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Nachspiel

Der 1. FC Köln verliert mit 1:2 gegen Leverkusen: Anatomie einer unverdienten Niederlage

Ein abgefälschter Freistoß und ein schneller Konter besiegelten die 1:2-Heimniederlage des 1. FC Köln gegen Bayer Leverkusen. Diese zwei Szenen brachten die Kölner um den verdienten Lohn für eine ausgezeichnete Spielleistung.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Thomas Kessler musste am Mittwochabend eine Pflicht erfüllen, die gewiss von keinem im Profifußball Verantwortlichen als vergnügungssteuerpflichtig empfunden wird: Er musste eine Niederlage erklären. Eine Niederlage zudem, die – wie Kessler betonte – gleichermaßen unglücklich wie unverdient war, denn nach allen Parametern des Spiels hätte sein Team, der 1. FC Köln, als Sieger vom Platz gehen müssen. Die Mannschaft war fast mit 126 Kilometern fast vier Kilometer mehr gelaufen als der Gegner, hatte ein mit 6:2-Torgelegenheiten deutliches Chancenplus und war über 94 Spielminuten das spielbestimmende Team.

Ein Konter ins Herz des 1. FC Köln

Und doch hatten zwei Szenen genügt, um die Kölner mit leeren Händen dastehen zu lassen: ein abgefälschter Freistoß und ein Konter von Bayer in der 71. Spielminute. Und genau darauf bezog sich der Sportliche Leiter der Lizenzspielerabteilung des 1. FC Köln: “Wir verlieren den Ball in einer aussichtsreichen Angriffsposition und dann müssen wir einfach ein bisschen cleverer sein und das taktische Foul ziehen,” sagte er nach dem Spiel. Was er damit meinte, bezeichnet man im Mutterland des Fair Play, in England, ein wenig euphemistisch als “professional foul”. Keine Blutgrätsche, kein überhartes Einsteigen, nein, ein vergleichsweise harmloses Vergehen, um zu verhindern, dass der Gegner in eine Position kommt, die das Potenzial hat, zu einem Gegentor zu führen.

“Wir verlieren den Ball in einer aussichtsreichen Angriffsposition und dann müssen wir einfach ein bisschen cleverer sein und das taktische Foul ziehen.” (Thomas Kessler)

Kessler nennt keinen Namen und doch wusste jeder der konzentriert zuhörenden Journalisten, wer gemeint war. Kingsley Schindler, nach einer Stunde für den verletzten Kölner Torschützen Benno Schmitz ins Spiel gekommen, hätte die Möglichkeit gehabt, Moussa Diaby auf seinem Weg zum Leverkusener 2:1 zu stoppen. Ein Zupfer am Trikot des Franzosen hätte wahrscheinlich genügt, ein leichtes Halten, vielleicht auch ein kleiner Schubser, um Diaby aus dem Rhythmus zu bringen.

Kingsley Schindler – an entscheidenden Szenen beteiligt

Kingsley Schindler tat nichts davon. Warum? Keiner weiß es. War es der Sportsgeist des 29jährigen Kölners, der ihn nicht zu einem unfairen Mittel greifen ließ? War er von der Schnelligkeit Diabys überrascht und hatte einfach keine Zeit mehr zu reagieren? Oder dachte er in diesem Augenblick vielleicht an die Szene in der 65. Minute, als er einen Freistoß von Amiri so unglücklich abfälschte, dass der Ball zum 1:1 ins Netz ging? Wir wissen es nicht.

Tatsache ist, dass dieser einzige Angriff, in dem die Werkself aus Leverkusen so etwas wie Klasse unter Beweis stellte, ausreichte, um das Ergebnis zu drehen und den Leverkusenern drei ausgesprochen glückliche Punkte zu bescheren. Auf der PK nach dem Spiel lobte Xabi Alonso die Moral, die sein Team nach der Pause gezeigt hatte. So mancher der anwesenden Journalisten hob bei dieser Aussage die Augenbrauen. Moral, nun ja. Glückliche Fügung trifft es wohl eher.

Und Kingsley Schindler? Obwohl er nur etwas mehr als 30 Minuten auf dem Platz stand, war er in gewisser Hinsicht “der Mann des Spiels”. Denn außer seiner Beteiligung an den beiden Treffern des Gegners schlug er in der 82. Spielminute die Flanke, die zum Kölner Ausgleich hätte führen können. Doch Steffen Tigges’ Kopfball, den Lukas Hradecky im Leverkusener Tor noch leicht berührte, traf nur die Latte des Leverkusener Tores.

