Grimmig schaute er drein, der Steffen Baumgart, beim Schlusspfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer. Dabei hatte seine Mannschaft beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen einen 0:2-Rückstand egalisiert und so mit dem zweiten Unentschieden bei drei Siegen den Nimbus als viertstärkstes Heimteam der laufenden Bundesligasaison gewahrt. Aber ihn hatte wohl einiges am Auftritt seiner Elf gestört. “In der ersten Hälfte haben wir den Gegner eingeladen. Es ist zum wiederholten Mal passiert, dass wir es unseren Gegnern zu leicht machen”, sollte er hinterher sagen. Auch seine Spieler schienen nicht recht zu wissen, wie sie das Spiel einordnen sollten. Gut, dass sie noch ein Remis geholt hatten, schlecht, dass sie sich von der Werkself in der ersten halben Stunde so herspielen gelassen hatten.
Bayers Passivität bringt die Kölner zurück ins Spiel
In diesen 30 Minuten zeigte Gerardo Seoanes Mannschaft, warum sie als eines der spielstärksten Teams der Liga gilt. Leichtfüßig, mit geschicktem Zweikampfverhalten und hoher Passgenauigkeit und -schärfe ließen sie die Kölner überhaupt nicht ins Spiel kommen, zwangen sie zu Fehlern in Spielaufbau und Abwehrverhalten. So fiel dann auch das 0:1 durch Schick nach Fehlpass Modeste (15.), dem Bellarabi nur zwei Minuten später nach missglückten Abwehrversuchen der Kölner das zweite Tor folgen ließ. Frimpong hätte anschließend den Sack schon zumachen können, als sein Schuss nur die Latte von Timo Horns Gehäuse traf (25.).
“Ich habe sie einfach nur darum gebeten, mal Mut zu haben und sich nicht in die Hose zu machen. Einfach mal klar zu spielen, das zu machen, was wir besprochen haben.”
Danach zeigten die Farbenstädter jedoch ihr zweites Gesicht: Sie richteten sich in ihrer Abwehr ein, wurden von Minute zu Minute passiver und gingen mit ihren Kontern seltsam fahrlässig um. Dem 1. FC Köln erlaubte dies, mehr am Spiel teilzunehmen, Jonas Hectors Distanzschuss, den Hradecky noch so eben um den Pfosten drehen konnte, sollte allerdings bis zur Halbzeit die einzige wirklich gefährliche Torannäherung der Geißböcke bleiben (33.). Steffen Baumgarts Halbzeitpredigt war kurz und schmerzlos. “Ich habe sie einfach nur darum gebeten, mal Mut zu haben und sich nicht in die Hose zu machen. Einfach mal klar zu spielen, das zu machen, was wir besprochen haben,” berichtete er nach dem Spiel. Doch diese knappe Ansage schien auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, denn seine Elf übernahm nun immer mehr die Spielkontrolle.
Nach einer Stunde verschätzte sich Tah bei Hectors Flanke und erlaubte so Anthony Modeste, auf 1:2 zu verkürzen. Die Kölner drängten danach vehement auf den Ausgleich, eröffneten so dem Gegner jedoch auch den Raum zum Kontern, was aber von den Farbenstädtern ungenutzt blieb. Der eingewechselte Kingsley Schindler leitete durch einen weiten Einwurf den Ausgleichstreffer ein, den Modeste nach Kopfballverlängerung durch den ebenfalls eingewechselten Sebastian Andersson per Kopf erzielte. Der Schwede hatte nach einer Ecke noch die Chance zum 3:2, Thielmanns Distanzschuss zischte am linken Toreck der Leverkusener vorbei, der Siegtreffer wollte jedoch nicht mehr gelingen.
Erkenntnisse – Leidenschaft kompensiert fehlende Qualität
Die ersten dreißig Minuten konnten den FC-Fans nur Angst und Bange machen. Zweikampf- und temposchwach, mit ungenauen Pässen den Gegner immer wieder zu Kontern einladend bekamen die Kölner dort nicht den geringsten Zugriff auf das Spiel. Dies wurde erst danach allmählich besser aufgrund des abwartenden Spiels der Bayer-Elf, bei der die sonst so starken Florian Wirtz und Moussa Diaby seltsam blass blieben. Auf Kölner Seite imponierte die Leidenschaft, mit der das Remis erkämpft wurde. Neben dem unermüdlichen Jonas Hector und dem bärenstarken Dejan Ljubicic wusste auch Salih Özcan zu gefallen, der in einer offensiveren Rolle als zuletzt in Hoffenheim agierte und dies vor allem nach der Halbzeit zu zahlreichen Ballgewinnen und einer Reihe erfolgsversprechender Angriffsaktionen nutzte.
In der Spielanalyse wird Steffen Baumgart möglicherweise einen Schwerpunkt auf die Abwehrleistung legen und hierbei besonders das Thema “Restverteidigung” ansprechen. Nicht jeder Gegner wird mit seinen Umschaltsituationen so leichtsinnig umgehen wie die Farbenstädter, hier scheint intensive Trainingsarbeit vonnöten. Hilfreich wäre es zudem, wenn die Defensive einen Torhüter hinter sich wüsste, der bei Schüssen in Kopfhöhe oder auch darüber wie bei Frimpongs Lattentreffer nicht zu Boden gehen, sondern stehen bleiben und die Fäuste hochnehmen würde. Torwarttrainer Uwe Gospodarek sollte dies nicht entgangen sein und es dementsprechend in seine Übungen integrieren.
Der Ausblick – Geldregen oder geplatzte Pokalträume?
Die Aufarbeitung der Partie gegen die Werkself wird eine kurze sein, schon am Mittwochabend (20.45 Uhr) steht das nächste Spiel auf dem Programm – in der 2.Runde des DFB-Pokals geht es zum VfB Stuttgart. Die Bilanz des 1. FC Köln bei den Schwaben ist gar nicht mal so schlecht: Immerhin 14 Auswärtssiege stehen dort zu Buche, allerdings datiert der letzte Erfolg aus der Saison 2015/16. Im Pokal traten die Domstädter bisher viermal in Stuttgart an – und mussten ebenso oft mit einer Niederlage im Gepäck die Heimreise an den Rhein antreten.
Die Elf von Pellegrino Matarazzo wird Aufwind verspüren nach dem Last-Minute-Unentschieden, das sie trotz Unterzahl gegen das starke Team von Union Berlin erreichten. Der VfB kann eine spielstarke, unangenehm zu bespielende Mannschaft aufbieten, der ungeachtet zahlreicher Ausfälle am vorletzten Spieltag ein vielbeachtetes Unentschieden bei Borussia Mönchengladbach gelang. Gegen ein solches Team mit seinen schnellen Offensivkräften Faghir, Marmoush, Coulibaly und Führich könnten sich Abwehrschwächen wie gegen Bayer fatal auswirken und das Aus in diesem Wettbewerb bedeuten. Einem Wettbewerb, der dem 1. FC Köln das bieten könnte, was ihm schon seit Jahren, aber besonders gegenwärtig am meisten fehlt – Geld. Zusätzliches zudem, hat man doch lediglich mit dem Erreichen der 2. Runde kalkuliert. Geldregen oder geplatzte Pokalträume? Schau’n mer mal, würde der Kaiser sagen.