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Interviews

Investition in den E-Sport: “Der 1. FC Köln hat sich in eine optimale Lage gebracht”

Vor einer Woche gab der effzeh bekannt, in das E-Sport-Team SK Gaming investiert zu haben. Doch was soll das überhaupt? Worin liegt der Nutzen, worin das Potential? In unserem Experteninterview haken wir bei Christopher Kraft nach, der seit einigen Jahren in der E-Sport-Nachwuchsförderung engagiert ist.

FC-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle (l.) mit SK-Gaming-Gründer Alexander Müller | Foto: 1. FC Köln
FC-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle (l.) mit SK-Gaming-Gründer Alexander Müller | Foto: 1. FC Köln

Du verfolgst die E-Sports-Szene in Deutschland seit langem. Welche Entwicklungen stellst du allgemein fest? Nimmt das allgemeine Interesse eher zu oder ab?

Ich bin im E-Sport seit mehr als zehn Jahren unterwegs und bemerke zweierlei: International ist der Markt geradezu explodiert, national sind vergleichsweise kleinere Fortschritte feststellbar. Aus Deutschland kommen einige gute Teams, die auch international mithalten können. Die Anzahl der Profispieler in Deutschland, die vom Spielen leben können, ist aber immer noch sehr gering. Die oberen Ligen in Deutschland sind immer noch mehrheitlich von Spielern und Teams gefüllt, die nur auf semi-professioneller Basis spielen können und teilweise einem Vollzeitjob nachgehen müssen. Das verhindert natürlich eine entsprechende Leistungsoptimierung.

Abseits der eigentlichen Spiele stößt E-Sport jedoch noch immer bundesweit auf Gegenwind. 2018 ging eine große Debatte los, da die Bundesregierung versprach, E-Sport als Sport anzuerkennen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) lehnte dies jedoch ab. Entscheidungsbefugt in der Frage, was als Sport anerkannt wird oder nicht, ist da leider keine Regierung, sondern nur der DOSB. Insofern geht es jetzt eher um Druck, der aufgebaut werden soll. Im November 2017 hat sich zudem der E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) gegründet, um effektiver für die Präsenz von E-Sport zu kämpfen und die eben schon erwähnten lokalen Vereinsstrukturen weiter zu verstärken.

Was ist die größte Schwierigkeit im Moment?

Meiner Meinung nach sind die größten Probleme aktuell, dass ein Gefühl entsteht, dass der E-Sport den körperlichen Sport ersetzen möchte oder könnte, was nicht passieren wird. Auch gibt es wenig Verständnis bisher, dass E-Sport eben kein körperlicher Sport ist, in dem gerannt, gedribbelt, geworfen oder geschlagen wird. Dennoch unterziehen sich die Spieler natürlich auch sehr fordernden physischen Trainingseinheiten und haben psychische Belastungen, wie Profis in vom DOSB anerkannten Sportarten eben auch. Es gibt viel körperliches Training, regelmäßige Gespräche mit Sportpsychologen sowie Einzel- und Teamtraining.

SKGaming und der 1. FC Köln kooperieren in Zukunft im Bereich E-Sport

Foto: 1. FC Köln

Viele hängen sich immer noch an dem Begriff “Sport” in “E-Sport” auf und diskutieren über den Grundcharakter dessen, was Sport eigentlich ausmache – ob das nun die Wettkampforientierung einer Disziplin ist oder wie viel Bewegung tatsächlich vorhanden sein muss, damit Sport als “Sport” gelten kann. Bungeejumping wird beispielsweise auch als Extremsport betitelt, obwohl man sich dort “lediglich fallen lässt”. Der Begriff wird also nur sehr schwammig definiert und verwendet, weshalb die Diskussionen darüber sicherlich weitergehen werden. Deswegen hat man sich vermutlich auch für die VBL auf den Begriff E-Football zurückgezogen, was ich persönlich etwas schade finde.

Es gibt ja leider noch keine sonderlich große Akzeptanz von E-Sport in traditionellen deutschen Sportvereinen.

Was hältst du von der neuen Virtuellen Bundesliga (VBL), bei der die “FIFA”-Teams von 22 Erst- und Zweitligisten der Fußball-Ligen gegeneinander antreten werden?

Ich finde es sehr gut, dass es die VBL gibt und sich 22 traditionelle Sportvereine dazu bereit erklärt haben, bei diesem Experiment mitzumachen. Denn es ist nicht abschätzbar, wie viele Leute sich dafür interessieren werden und wie viele nicht. Es gibt ja leider noch keine sonderlich große Akzeptanz von E-Sport in traditionellen deutschen Sportvereinen. Das könnte sich durch diese Initiative ändern. Auch wenn es noch viele Fußballvereine gibt, die noch nicht dabei sind oder gar solche wie den FC Bayern, die eine Beteiligung daran kategorisch ausschließen. Uli Hoeneß sagte mal, solange er etwas zu sagen habe, werde es beim FC Bayern niemals E-Sport geben.

E-Sport-Konsum als großer Vorteil

Die Bundesligamacher sind aber nicht Urheber der Idee, eine “FIFA”-Liga zu eröffnen. Seit 2003 wird bereits eine Deutsche Meisterschaft in “FIFA” ausgetragen –  unter der Obhut der ESL (Electronic Sports League). Interessanterweise wurde der Titel 2019 jedoch aus dem Meisterschaftsbetrieb gestrichen. Als Grund wurde genannt, dass der “FIFA”-Turnierkalender schon voll genug sei. Vermutlich, so meine Interpretation, durch die Etablierung der VBL.

Was bedeutet das für die älteren E-Sport-Teams?

Es ist deshalb schade, dass im Laufe der Jahre gewachsene E-Sport-Vereine, die “FIFA”-Spieler in ihren Betrieb aufgenommen und um Meisterschaften gespielt haben – inklusive intensivem Training, Etablierung von Mannschafts- und Vereinsstrukturen, dem Spielen um Preisgeldern usw. – von der VBL ausgeschlossen sind. Ihnen wurde die Möglichkeit, wie bislang auch um die Meisterschaft mitzuspielen, genommen. Spieler, die um die Meisterschaft mitspielen wollen, müssen nun zwangsweise den Verein wechseln, um das nach wie vor tun zu können. Meiner Meinung nach hätten in der VBL die etablierten E-Sport-Vereine auch mitspielen sollen. Immerhin gibt es als kleines Trostpflaster eine Qualifizierungsmöglichkeit für alle Vereine für die kommenden Saisons. Schade bleibt es trotzdem.

Kann ich mir die Spiele der VBL denn “einfach so” ansehen oder muss ich das Spiel dafür besitzen?

Nein, man muss das Spiel nicht besitzen. Man wirft den Stream an und schaut sich die Spiele an, meistens über die im E-Sport sehr beliebte Streamingplattform “twitch”. Das ist auch, vergleichsweise, ein wahrer Luxus im E-Sport, denn nahezu alle Events werden kostenfrei im Internet übertragen. Auf der Seite der VBL kann man direkt in der Matchübersicht sehen, welche Partie gerade übertragen wird. Ich habe mir gestern beispielsweise mir ein Spiel zwischen 1. Borussia-E-Sports und dem VfL Bochum angeschaut. Da muss man nicht, wie etwa bei Sky, für die Übertragungen bezahlen. Zudem besteht die Möglichkeit, sich alle Spiele im Video on Demand (Re-Live, Anm. d. Red.) anzusehen. Diese Flexibilität kennen viele Anhänger anderer, traditioneller Sportarten nicht oder nur selten.

Auf der nächsten Seite: Zukunftsprognosen und Potenziale.

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