Ein überragender Lukas Hradecky im Tor von Bayer

Überhaupt Hradecky! In so manchem Spiel der laufenden Saison mit seinen Fehlern für Gegentore verantwortlich, bot er gegen den 1. FC Köln eine ausgezeichnete Leistung. So verwehrte er Sargis Adamyans Versuch in der 7. Spielminute mit einer gekonnten Flugparade einen Treffer, versagte Jonas Hector ein Traumtor, als er seinen Gewaltschuss an die Latte abfälschte (49.) und lenkte eine Minute später Adamyans Flachschuss mit den Fingerspitzen gerade noch um den Pfosten.

Benno Schmitz erzielt die Führung für den 1. FC Köln im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Geschlagen geben musste er sich nur einmal, bei Benno Schmitz’ Traumvolley, mit dem dieser die Kölner nach 33 Minuten in Führung gebracht hatte. Ansonsten parierte Hradecky alles und hielt Bayer mit seinen Paraden im Spiel. Und sein Gegenüber, Marvin Schwäbe? Der musste zweimal den Ball aus dem Netz holen und blieb ansonsten beschäftigungslos. Soviel zur gestrigen Chancenverteilung.

Eine tolle Leistung des FC – leider ohne Ertrag

Die Spieler des 1. FC Köln waren nach Schlusspfiff enttäuscht, gefrustet und haderten mit dem Fußballgott. Die meisten hatten alles, aber auch wirklich alles aus sich herausgeholt, waren gelaufen, gegrätscht, hatten dem hochkarätig besetzten Gegner Paroli geboten. Ob Nikola Soldo und Luca Kilian in der Innenverteidigung, das Mittelfeld mit Ellyes Skhiri, Eric Martel und Denis Huseinbasic oder Florian Kainz und Linton Maina in der Offensive. Und so konnte auch Steffen Baumgart der Leistung seines Teams einiges an Positivem abgewinnen: “Die Jungs spielen sehr guten Fußball und geben alles. Darauf lässt sich aufbauen,” sagte er nach der Partie.

Die Jungs spielen sehr guten Fußball und geben alles. Darauf lässt sich aufbauen. (Steffen Baumgart)

Dazu noch Jonas Hector, der nachdrücklich aufzeigte, wie unersetzlich seine Ruhe am Ball, seine Läufe auf der linken Außenbahn und ganz einfach seine Anwesenheit auf dem Platz für das Team von Steffen Baumgart ist. All dies hatte nicht gereicht, ein Leverkusener Konter, der – so fair muss man sein – perfekt ausgespielt wurde, verhinderte, dass die Kölner das letzte Heimspiel vor der WM-Pause mit Zählbarem beenden konnten. Verdient gehabt hätten sie es, so die einhellige Meinung auch von neutralen Beobachtern nach der Partie.

Ausblick: Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin

Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin – dieser Schlachtruf wird den Spielern des 1. FC Köln nur ein müdes Lächeln abringen können. Zum letzten Spiel in diesem Kalenderjahr reisen sie am Samstag (15.30 Uhr) in die Bundeshauptstadt, um dort mit Hertha BSC die Klingen zu kreuzen. Auch die Berliner hatten ein Negativerlebnis zu verarbeiten, kassierten sie doch den Treffer zur 1:2-Niederlage beim VfB Stuttgart in der letzten Minute der Nachspielzeit.

Jan Thielmann erzielt das 3:1 beim Auswärtssieg in Berlin am 9. Januar 2022 (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Steffen Baumgart wird bis dahin etwas tun müssen, in dem er in letzter Zeit einige Übung besitzt: seine Spieler aufrichten, sie dazu zu motivieren, die Köpfe wieder hochzunehmen und am Samstag ein letztes Mal alles daran zu setzen, den bisher erreichten 17 Punkten ein oder drei Zähler hinzuzufügen. Mit welchem Personal er dabei rechnen kann, wird sich zeigen müssen. Benno Schmitz musste gestern verletzt ausgewechselt werden, Jan Thielmanns Kopf wird von einem Zusammenprall kurz vor Schluss der Partie gegen Bayer schmerzen und ob Timo Hübers nach dem heftigen Pferdekuss aus dem Nizza-Spiel einsatzfähig sein wird, erscheint fraglich. Sei’s drum: Kräfte bündeln und das Herz in die Hand nehmen, damit Berlin eine Reise wert sein wird – für den Tross des 1. FC Köln.

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