Morgens aufwachen in einem Münchner Hotel und man hat gleich dieses wundervolle Gefühl im Bauch. Noch nicht ganz klar im Kopf wird man sich bewusst, dass gestern etwas ganz außergewöhnliches passiert ist. Langsam fangen sich die Gedanken an zu ordnen. War es die nette Dame an der Bar, die tausend mal schönere Augen hatte als am vormittag, als man sich beim Frübhstück kennelernte? Nein. War es der Mini-Gewinn in der Stadtlotterie beim Bummel duch die Stadt? Nein. Es dämmert, danach ging es raus in die Allianz-Arena. Das Schlauchboot , in dem unser effzeh eine Zeit lang ungeschlagen war, das ist schon fast 10 Jahre her. Da wo man seitdem eigentlich nur hingeht, um die Stimmung der zahlreichen mitgereisten Fans zu genießen und zu hoffen dass sich die Niederlage in Grenzen hält. Und dann macht der Tünn ein Kung-Fu-Ding a la Ibrahimovic und bringt einem dieses Kribbeln im Bauch.
Jetzt, am Sonntagmorgen heißt es, die anderen einsammeln. Also noch mal ab in die Stadt, rein über die Leopoldstraße mit ihren Cafés, Richtung Uni und Feldherrenhalle. Vom Beifahrersitz tönt die Stimme des Kleinen: “Was ist das da, wo wir drauf zu fahren?” – “Das ist das Siegestor.” die Antwort mit einem Lächeln im Gesicht. – “Das hätte der effzeh gestern auch fast gehabt!” Ruhe
Vor dem Spiel
Schlechte Kunde aus Madrid. Die Bayern verlieren ihr Championsleague-Spiel bei Athletico. Nicht gut für die Fünfjahreswertung, die uns ja auch bald interessieren dürfte. Aber überhaupt nicht gut für das anstehende Spiel. Bei den Bayern antreten, die jetzt mal so richtig angestachelt sind? Puh! Monoton wiederholt Stöger die Worte aus den Vorjahren: “Damit in München was zu holen ist, braucht man selbst einen Sahnetag und die Bayern müssen einen schlechten erwischen!” Zum Glück wird die PK nicht im Doppelpass abgehalten, der komplette Transferüberschuss wäre schon alleine wegen dieser Erkenntnis im Phrasenschwein gelandet. Ob man denn hinfährt, um Schadensbegrenzung zu erreichen? Nein, da kann man schon was versuchen, auch wenn die Chancen schlecht stehen. Man hat ja das Selbstbewusstsin aus zehn ungeschlagenen Spielen, saisonübergreifend. Und man habe auch einen Plan. Die eigenen Stärken zum Zuge bringen, die der Bayern auszunutzen versuchen. Und mit dem nötigen Quentchen Glück…
Das Spiel
Beginnt erwartungsgemäß. Robben und Co legen los wie die Feuerwehr. Ballbesitzfußball wie in besten Pep-Zeiten. Die Spieler des effzeh hetzen nur hinterher. Liegt es an der Power des Meisters oder an der Angst des effzeh? Stöger ist es egal, selten hat man ihn so lautstark und fordernd an der Seitenlinie gesehen. Aufrücken, höher verteidigen heißt die Losung des Trainers. Die Bayern halten dagegen. Der vorgesehene Plan wird oder kann nicht so umgesetzt werden wie gewünscht. Trotzdem gibt es keine nennenswerte Torchance. Und das Tor fällt trotzdem, wie aus dem Nichts. Ein kleines Fehlerchen reicht. Risse ist etwas zu optimistisch und verliert den Zweikampf gegen Bernat an der Seitenlinie. Dadurch entsteht Unorndung in der Mitte weil Sörensen rausrücken muss. Das macht er etwas zaghaft und Kimmich wird aus den Augen verloren. Das reicht dem Meister zum Einnetzen. Die drückende Unterlegenheit wurde dann am Ende doch bestraft.
