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Nachspiel

Donnerwetter, effzeh!

Mördersonne, Blitze, Donner und riesige Hagelkörner können den beeindruckenden 1. FC Köln nicht stoppen. Stögers Mannen überraschen und trotzen beim ersten Auftritt Wind und Wetter.

Foto: Norbert Schmidt/AFP/Getty Images

So ein wenig Mitleid konnte beim Anblick des mitten in der Sonne befindlichen Rasenplatzes im RheinEnergie Stadion doch aufkommen um 15:29 Uhr. Unten war der in der Bundesliga noch relativ unerfahrene Schiedsrichter Patrick Ittrich gerade im Begriff eine Partie anzupfeifen, die sich mehr als 100 Minuten später als denkwürdig herausstellen sollte.

Der Ottonormalfan hatte zu dieser Zeit schon mit etlichen temperaturbedingten Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, wie zum Beispiel mit drückend heißen und von Schweiß nur triefenden Bahnfahrten oder den unendlich langen Schlangen an den Stadionbuden, die von außen mit toller, neuer Büdchen-Optik glänzten, von innen aber das alte Chaos offenbarten. Die Oberrangbesucher höheren Semesters keuchten noch vom quälend langen Gang über die steilen Stadiontreppen. Den armen Spielern auf dem Feld standen da erst noch mindestens 90 Minuten Hochleistungssport bevor.

Von Sommermüdigkeit war dann aber gerade auf Kölner Seite nichts mehr zu spüren. Eine langsamere Gangart angesichts der 35 Grad im prallen Sonnenschein? Mitnichten! Noch eine Stunde, bevor sich auch klimatisch ein Donnerwetter anbahnte, brannte der 1. FC Köln eines auf den Rasen. Ohne Rücksicht auf überhitzte Motoren wurde von der ersten Minute an Vollgas gegeben. Schon nach nicht einmal zwei Minuten hatte Leonardo Bittencourt die erste Riesenchance des Spiels, als er mit einem Flachschuss am herausstürmenden Darmstädter Keeper Esser scheiterte. Eine Minute später rauschte bereits ein Flachschuss von Artjoms Rudnevs an den Innenpfosten, womit sich die beiden Hauptprotagonisten des kölschen Sturmlaufs bereits früh gezeigt hatten. [perfectpullquote align=”left” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]Eine langsamere Gangart angesichts der 35 Grad im prallen Sonnenschein? Mitnichten! Noch eine Stunde, bevor sich auch klimatisch ein Donnerwetter anbahnte, brannte der 1. FC Köln eines auf den Rasen.[/perfectpullquote]

Hier der in Leipzig geborene Flügelflitzer, der an jenem heißen Sommertag wohl an seine Wurzeln des auf den heißen Böden Rio de Janeiros geborenen Papas Franklin dachte und unentwegt das Grün herauf und herunterrannte, wobei er zahlreiche Chancen einleitete oder (leider so unglücklich wie in der letzten Saison) abschloss. Dort die enorm kritische beäugte lettische Neuverpflichtung, die ähnlich wie der deutsch-brasilianische Kollege ohne Pause lief und lief. Mit Ball, ohne Ball. Vornehmlich im Pressing. Und die zu überzeugen wusste mit überraschend sauberer Technik sowie einer großen Portion Dynamik.

Leo, der Slalomdribbler

Jene beiden waren dann auch der Ausgangspunkt für den – janz jeck im Sunnesching – schon in der elften Minute einsetzenden Führungstreffer. Nachdem der effzeh zehn Minuten lang das Gaspedal im Anschlag hatte, waren die Südhessen auf der Gegenseite bereits derart verwirrt und aus der Puste, dass sie erst einen schnell ausgeführten Einwurf von Rudnevs nicht abdeckten und sich dann zu viert im Strafraum von Leo dem Slalomdribbler in feinster Manier austanzen ließen, ehe dieser flach in die Mitte ablegte, wo Marcel Risse leichtes Spiel hatte und locker zum 1:0 einschob. Selten hat die obligatorische Bierdusche auf den Rängen derart gut getan.

Statt im Anschluss – ganz deutsch – das Handtuch verfrüht auf den Liegestuhl zu legen und die gegnerischen Poolgänger kommen zu lassen, lieferten sich Stögers Mannen auf dem Feld ein Duell mit dem Wetter um die Frage, wer denn mehr drückte. So rannte der effzeh weiter derart beeindruckend an, dass man sich beinahe Sorgen machen musste über diese Mannschaft, welche die Jahre zuvor doch vor allem dank ihrer abwartenden Spielweise erfolgreich war. Fünf Minuten nach dem Führungstreffer scheiterte Bittencourt erneut per Weitschuss, nach knapp 20 Minuten hätte Anthony Modeste beinahe zur Führung eingenickt.

Erst nach einer halben Stunde, als auch Schiedsrichter Ittrich in Sorge um das Wohl beider Teams eine Trinkpause anberaumt hatte, holte die Elf auf dem Feld Luft. Und mit ihr das Stadion. Weil bei Darmstadt der wild an der Seitenlinie herumhüpfende Norbert Meier der aktivste Mann auf dem Feld war, passierte auch nur dann etwas, wenn der 1. FC Köln sich in die Offensive einschaltete.

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Leever Jott, jev uns Wasser

Das geschah dann mit Anpfiff der zweiten Hälfte wieder. Während am Himmel dunkle Wolken aufzogen und die ersten leichten Windzüge durch die drückende Luft streiften, fegte der effzeh auf dem Feld wieder wie ein Wirbelsturm. Dabei vergab der nimmermüde Bittencourt zwei weitere Großchancen, ehe auch Rudnevs nach 56 Minuten eine Hector-Flanke um Haaresbreite verpasste. Die Sonne hatte ihr Duell gegen den immer weiter drückenden effzeh da schon längst aufgegeben und kurz nach der riesigen Gelegenheit für den Letten rumorte es am Himmel gewaltig. Ein Blitz und ein lautes Donnergrollen zwang Schiedsrichter Ittrich die beiden Teams nach 56 Minuten in die Kabine zu schicken.

