Sie hatten alles gegeben. Kilometer um Kilometer waren sie gelaufen, hatten wacker gekämpft. Rafael Czichos saß erschöpft auf dem satten Grün des Kölner Stadions, Salih Özcan hatte die Hände auf seine Knie gestützt, Ismail Jakobs schaute mit leerem Blick in Richtung Anzeigetafel. Dort leuchtete wie zur Bestätigung das Ergebnis auf: 1. FC Köln gegen Bayern München 1:2. Dabei hatten die Kölner es ordentlich gemacht, phasenweise ansehnlich kombiniert und die Bayern zum Schluss sogar ein wenig in Bedrängnis gebracht. Sie waren gut, aber gut war auch gegen müde Bayern nicht gut genug.
Starke Anfangsphase des FC – doch Bayern ging 2:0 in Führung
Wie um den Vorwurf ad absurdum zu führen, dass sie Spiele grundsätzlich schlafmützig beginnen würden, legte Markus Gisdols Team die beste Anfangsviertelstunde der bisherigen Saison hin. Ismail Jakobs und Jannis Horn wirbelten auf der linken, Marius Wolf auf der rechten Flanke. Die Bayern dagegen agierten pomadig und taten sich schwer. Bis zur 13. Spielminute spielten sich Offensivaktionen in erster Linie vor Manuel Neuers Tor ab. Dann segelte ein Flankenball in den Kölner Strafraum, Serge Gnabry köpfte Marius Wolf an, Timo Horn nahm das runde Leder auf.
Alle 22 Akteure machten sich auf den Abschlag des Kölner Keepers bereit, der deswegen unterblieb, weil Schiedsrichter Frank Willenborg zur Überraschung aller Beteiligten auf Elfmeter entschied. Marius Wolf hatte Gnabrys Kopfball an die Hüfte und dann an den Unterarm bekommen. Wie schon gegen Hoffenheim und Frankfurt war dies ein Elfmeter, den man geben kann, aber keineswegs geben muss. Thomas Müller war’s egal, platziert verwandelte er ins rechte Eck – 0:1.
Bis kurz vor der Halbzeit plätscherte das Spiel dahin, die Bayern taten nur das Nötigste, der 1. FC Köln war bemüht – nicht mehr. Dann zog Serge Gnabry auf und davon, umkurvte zwei Kölner Abwehrspieler mit rechts, um dann mit seinem linken Fuß ins Kölner Gehäuse zu treffen – 0:2.
Offensichtlich hatte Hansi Flick seine Bayernspieler in der Kabine darauf aufmerksam gemacht, dass zum Fußballspielen auch das Laufen und Kämpfen gehört. In den ersten zehn Minuten nach der Pause bekamen Mark Gisdols Mannen kaum die Luft zum Atmen, überstanden diese Phase jedoch unbeschadet. Nach einer Stunde wechselte Gisdol aus und Katterbach, Drexler sowie Thielmann ein. Und – es ging so etwas wie ein Ruck durch die Kölner Mannschaft.
Kölner Anschlusstreffer brachte Bayern in Bedrängnis
Ismail Jakobs setzte wiederholt zu seinen Flankenläufen an, im Zentrum erkämpften sich Özcan, Duda und Drexler immer mehr Bälle, von der vorigen Dominanz der Bayern war nun immer weniger zu sehen. In der 81. Spielminute war es dann Jan Thielmann, der eine abgefälschte Flanke in Richtung linkes Toreck schoss, Dominick Drexler fälschte den Ball unhaltbar für Manuel Neuer ab – 1:2.
Die Münchener begriffen nun, dass es noch einmal eng für sie werden könnte, und rissen sich zusammen. Der eingewechselte Toluwalase Arokodare köpfte noch einmal gefährlich auf das Tor der Münchener, dann stand der Sieg der Bayern fest. Sie waren nicht gut, aber gut genug, um wackere Kölner knapp mit 2:1 zu besiegen.
Gutes und weniger Gutes beim 1. FC Köln
Im Gedächtnis werden Jakobs’ rasante Flankenläufe bleiben, Özcans nimmermüder Einsatz in der Zentrale, allerdings auch einige haarsträubende Abspielfehler des U21-Nationalspielers und Ondrej Dudas bis dato beste Leistung im FC-Dress.