In den Interviews nach dem Spiel war zu hören, dass es in der Halbzeit ausnahmsweise mal etwas lauter in der Kabine war. Es gibt viel zu diskutieren und klarzustellen. Und so kommt der effzeh etwas mutiger aus der Kabine. Nach einigen Halbchancen der Bayern gibt es auch einige für den effzeh. Die beste Chance ist aber auf seiten der Hausherren als Martinez an den Pfosten köpfte und irgendwer im Getümmel den Ball aus der Gefahrenzone kickt. Doch nun kommen die fünfzehn Minuten, die reichen sollen, das Unentschieden letztendlich als verdient bezeichnen zu können. Es beginnt damit, dass Stöger Ozcan und Zoller für Höger und Rausch bringt, damit deutlich ins Risiko geht und ein Zeichen setzt. Und dann passiert es: Risse sichert den Ball nach Pass von Sörensen knapp vor dem Aus an der rechten Seite und bringt eine scharfe Flanke Richtung Strafraum. Neuer ist der Meinung, dass Modeste den Ball aus gefühlten drei Meter Höhe nicht erreichen kann. Allerdings packt der Kölner Stürmer sein Gadgeto-Bein aus und befördert die Kugel mittels Kung-Fu-Tritt gegen die Laufrichtung des Welttorhüters zur Überraschung aller in die Maschen. Noch ein Tor aus dem Nichts!
Jetzt bekommt nicht nur der effzeh sondern das ganze Spiel seine beste Phase. Erst folgt ein Tor aus sehr knappen Abseits von Osako, dann trifft Bernat den Pfosten des Kölner Gehäuses. Nach fünfzehn Minuten beruhigt es sich wieder etwas aber es bleibt rassig und beide Mannschaften haben einige Halbchancen. Timo Horn ist aber wie immer ein sehr sicherer und ruhiger Rückhalt. Zu ruhig, ohne spektakuläre Aktionen, meint so mancher TV-Reporter. Da kommt der Schuss von Thomas Müller gerade recht, den der Kölner Kultkeeper an Latte und Pfosten lenkt. Eine Wahnsinnstat! Und spektakulär! Und dann noch das Momentum, dass Simon Zoller zum Gespräch in Köln für die nächsten 20 Jahre hätte machen können. Der kurz zuvor eingewechselte Rudnevs findet die Schnittestelle zwischen Hummels und Martinez und schickt den schnellen Zoller steil. Der läuft allein auf Manuel Neuer zu und guckt sich die Ecke aus, schiebt den Ball am Welttorhüter vorbei, aber leider auch ein paar Zentimeter am Tor. Das war schon in der Nachspielzeit. Es folgte noch ein harmloser Freistoß der Bayern, Schlusspfiff. Und wie gefühlt im ganzen Spiel hört man nach Schlusspfiff nur die effzeh-Fans!
Nach dem Spiel
Letztes Wiesn-Wochenende. Oktoberfest. Pflichtbesuch. Nicht nur für zahlreiche Fans, auch die halbe Mannschaft bleibt in München und geht wohl am Sonntag etwas feiern. Den Bayern wurden drei Maß versprochen für drei Punkte. Bleiben jetzt ca. 60 Liter Bier ungenutzt. Wir hätten da ja Bedarf, aber Festbier von der Wiesn ist nicht unbedingt unser Favorit. Die Welt ist für die nächsten Tage oder Wochen wieder etwas farbenfroher, fröhlicher, einfacher. Die Mannschaft wird auch an diesem Spiel lernen und wachsen. Wohin eigentlich noch? Das macht schon ein wenig Angst. Trotzdem ist wieder mal ein Zustand erreicht, mit dem es sich wunderbar in die Länderspielpause gehen lässt. Apropos Länderspiel, wann darf der Timo endlich mal? Statistisch die besten Werte der Bundesliga nach Manuel Neuer. Schalke klatscht international alles und ist Letzter dieser Liga. Was ist das für ein Argument, dass Timo die internationale Erfahrung fehlt, Herr Köpke?
Fazit
Das Siegestor steht in München, am Ende der Ludwig- und Anfang der Leopoldstraße. Kann das mal einer dem Simon Zoller sagen?
PS:
Lieber Zolli,
Du hast alles richtig gemacht. Du hast gespielt, damit wir überhaupt eine solche Situation bekommen. Dein Antritt und Laufweg war einmalig, das macht dir so schnell keiner nach. Du hast dir den Manuel ausgeschaut, die richtige Ecke gewählt und beim Abschluss fehlte dir das Glück, das wir hinten schon über Gebühr strapaziert hatten. Weiter so!