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Nachspiel

Die Definition von unnötig

Fast gewonnen, aber eben nur fast. Es ist der Satz der Saison des 1. FC Köln. Auch gegen den Tabellenführer das altbekannte Bild.

© effzeh.com

Warum macht der FC das eigentlich so gerne? Und warum macht er das gefühlt zehn Mal mehr als alle anderen Vereine in allen Fußballligen der Welt auf einmal? Gewinnen. Und dann doch nicht. Hoffen lassen. Hoffnung sterben lassen. Versagen in den entscheidenden Momenten. Ich fordere hiermit eine Statistik, die einwandfrei belegt: Der FC quält seine Fans besonders gerne! Die gibt es irgendwo. Da bin ich mir sicher. Ich glaube ja, meine Mitmenschen wissen schon, auch wenn sie keinerlei Ahnung von Sport haben, wann der FC gespielt hat. Da schüttel ich in 50 Prozent der Fälle verwirrt den Kopf, weil ich es nicht fassen kann.

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Was war passiert? Es war so einer dieser schmuddeligen Wintertage, wo man sich mit der ersten gespielten Minute nichts sehnlicher wünscht als eine warme Decke, eine noch wärmere Couch und einen gar heißen Glühwein. Zumindest auf Letzteren konnte ich im Stadion zurückgreifen. War ja zum Glück kein Problemspiel. Es war so ein Abend, an dem die ganze Feuchtigkeit und Kälte ganz langsam von unten in die Füße zieht und irgendwann den ganzen Körper einnimmt.

Da helfen auch 35 Zwiebelschichten dickster Winterkleidung nicht. Da hilft nur ein zauberhaftes Spiel. So eines, das einen vergessen lässt, dass die Zehen schon längst nur noch aus Eis bestehen. So eines, wo eine Mannschaft erst einmal leidenschaftlich einem unverdienten Rückstand hinterherläuft, vom Schiedsrichter benachteiligt wird (im Stadion reicht es auch, wenn man denkt, dass man vom Schiedsrichter benachteiligt wird), sich zurückkämpft, alle in den Bann reißt, das Spiel dreht und gewinnt. Ach ja, da wird einem ganz warm ums Herz. Das spürt man die Kälte nicht mehr. Wie schön, dass der FC meine ganz persönliche Checkliste gegen kalte Füße streberhaft abgearbeitet hatte. Fast jedenfalls, fast.

Ausgangslage

Der Spitzenreiter traf auf den Tabellenzehnten, da sollte wohl jedem klar sein, wer da Favorit war: Der Tabellenzehnte. Zumal ja das gesamte Umfeld seit zwei Wochen von nichts Anderem mehr redete als dem direkten Wiederaufstieg, der plötzlich in so greifbare Nähe gerückt war. Halt.

Der FC empfing die Eintracht aus Braunschweig mit der Empfehlung nur eines der letzten 12 Spiele verloren zu haben. Doch Braunschweig musste wahrlich nicht mit schlotternden Knien anreisen, schließlich beendeten sie eine fantastische Hinrunde mit 40 Punkten auf Platz 1. Den Weg ebnete ein 1:0 am ersten Spieltag gegen den 1. FC Köln. Ein schmeichelhaftes 1:0, begünstigt durch einen einzigen, schwerwiegenden, individuellen Fehler. Der Sieg gegen die schier übermächtigen Kölner beflügelte die Eintracht so sehr, dass sie nahezu jedes Spiel gewann und den allgemeinen Effzeh-Fan ins Grübeln brachte: “Was wäre gewesen, wenn…”

Nun standen sich beide Mannschaften wieder gegenüber zum Start der Rückrunde, der gar nicht wie der Start der Rückrunde wirkte, weil er ja nur eine Woche nach dem Ende der Hinrunde stattfand. Holger Stanislawski dachte sich dann auch gleich: “Neue Halbserie, neue Formation!” Ohne den verletzten Adil Chihi stellte Stani auf ein sehr variables, offensiv-ausgerichtetes 4-3-3, in dem gerade die Stürmer viel rochierten und so wahlweise ein 4-1-3-2 spielten. In der Abwehr durfte Jonas Hector anstelle von Christian Eichner wieder auf links ran. Davor sollte Matthias Lehmann für den Spielaufbau sorgen. Da dieser darin aber wieder eklatante Schwächen offenbarte, bekam er Mato Jajalo zur Seite gestellt, der sich die Bälle sehr oft in der Abwehr holte und einen 8 1/2 gab. Der Angriff spielte in dieser Form erstmals zusammen: Ujah in der Zentrale, Bröker und Ishak über die Außen. Es klang schon einmal interessant.

