Nach der kurzen Zeit in Stuttgart zog es Sie zu Girondins Bordeaux nach Frankreich und es kam wieder großer Erfolg. Wie werten Sie diese Zeit?
Nach der Enttäuschung in Stuttgart war es in Frankreich dann natürlich großartig. Dort habe ich mit hervorragenden Fußballspielern zusammengespielt wie Giresse und Tigana. Dazu Marius Tresor hinten drin, ein Bernard Lacombe vorne, das war ja die Creme de la Creme. Das alles hat mich weitergebracht, als Fußballer mit 46 Toren, die ich da in drei Jahren gemacht habe. Aber auch als Mensch, denn man konnte gemütlich ein Glas Wein trinken und hatte auch den Respekt der Menschen dort gewonnen.
Sie haben in der Tat überall ihre Tore gemacht und die Zahlen sind überragend. Nach Frankreich klang die Karriere aber langsam aus …
Von etwa 1973 bis etwa 1985/86 habe ich mein ganz großes Niveau spielen können. Da gab es aber auch mal zwischendurch Probleme, in Köln hatte ich zwischendurch beispielsweise mal die Tuberkulose gehabt. Aber sonst konnte ich ein hohes Niveau in diesem Zeitraum spielen.
Es stellt sich nur die Frage, warum Bundestrainer Helmut Schön das nicht verstanden hat?
Ja, es gab einen großen Konkurrenzkampf, weil nicht nur einer oder maximal zwei Spieler – so wie heute – die Position des Mittelstürmers spielen konnten. Damals gab es Hrubesch, Klaus Fischer, Rummenigge und viele andere. Es war auch ein bisschen Pech dabei. Bei der Europameisterschaft 1976 schießt Hoeness den Elfmeter drüber, wirst du da stattdessen aber Europameister, hast du gleich ein anderes Standing. Dann habe ich 1978 eine irgendwie komische WM gehabt. Ich bin aber dennoch dankbar und ob ich jetzt dreißig oder vierzig Länderspiele oder zwölf Länderspiele habe, das ist doch im Leben gar nicht so wichtig.
Privat haben Sie ja auch vieles erleben müssen, den Tod Ihres Sohnes haben Sie eben angesprochen. Warum haben Sie es von sich aus im Buch thematisiert?
Es gibt viele Menschen, die so etwas erlebt haben, die verbittert sind. Nun habe ich mich ja mit Glaubensfragen beschäftigt, mit Religionen. Ich hatte fünfzehn tolle Jahre mit meinem Sohn, auch wenn wir teilweise getrennt lebten. Wir hatten aber ein ganz, ganz enges Verhältnis. Nach seinem Tod, da war es dann zwei Jahre lang brutal schwierig, da habe ich auch zu viel getrunken. Es gab viele melancholische Momente, aus denen ich mich natürlich versucht habe herauszuholen. Im Buch habe ich ja geschrieben: Das Schicksal kann ein mieser Verräter sein. Aber ich bin ja nicht alleine auf der Welt, es gibt viele Schicksale. Ich habe halt versucht, diese Extreme darzustellen.
Dieter Müller mit seiner Frau Johanna | Foto: Christof Koepsel/Getty Images for DFB
2012 hatten Sie dann den Herzinfarkt und gelten ja fast schon als medizinisches Wunder, weil ihr Herz 31 Minuten stillstand …
Ja, das stimmt. Goethe hat mal gesagt: „Nach dem Gesetz, wonach du angetreten. So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen“. Da ist viel drin, es sollte halt nicht sein. Das war Glück, dass meine Frau nach Hause kam, mich fand und nach dem sofortigen Notruf einen kompetenten Mann am Hörer hatte, der sie beruhigt hat und von den Maßnahmen her alles richtig gemacht wurde. Das ist dann auch viel Schicksal und auch Glück, dass minimale Entscheidungen in dem durchgreifenden Augenblick die richtigen waren.
Herr Müller, auch wenn ich jetzt noch drei Stunden mit Ihnen reden möchte … aber die Leute sollen ja ihr Buch lesen. Also danke ich Ihnen vielmals und wünsche Ihnen alles Gute und vor allem Gesundheit.
Vielen Dank und alles Gute.