Sorgen muss man sich dagegen um Sebastian Andersson machen. Von seinen Auftritten bei Union Berlin kennt man ihn als zweikampfstarken, stets den ersten Verteidiger attackierenden Angreifer und als kopfballstarken Mittelstürmer. Von all diesen Qualitäten sah man am Samstag – nichts. Am Pressing nahm er nur halbherzig teil, verlor fast jeden Zweikampf und war in den allermeisten Kopfballduellen zweiter Sieger.
Man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass seine Kniebeschwerden immer noch nicht vollständig überwunden sind. Bezeichnenderweise wirkte Arokodare – für den Schweden elf Minuten vor Schluss eingewechselt – deutlich griffiger und zwang den Keeper der Bayern noch zu einer Parade. Dies war Andersson in den 79 Minuten zuvor nicht vergönnt gewesen.
Stimmen zum Spiel
Markus Gisdol trauerte dem entgangenen Punkt nach: “Wir hätten heute einen Punkt machen müssen, auch machen können. Da gab es eine blöde Situation, das war der Elfmeter. Die Regel ist so, man sollte sie aber überdenken. Für uns war das bitter nach einer guten Anfangsphase. Da kippt ein Spiel leicht Richtung Bayern. Aber wir sind stabil geblieben. Dann haben wir kurz vor der Halbzeit einen größeren Fehler gemacht. Wir saßen in der Halbzeit und haben uns gesagt: Eigentlich muss es 1:1 stehen. Deshalb haben wir an unserem Plan festgehalten. Wir machen spät das 2:1, dann haben wir keine Möglichkeit gehabt.”
Sebastiaan Bornauw legte den Fokus auf die heutige Leistung: “Ich denke, wir haben es heute gut gemacht. Sie haben auf jeder Position Weltklasse-Spieler. Wir können auf unsere Leistung heute stolz sein. Natürlich bin ich auch enttäuscht, weil wir etwas hätten mitnehmen können. Heute sollte uns trotzdem Selbstvertrauen für die nächsten Spiele geben.”
“Ich finde, der Elfmeter ist schon eine harte Entscheidung. Kein Bayern-Spieler hat reklamiert. Der Einzige, der es gesehen hat, ist der Schiedsrichter.”
Marius Wolf beschäftigte immer noch die Szene, die zum Elfmeter führte: “Der Ball geht bei der Elfmeter-Szene erst gegen meinen Bauch und dann gegen meinen Arm. Ich drehe mich in der Situation weg und sehe ihn nicht kommen. Ich denke nicht, dass mein Arm weit vom Körper weg war. Die Hand geht auf gar keinen Fall zum Ball. Ich finde, der Elfmeter ist schon eine harte Entscheidung. Kein Bayern-Spieler hat reklamiert. Der Einzige, der es gesehen hat, ist der Schiedsrichter. Aber ich kann es jetzt sowieso nicht mehr ändern. Wir müssen es akzeptieren.”
Am nächsten Freitag gilt es – eine wichtige Partie in Bremen
Am nächsten Freitagabend müssen die Kölner im Weserstadion antreten. Sie werden sich an das letzte Spiel der abgelaufenen Saison erinnern, ungerne sicherlich. Sechs Tore haben sie damals kassiert, sich bis auf die Knochen blamiert. Sie haben etwas gutzumachen, aber das alleine wird nicht reichen.
Mit nur zwei mageren Punkten auf der Habenseite wird es nicht genügen, “nur” eine ordentliche Leistung abzuliefern. Zählbares muss her. Dringend. Sonst wird es eng, sehr eng sogar. Für den 1. FC Köln und auch für Trainer Markus Gisdol. Treueschwüre hin, Wertschätzungen seiner Arbeit her: Ihm sollte klar sein, dass Geduld ein flüchtiges Gut mit bisweilen sehr begrenzter Haltbarkeitsdauer ist. Im Fußball sowieso, und da ist auch der 1. FC Köln nicht wirklich anders.