hälfte nur eine Minute Nachspielzeit sah, noch: Ujah rauschte im Strafraum mit VfL-Keeper Benaglio zusammen, doch der von Spieler und Gästeblock erhoffte Elfmeterpfiff von Peter Gagelmann blieb aus.
Spieler im Fokus
Yannick Gerhardt Nur ein Wort: Bärenstark. So gut wie in Wolfsburg hat man Gerhardt auch in seiner Hochphase in der 2. Liga gesehen. Taktisch sauber, spielerisch stark und in den Zweikämpfen präsent. Ein Sahne-Auftritt des Youngsters, gekrönt von einer Szene: Nach einem 40-Meter-Sprint räumte er Wolfsburgs Edelfuß Kevin de Bruyne ab, als wäre es das Leichteste der Welt, und leitete danach einen Kölner Angriff ein.
Dominic Maroh An allen drei Treffern beteiligt. Das 1:0 erzielt der Abwehrchef im Stile eines Weltklasse-Stürmers, um fünf Minuten später beim Ausgleich gegen Dost nur die Statistenrolle einzunehmen. Beim Siegtreffer durch Naldo musste er sich der unfassbaren Wucht des Deutsch-Brasilianers geschlagen geben. Die Befürchtung, der effzeh könnte im Kopfballspiel in der Bundesliga seine Problemchen bekommen, offenbarten sich leider zum falschen Zeitpunkt.
Daniel Halfar Der kleine Wirbelwind hat den Warnschuss von Peter Stöger offenbar ähnlich aufgenommen wie Gerhardt. Schon gegen Mainz ein Aktivposten zeigte Halfar in Wolfsburg, warum der Trainer große Stücke auf ihn hält. Leitete die Ujah-Chance vor der Führung ein, bereitete das 1:0 mit einem Zuckerpass vor und war auch sonst stets ein guter Anspielpartner. Dazu kampf- und laufstark wie gewünscht. Nicht erstligatauglich? In der Form darf das bezweifelt werden. Gerne mehr!
Fazit
Geführt, stark gespielt und am Ende reist der effzeh doch ohne Zählbares nach Köln zurück. Das ist bitter, gibt aber auch Kraft. Denn: Die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust haben gezeigt, taktisch (und phasenweise spielerisch) gegen eins der stärksten Teams der Liga mithalten zu können. Natürlich gibt es Schwächen, natürlich liegt noch genug Arbeit vor uns, aber hey: Wir sind Aufsteiger – und der Gegner spielt um die Champions League! Letztlich war es die individuelle Klasse, die den Ausschlag zugunsten der “Wölfe” gab. Ein starker Standard, der kaum zu verteidigen ist.
Neben dem bitteren Gegentor durch “Grinch” Naldo stoßen besonders die Ergebnisse der Konkurrenz sauer auf. Durch den Bremer Erfolg gegen Dortmund und den Punktgewinn der Hamburger auf Schalke beträgt der Abstand zu Platz 16 trotz passabler 19 Hinrunden-Punkte nur noch zwei Zähler. Allzu entspannt dürfte Weihnachten am Geißbockheim also nicht werden. Entscheidend könnten die drei Partien nach der Winterpause werden: Mit dem Auswärtsspiel beim HSV und den Heimduellen gegen Stuttgart und Paderborn hat der effzeh gleich drei direkten Kontrahenten im Abstiegskampf vor der Brust!
Statistik
1. FC Köln: Horn – Olkowski, Maroh, Wimmer, Hector – Lehmann – Halfar, Risse (52. Zoller), Gerhardt, Svento (66. Matuschyk/83. Osako) – Ujah.
VfL Wolfsburg: Benaglio – Jung, Naldo , Knoche , Rodriguez – Guilavogui (58. Arnold) , Junior Malanda (58. Luiz Gustavo) – Vieirinha, De Bruyne, Perisic (66. Caligiuri) – Dost.
Tore: 0:1 Maroh (11.), 1:1 Dost (16.), 2:1 Naldo (78.)
Gelbe Karten: –
Schiedsrichter: Peter Gagelmann (Bremen)
Zuschauer: 26.824