Spielverlauf

Als Schiedsrichter Dr. Felix Brych das Spiel angepfiffen hatte, läutete er gleichzeitig zum letzten Mal zwölf Schweigeminuten im Zuge des Fanprotestes ein. Das Spitzenspiel der zweiten Liga war das letzte, bevor die DFL am 12.12. über die Zukunft der Fankultur entscheidet. Stanis Jungs schien das etwas zu beeinflussen, so traten sie zu Beginn leicht gehemmt auf. Jajalo wollte eine Ecke von Lehmann nicht direkt verwerten, auf der Gegenseite ließ die Innenverteidigung in der 5. Minute Kumbela zu viel Platz, was dieser freistehend vor Horn fast mit dem frühen Gegentor bestraft hätte. Doch der Braunschweiger Torjäger traf nur das Außennetz. Danach fing der FC sich aber mit zunehmender Spieldauer, es entwickelten sich noch einige Halbchancen auf beiden Seiten.

Der erste richtig schöne Spielzug des Spiels brachte den Braunschweigern den Führungstreffer. Nach einer Flanke von rechts lupfte Kumbela in der 23. Minute aus kurzer Distanz und spitzem Winkel den Ball unter die Querlatte. Der Keeper sah im ersten Moment etwas unglücklich aus, konnte aber wohl nur wenig am Tor machen. Der zu dieser Zeit gar nicht einmal so unverdiente Führungstreffer rüttelte die Mannschaft wach. Der FC nun mit mehr Zug in den Aktionen. Kurz nach dem Führungstreffer haute Thomas Bröker aus dem Gestocher heraus den Ball mit purer Willenskraft an den rechten Pfosten. Der FC stürmte jetzt auf das Braunschweiger Tor. Hector und Ujah vergaben ebenfalls gute Gelegenheiten, so dass die Führung der Niedersachsen zur Halbzeit doch sehr schmeichelhaft war.

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Nach der Halbzeit knüpfte der FC genau da an, wo er aufgehört hatte. Folglich fiel auch nach nur zwei gespielten Minuten in der zweiten Hälfte der Ausgleich. Clemens fasste sich aus 25 Metern ein Herz und zog ab. Sein Ball flatterte über den verdutzten Davari hinweg ins Eintracht-Tor: 1:1. Doch der FC blieb weiter am Drücker. In einem allgemein sehr ruppigen, rustikalen Spiel mit vielen Fouls ging die Mannschaft keinem Zweikampf aus dem Weg. Das merkt das Publikum in Köln sehr schnell, dementsprechend wurde das Team auch nach vorne gepeitscht. Um die 60. Minute schlug Kumbela nach abgepfiffenem Abseits Maroh die Hand ins Gesicht und erhielt dafür den gelben Karton, viele Zuschauer hätten dafür gerne rot gesehen, wobei die Vergangenheit auch bewiesen hat: So gut ist es für den FC gar nicht, wenn der Gegner in Unterzahl spielt.

15 Minuten vor Schluss brachten die Braunschweiger dann allerdings doch einen Ball nach vorne. Adami drang in den Strafraum ein und wurde unbeholfen von Maroh zu Fall gebracht. Elfmeter und keinerlei Proteste von Kölner Seite. Der war wohl klar. Doch Schütze Pfitzner schien seinen netten Tag zu haben und trat einen Elfmeter, den Horn wohl auch hätte aus dem Tor pusten können. Flach, langsam, ungenau. Horn hielt den Ball fest. Das Stadion kochte! Die Mannschaft opferte sich nun noch mehr auf, drang mit purem Willen auf die Führung. Und die sollte dann auch fallen. Zwei Minuten vor Schluss verwertete Ujah eine Ecke per Kopf. Drin! Trikot aus. Kopf aus. Emotionen. Eskalation. Unter tosendem Applaus nahm Stanislawski Ujah umgehend heraus, um Strobl zum Verwalten der Führung einzuwechseln.Das klappte dann nicht ganz. Als die meisten Zuschauer schon glückselig an eine schöne Weihnachtszeit dachten, waren auch die FC-Spieler in Gedanken noch anderswo. Eine Braunschweiger Ecke in der Nachspielzeit sorgte für mächtiges Gestocher im Strafraum. Daraus spitzelte Bicakcic den Ball dann irgendwie rein. Nichts war es mit wohlig warmen Wangen, Spritzgebäck und Tee – der eiskalte Zweitligaalltag, er hatte ihn wieder erwischt, den FC.

Fazit

Als FC-Fan ist man es ja mittlerweile gewöhnt, solche Schicksale zu durchleiden. Da gibt es Schlimmeres. Neben eiskalten Füßen sollte man also vor allen Dingen mitnehmen, dass der FC gegen eine sehr kompakt stehende Mannschaft eine engagierte und gute Offensivleistung zeigte. Auch wenn es sich wohl für alle Kölner Verantwortlichen wie eine Niederlage anfühlt, so ist sie es definitiv nicht. Die Mannschaft scheint auf dem richtigen Weg. Das neue System verstand die Mannschaft an einigen Stellen noch nicht, offenbarte in der Offensive aber mehr Freiheit und Durchschlagskraft. Der FC scheint für die Rückrunde gerüstet, er hat den Tabellenführer um ein Haar besiegt. Darauf kann das Team in den nächsten Spielen aufbauen. In seiner Entstehung ist das Ergebnis jedoch höchst unnötig. Die Mannschaft hat das Spiel dominiert und hatte den Sack eigentlich schon zugemacht, war am Ende aber nicht konzentriert genug.

