Ein Torjäger ohne Tore ist wie ein König ohne Reich. So oder so ähnlich muss sich Anthony Modeste gefühlt haben, als er nach dem Schlusspfiff zu Schiedsrichter Marco Fritz humpelte und sich bei ihm für dessen Spielleitung bedankte. Die Blessur hatte er sich in der 90. Spielminute bei der Großchance von Sebastian Andersson zugezogen, irgendetwas im Oberschenkel, hoffentlich nur eine leichte Zerrung. Modeste mag an diese Szene gedacht haben, als er zur Anzeigentafel hochblickte. Sie hatten Chancen gehabt, konnten jedoch keine davon nutzen und so prangte dort oben ein 0:1 als Ergebnis der Partie des 1.FC Köln gegen die TSG Hoffenheim. Er schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht der Abend des Anthony Modeste gewesen und auch nicht der des 1. FC Köln.
Hoffenheimer Chancenplus vor der Halbzeitpause
Die Klänge von John Lennons “Imagine” sowie die Schweigeminute vor der Partie erinnerten daran, des es augenblicklich für viele Menschen um ungleich mehr geht als um drei Punkte in einem Bundesligaspiel. Abgelenkt von diesen Gedanken wurden die Zuschauer durch die 22 Spieler und das Schiedsrichtergespann, die sich auf dem grünen Rasen eingefunden hatten. Sofort nach dem Anstoß der Partie entwickelte sich eine temporeiche Begegnung, in der die Schützlinge von Trainer Sebastian Hoeneß zunächst mit Tempo, Ballfertigkeit und schnellem Passspiel das Heft in die Hand nahmen. So erarbeiteten sie sich auch folgerichtig ein deutliches Chancenplus, alleine Ilhas Bebou scheiterte mehrmals in aussichtsreichen Positionen am eigenen Schusspech, aber auch am beherzten Zupacken von Marvin Schwäbe und Luca Kilian.
Der 1. FC Köln nahm viele Zweikämpfe an, konnte auch eine Reihe wichtiger Ballgewinne verbuchen, kam zunächst aber nicht in aussichtsreiche Abschlusssituationen. So dauerte es bis zur 36. Spielminute, als sich auch die Kölner dem gegnerischen Tor gefährlich nähern konnten. Mark Uths Abschluss ging ans Außennetz und auch Anthony Modeste konnte fünf Minuten später den Ball nicht ins Hoffenheimer Tor bugsieren, nachdem er vom starken Dejan Ljubicic mit einem präzisen Rückpass freigespielt worden war. Torwart Oliver Baumann wäre chancenlos gewesen, da er schon in die ballferne Ecke unterwegs war.
Chancen auf beiden Seiten – doch nur die TSG traf
Die Zuschauer hatten nach der Pause kaum ihre Plätze wieder eingenommen, als Ilhas Bebou freistehend an den rechten Pfosten des von Marvin Schwäbe gehüteten Tores traf – und sicherlich ob der zahlreichen ausgelassenen Chancen die Welt nicht mehr verstand. Eine Viertelstunde später traf Modeste nach Uths Freistoß, allerdings aus klarer Abseitsposition. Die bis dahin verdiente Hoffenheimer Führung erzielte Stefan Posch nur zwei Minuten später, sein Kopfballaufsetzer schlug unhaltbar neben dem rechten Pfosten des Kölner Tores ein. Marvin Schwäbe rettete danach glänzend gegen Andrej Kramaric und hatte Glück, dass Christoph Baumgartner wenig später nur den Pfosten traf.
Ein Kopfball des eingewechselten Sebastian Andersson läutete dann eine wilde Schlussphase ein, in der die Kölner durch Modeste, wiederum Andersson und durch Tim Lemperle dem Ausgleich noch sehr nahe kamen. Das Team von Sebastian Hoeneß wehrte sich verzweifelt, hatte der Lufthoheit des 1. FC Köln im Hoffenheimer Strafraum kaum etwas entgegenzusetzen, brachte den knappen Vorsprung aber mit Glück und Geschick über die Zeit. Der Schlusspfiff von Schiedsrichter Marco Fritz beendete schließlich eine Bundesligapartie der besseren Sorte, die die Hoffenheimer nicht unverdient für sich entscheiden konnten.
