Irgendwie frustrierend war die 0:1-Niederlage gegen den FK Partizan am vergangenen Donnerstag. Man traf auf einen Gegner, den man trotz Schonung diverser Spieler gut und gerne hätte bezwingen und sich eine erstklassige Ausgangsposition in Gruppe D der Europa Conference League hätte verschaffen können und an dessen Defensive man stattdessen nach dem frühem Rückstand nach Standard ein ums andere Mal abprallte. Und jetzt könnte eine Niederlage in Belgrad nächste Woche die Hoffnungen, einen der ersten beiden Plätze in der Gruppe zu belegen, fast schon beenden. Ohne Frage: Auf den 1. FC Köln wartet in Belgrad ein vorentscheidendes europäisches Spiel. Dass jedoch am Geißbockheim an diesem Wochenende auch nur ein Gedanke an dieses kleine Endspiel in Belgrad verschwendet wird, darf jedoch bezweifelt werden.
Dies liegt nicht nur daran, dass die Conference League keine Priorität bei den Verantwortlichen genießt. Für die Fans mag der Europapokal das absolute Highlight der Saison sein, für die Verantwortlichen liegt der Fokus jedoch erkennbar auf der Bundesliga. Und das Trainerteam um Chefcoach Steffen Baumgart lässt mit seinen Aufstellungen auch keinen Zweifel daran, auf welchem Wettbewerb die Priorität liegt, auch wenn Baumgart das Wort B-Elf meidet wie der berühmte Teufel das Weihwasser. Nein, dies liegt auch am Gegner am Sonntag, wo mit einem Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach nichts Geringeres als das Derby ansteht.
Die Rotation gegen Partizan nimmt dem FC die Ausreden
Vielleicht wären die vermutlich entscheidenden Spiele gegen Partizan sogar eine Ausnahme in der Prioritätensetzung gewesen und der ein oder andere A-Spieler wäre aufgelaufen, wenn der Gegner am Wochenende nicht so prominent und auch bei den Fans ein Derbysieg in der Wertigkeit nicht noch ein gutes Stück höher angesehen wäre als ein Spiel im Europapokal. Entsprechend konsequent fiel die Rotation gegen Partizan aus: Ljubičić, Hector, Skhiri, Hübers, Tigges, Hübers und Maina wurden im Gegensatz zum 3:2-Sieg gegen Borussia Dortmund geschont und werden trotz teilweisen Kurzeinsätzen gegen Partizan beim Derby frisch sein. Durchaus vorstellbar, dass Baumgart sogar ganz konsequent alle sieben wieder reinrotiert. Durchaus ein Spiel dem Feuer, sollte der FC gegen Gladbach keine gute Leistung bringen, saft- und kraftlos agieren und das Derby verlieren, werden Fragen nach der Sinnhaftigkeit dieser krassen Rotation laut werden.
Die bisherigen Leistungen nach den Feiertagen im Europapokal allerdings rechtfertigen eine ganz konsequente Rotation und die de-facto Trennung zwischen Conference League und Ligaalltag durchaus: Nach den vier Spielen im Europapokal sind die Kölner bislang noch sieglos und ließen außerdem ihre schwächsten Performances der Saison folgen, auch weil erkennbar streckenweise die Power für den Baumgart-Fußball fehlte. Und bis November bleibt dieses Spiel mit den Kräften ein Balanceakt, denn es folgen nicht weniger als vier weitere englische Wochen bis zur Weltmeisterschaft in Katar. Ein Sieg in Gladbach allerdings, und die Fans würden ihrem 1. FC Köln eine ganze Ladung schlechter Spiele ohne zu zögern verzeihen.