Spieler im Fokus

Matthias Lehmann: Er ist so etwas wie Stanislawskis zweite Hand. So wirkt es zumindest. Man fragt sich, warum er das ist. Dass Lehmann kein Edeltechniker mit Hang zum genialen Pass ist, das sollte vorher allgemein bekannt gewesen sein. Lehmanns Stärken sollten in der Zweikampfführung und im Spielaufbau liegen, er sollte der jungen Mannschaft Struktur geben. Gegen Braunschweig schaffte er genau das abermals nicht. Gefühlt jeden zweiten Ball drischt Lehmann nach vorne. Er hatte mit 14 Fehlpässen die meisten aller Spieler. So ist es nur schwer verständlich, dass Strobl wieder fast die gesamte Zeit draußen saß.

Christian Clemens: In manchen Spielen wirkt Clemens ein wenig passiv. Unbeteiligt. Heute war genau das Gegenteil der Fall. Zwar gelang nicht immer alles, gerade die letzte Effektivität fehlte hin und wieder, aber: Clemens hing sich in jeden Zweikampf, er setzte sich stark durch, er holte sich die Bälle auch häufig in der Zentrale ab und war unheimlich präsent. Da ist das sehenswerte Tor nur das i-Tüpfelchen.

Mikael Ishak: Viel Licht und Schatten beim Schweden. Sein stetes Bemühen war zu erkennen und in einigen Aktionen setzte er seinen Körper stark ein. Hatte gute Ideen auf dem Feld, an der Umsetzung haperte es aber häufiger. Tauchte in einigen Phasen einfach unter. Seine Abspiele waren teilweise zu unpräzise, seine Abschlüsse zu hektisch. Doch in Ishak schlummert Potenzial. Er könnte ein Spieler sein, der etwas Anlauf braucht, um aufzublühen.

Jonas Hector: So solide Eichner in seinen letzten Einsätzen auch war, Hector ist ein Fortschritt als Linksverteidiger. Er ist ballsicherer, technisch versierter, schneller und auch zweikampfstärker. War in zwei extrem brenzligen Situationen blitzschnell zur Stelle, verschuldete aber auch die Ecke, die zum Tor führte. Das kann man ihm wohl kaum ankreiden. Nach Bröker die zweitmeisten gewonnen Zweikämpfe (16), zudem eine gute Passquote (36 Pässe/5 Fehlpässe). Das Flanken könnte noch besser werden, aber Hector wächst in die Rolle ja erst hinein.

Stimmen zum Spiel

Thomas Bröker: “Man ärgert sich natürlich maßlos. Das Ding müssen wir über die Zeit bringen und dann gewinnen wir das Spiel natürlich. Das zieht sich leider wie ein roter Faden durch die Saison, dass wir den Sieg zum Greifen nah haben und dann zum Schluss das Ding kriegen. Das ist wirklich schade. Bei vielen wurden nach dem Elfmeter noch ein paar Kräfte frei.”

Dominic Maroh: “Das ist ein knallhartes Ende. Es ist natürlich das, was den Fußball auch auszeichnet, aber sehr bitter, dass er ausgerechnet wieder uns trifft. Wir hätten einen riesigen Sprung machen können und wir haben gefightet ohne Ende. Unter dem Strich kommt leider nur ein Punkt dabei heraus. Beim Elfmeter habe ich mich etwas von der Euphorie leiten lassen, aber es war ein klarer Elfer, normalerweise gehe ich da nicht so rein. Das Ende ist tragisch und tut mir unendlich leid für die Mannschaft.”

Timo Horn: “Ich persönlich und auch die ganze Mannschaft, wir sind enttäuscht, dass wir nicht drei Punkte geholt haben. Nichtsdestotrotz haben wir eine sehr gute Leistung gebracht und das Spiel gegen den Tabellenführer gedreht. Am Ende war es Pech, dass wir nicht drei Punkte mitnehmen konnten. Wenn wir am Freitag nachlegen, sieht es in der Tabelle aber auch nicht schlecht aus.”

1. FC Köln: Horn – Hector, Mc Kenna, Maroh, Brecko – Lehmann – Clemens, Jajalo (85. Matuschyk), Ishak (67. Royer), Bröker – Ujah (90. Strobl)

Eintracht Braunschweig: Davari – Reichel, Dogan (85. Kessel), Bicakcic, Bohl – Vrancic (68. Pfitzner), Theuerkauf – Zhang (76. Edwini-Bonsu), Kruppke – Kumbela, Ademi

Tore: 0:1 Kumbela (23.), 1:1 Clemens (47.), 2:1 Ujah (88.), 2:2 Bicakcic (90.+1)

Gelbe Karten: Dogan, Kumbela – Jajalo, Ujah

Zuschauer: 38.000

Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)

Besonderes Vorkomnis: Horn hält Foulelfmeter von Pfitzner (78.)

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