Erkenntnisse: Tore sind das Salz in der Suppe
Spiele werden durch Tore entschieden. Gewiss, eine Binsenweisheit und doch wahr. Und Tore erzielt der FC momentan zu wenige, ganze drei in den letzten sechs Heimspielen – und alle drei erzielt von Anthony Modeste. Hat der französische Torjäger eine Ladehemmung, zieht die Torflaute ins Kölner Spiel ein. Natürlich kann man diesen Umstand so lakonisch kommentieren, wie Modeste dies tat: “Es gibt solche Tage wie heute, wo der Ball einfach nicht ins Tor will,” sagte er nach dem Spiel. Schaut man jedoch genauer hin, fällt die Abhängigkeit des 1. FC Köln von ihrem besten Torschützen umso deutlicher auf: Es sind 25 Partien gespielt, nur Modeste hat zweistellig getroffen (15 Tore), unter seinen Mannschaftskollegen gibt es niemanden, der mehr als drei Tore erzielt hat! In den Transferplänen für die neuen Saison sollte dieser Umstand besondere Beachtung finden, denn wer garantiert, dass Modeste auch dann wieder regelmäßig trifft?
“Ich muss sagen, wie meine Jungs gefightet und gemacht haben, war es nicht nur ein hochintensives, sondern auch ein sehr gutes Spiel.” ~Steffen Baumgart
Gewiss, auch das Mittelfeld ist nicht torgefährlich genug, und doch sticht hier schon seit Monaten mit Salih Özcan ein Spieler heraus, dem die meisten dies nie und nimmer zugetraut hatten. Zweikampfstark, passsicher und mit dem Blick für den jeweils besser postierten Mitspieler ist es zur Zeit eine Freude, dem gebürtigen Ehrenfelder zuzuschauen. Was war sonst gut? Marvin Schwäbe im Tor. Souverän, reaktionsschnell, eine Augenweide mit dem Ball am Fuß. Zu den Baustellen, die der FC für die nächste Saison zu bearbeiten hat, gehört er jedenfalls nicht. Und Dejan Ljubicic konnte erneut durch sein immenses Pensum, seine Schnelligkeit und durch so manche gute Vorlage überzeugen. Auch Jannes Horn, der kurzfristig für Jonas Hector einspringen musste, machte eine ordentliche Partie. Steffen Baumgart gefiel die Leistung seiner Mannschaft: “Ich muss sagen, wie meine Jungs gefightet und gemacht haben, war es nicht nur ein hochintensives, sondern auch ein sehr gutes Spiel, ” sagte er nach der Partie. Und doch wird er einiges zu besprechen haben mit seinem Team, das so viele Chancen zuließ und doch nur einen Treffer kassieren musste.
Das nächste Spiel: Ein Derby, das nicht wirklich eines ist
Die Fahrt zum nächsten Auswärtsspiel des 1. FC Köln wird sehr kurz sein. Es geht nur wenige Kilometer in nordöstliche Richtung nach Leverkusen, wo am nächsten Sonntag (15. 30 Uhr) der Champions League-Aspirant Bayer auf Steffen Baumgarts Team wartet. Aus der Sicht der Farbenstädter ein Derby, für die Anhänger des 1. FC Köln gibt es ein solches jedoch ausschließlich gegen die Borussia vom Niederrhein. Die Qualität der Werkself ist allerdings über jeden Zweifel erhaben, sie zu betonen, hieße, Eulen nach Athen zu tragen. Gegenüber dem temporeichen Hoffenheimer Spiel kann man den Leverkusenern zweifellos ein nochmaliges Plus an Geschwindigkeit und Torgefährlichkeit zubilligen.
Und doch reist der FC nicht chancenlos in die schmucklose Nachbarstadt. Gerardo Seoanes Mannschaft muss am späten Donnerstagabend noch in der Europa League bei Atlanta Bergamo antreten, gewiss eine anspruchsvolle Auswärtsaufgabe, bei der es gut sein könnte, dass die Spieler um Jonathan Tah, Florian Wirtz und Moussa Diaby an ihre Leistungsgrenze und möglicherweise sogar darüber hinaus gehen müssen. Zudem könnten Timo Hübner sowie Jonas Hector in der BayArena wieder zur Verfügung stehen und Modestes Blessur sich als wenig schwerwiegend herausstellen. Auch könnte der 1. FC Köln einen Sahne-Tag erwischen. Viele Konjunktive, die erst am Sonntagnachmittag dem Indikativ gewichen sein werden.