Doch für den Gegner aus Gladbach gilt selbstredend das gleiche, die negativen Effekte einer Derbyniederlage hat der Verein vom Niederrhein erst in jüngerer Vergangenheit zu spüren bekommen: So vermöbelten die Geißböcke die Gladbacher letzte Saison gleich in beiden Aufeinandertreffen. Auch einer der Gründe, warum der für viel Geld aus Frankfurt losgeeiste Adi Hütter nach nur einer Saison seinen Hut packen musste. Und auch für seinen Vorgänger Marco Rose markierte die damalige Derbyniederlage in der Rückrunde 2020/21 den Anfang vom Ende. „Wir wissen schon, dass wir Wiedergutmachungspotenzial haben“, so der jetzige Trainer der Gladbacher Daniel Farke angesprochen auf die jüngere Derbyhistorie.
Farke hat Gladbach wieder in die Spur gebracht
Farke, der nach der 1:5-Niederlage in Bremen letzte Woche positiv auf Corona getestet wurde und erst seit Mittwoch wieder negativ und symptomfrei ist, hat trotz der Klatsche bei Werder die Gladbacher nach den Wirrungen der kurzen Amtszeit von Hütter inklusive des Abgangs von Max Eberl wieder in die Spur gebracht. 12 Punkte und Platz 9 nach 8 Spieltagen klingen zwar nach Mittelmaß, unter anderem der beeindruckende 3:0-Sieg gegen Leipzig vor der Länderspielpause hat allerdings gezeigt, was für ein Potential in der Gladbacher Truppe steckt, die vor zwei Jahren immerhin auch noch im Achtelfinale der Champions League stand.
An diese Zeiten will man mit dem einst unter anderem für den Bonner SC kickenden Übungsleiter wieder anknüpfen. Der 45-jährige Coach steht seit dieser Saison für die Gladbacher an der Seitenlinie und außerdem für ballbesitzorientierten Fußball. Farke will mit einrückenden Flügelspielern und Tempo in die Tiefe gehen und so zum Torerfolg kommen. Ein attraktiver Spielstil, der dritthöchste Expected Goal-Wert hinter Bayern und den Leipzigern gibt Farke dabei bis dato durchaus recht. Außerdem können sich die Gladbacher diese Saison auf einen sicheren Rückhalt verlassen: Keeper Yann Sommer ist beim Fachmagazin „Kicker“ der Notenbeste Gladbacher Spieler, die Seite Footballreference weist Sommer zudem mit 82,7% gehaltenen Bällen bei Schüssen aufs Tor aus, lediglich der Freiburger Torhüter Flekken rangiert über ihm. Und das, obwohl Sommer mit 52 auch die zweitmeisten Bälle auf das Tor bekam, lediglich der Tabellenletzte aus Bochum hat einen höheren Wert.
Dies sind nur zwei Statistiken, die zeigen, dass mit den „Fohlen“ in dieser Saison wieder zu rechnen ist, auch wenn wie beispielsweise beim 1:5 in Bremen noch längst nicht alle Rädchen ineinandergreifen. Für die Kölner beutetet dies, dass sie sich wieder auf ein intensives Spiel einzustellen haben und in der Defensive gefordert werden. Jedenfalls darf man in Köln nicht darauf spekulieren, dass sich die Gladbacher wie in der vergangenen Rückrunde wieder vor eigenem Publikum frühzeitig ergeben und die Waffen strecken. Kann der FC die Offensive um Stindl, Hofmann und Thuram allerdings stoppen und seinerseits den Gladbacher Keeper Sommer überwinden, dann gibt es durchaus eine ordentliche Chance auf den heiß ersehnten Derbysieg.
Sollten die Kölner drei Punkte aus dem Derby entführen, würde man den Spieltag jedenfalls nicht nur wieder auf einem für den Europapokal qualifizierenden Platz abschließen, man hätte sich auch Selbstvertrauen geholt, um am Donnerstag mit breiter Brust in Belgrad antreten zu können und in der Gruppe wieder an Partizan vorbei zu springen. Ein Gedanke jedoch, der am Geißbockheim jedoch frühestens ab Sonntagabend eine Rolle spielt. Bis dahin gilt erst einmal: Alle(s) für den Derbysieg!
So könnte der FC spielen
Schwäbe – Schmitz, Kilian, Hübers, Hector – Skhiri – Maina, Ljubicic, Kainz – Tigges, Adamyan