Im engen Viereck ließ man sich davon nicht unterkriegen. Während die Spieler voller Ungewissheit in der Kabine parkten, wurde im Stadion der leeve Jott um frische Wasserzufuhr besungen. Weil die Gästefans nicht über derlei kreatives und zugleich traditionelles Liedgut verfügten, um sich eine derart kurze Pause zu vertreiben, zündelten sie stattdessen ein wenig vor sich her.

Als beide Mannschaften nach der gut zehnminütigen Unwetterunterbrechung schließlich aufs Feld kamen, hätte der gemeine Fußball-Aphoristiker wohl einen Wendepunkt heraufbeschworen, denn der effzeh hätte zu diesem Zeitpunkt schon ohne Probleme mit drei oder vier Toren Vorsprung führen können und bekanntlich fällt ja der Treffer auf der anderen Seite, wenn du ihn denn selbst nicht machst.

Heute kann es regnen, stürmen oder schneien

Doch weder Stammtischparolen noch die Mördersonne noch Blitze und Donner noch tischtennisballgroße Hagelkörner konnten den 1. FC Köln an diesem Nachmittag aufhalten. Bereits fünf Minuten nach Wiederanpfiff zappelte die Kugel endgültig zum zweiten Mal im Netz. Anthony Modeste hatte sich bei einem Zweikampf im Mittelfeld verletzt, humpelte und taumelte dann wieder langsam über das Feld, um nur fünf Sekunden später schließlich eine Rudnevs-Schlanke (Mischung aus Schuss und Flanke) aus kürzester Distanz über die Linie zu drücken. Klasse-Stürmer eben. Hätten die Chinesen sowieso nicht so viel Spaß dran.

Foto: Norbert Schmidt/AFP/Getty Images)

Foto: Norbert Schmidt/AFP/Getty Images)

Den Rest der Partie ließ Stögers Team dann tatsächlich wohlverdient daherplätschern. Während sich Sonne, Donner, Hagel und Regen abwechselten, tauschte der österreichische Übungsleiter mit Bittencourt, Rudnevs und Modeste nach und nach seine offensiven Eckpfeiler aus, sodass der Schwung der vorherigen Stunde verloren ging. Stattdessen durfte Timo Horn, als er im Eins-gegen-Eins einen Schuss von Sirigu glänzend parierte, schließlich noch einmal beweisen, dass er die Silbermedaille von Rio und die goldene Ehrenstecknadel der Stadt Köln des glorreichen 1. FC Köln nicht nur fürs Dummimtorstehen erhält.

Ansonsten stand hinten aber sicher die Null gegen gänzlich harmlose Darmstädter. Wechselhaft war an diesem Samstagnachmittag in Köln Müngersdorf nur das Wetter, der effzeh legte dagegen vor ausverkauftem Haus eine beeindruckend konstante Vorstellung hin. Und ganz tief in uns drin wissen wir nach diesem Spiel, dass ein erster Spieltag nicht immer die höchste Aussagekraft für den Rest der Saison besitzt und gerade die Tabelle nicht immer die wahren Kräfteverhältnisse widerspiegelt, doch wir haben ja irgendwie auch eine Informationspflicht und wollten deswegen lediglich informieren, dass es in zwei Wochen zum Duell der Bayern-Verfolger kommt. Köln in Wolfsburg. Call it a Topspiel.

Und sonst so?

  • Wenig überraschend begann der effzeh im 4-4-2 mit Modeste und Rudnevs im Sturm. Dafür gab es aber eine Überraschung in der Verteidigung, wo nicht nur Hector für den kurzfristig verletzten Rausch als Linksverteidiger einsprang, sondern auch Mavraj anstelle von Heintz in der Mitte begann, während Sörensen für Risse rechts verteidigte und dort einen bärenstarken Job machte. So kam schließlich auch Neuzugang Höger neben Lehmann zum Startelfeinsatz.
  • Innenverteidiger Dominic Maroh, der bis dahin im Verbund mit Mergim Mavraj einen starken Job gemacht hatte, verletzte sich kurz vor dem Abpfiff übel, als er im Strafraum mit Darmstadt-Keeper Esser kollidierte und mit starken Schmerzen per Trage vom Feld transportiert werden musste. Er hat sich einen doppelten Rippenbruch zugezogen und wird dem effzeh auf unbestimmte Zeit fehlen.
  • Die Stimmung beim ersten Saisonspiel war stark. Noch Minuten nach dem Anpfiff wurde die Mannschaft nach vorne gepeitscht, auch die Unwetterpause ließ die Gesänge nicht verstummen. Die Spielweise des effzeh gab dieses Mal aber auch Anlass zur Freude.

Statistik

effzeh: Horn – Sörensen, Maroh, Mavraj, Hector – Höger, Lehmann – Risse, Bittencourt (74. Zoller) – Rudnevs (69. Osako), Modeste (86. Jojic)

SV Darmstadt 98: Esser – Fedetskyy (57. Sirigu), Milosevic, Höhn, Holland – Gondorf, Kleinheisler (86. Oliinyk)- Ben-Hatira (69. Jungwirth), Vrancic, Heller

Tore: 1:0 Risse (11.), 2:0 Modeste (61.)

Gelbe Karten: Maroh, Bittencourt, Zoller – Fedetskyy, Holland, Höhn

Zuschauer: 50.000

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