Es war in der 82. Minute. Ich war allein mit Sky und meinem Kölsch. Keine Freunde, keine Frau – rein gar nichts. Achtzig Minuten lang saß ich mit meinen „Hennes“ Polo Shirt vor der Kiste und sah mir das Spiel meiner Helden an. Die zweite Hälfte verlief genau so, wie man es vermuten konnte. Die Gäste aus der Lausitz leckten Blut von Minute zu Minute mehr, der effzeh wurde immer unsicherer und das Publikum noch mulmiger. Nach dem 0:1 hätte ich keinen Pfifferling mehr auf meine emotionalen Glücksgefühle gelegt – dann aber kam die besagte 82. Minute. Ich hatte die Faxen dicke, nahm mein Karnevalstrikot aus dem Karton und zog es an. Wenn meine Helden schon nichts auf die Reihe bekamen, so musste wenigstens ich das Letzte aus mir rausholen und wenn es das noch nie benutzte Fanutensil aus dem Geißbockheim war. Ich beschwor alle Fußballgötter der Nation und betete. Einer der Götter musste ein Einsehen haben, anders war das was geschah nicht zu erklären.
Ich atmete tief aus, lehnte mich zurück und war unfassbar erleichtert.
Wie zur Hölle hat man dieses Spiel noch gewinnen können?
Ausgangslage
Stöger nannte es eine Pflichtaufgabe. Alle andern fragten sich auch nur wie hoch der FC den Tabellenletzten aus dem Müngersdorfer schießen mag. Erster gegen Letzter ist in den meisten Fällen eine klare Sache, aber auf mich hört ja keiner. Energie Cottbus zählte für viele vor der Saison zum Mitaufstiegsaspiranten, doch im Laufe der Saison ist so viel schief gelaufen, dass man nun fast zu spät wieder erwacht ist. Qualität haben sie, was auch der Sieg gegen den FCK belegte und man konnte im Erzgebirge Anschauungsunterricht bekommen, wie man den großen FC bespielen kann und an den Rand einer Niederlage bringt. Die Jungs um Jörg Böhme konnten nach dem Heimsieg jedenfalls mit breiter Brust zum Spitzenreiter fahren, der im Jahr 2014 noch nicht an die Form der Hinrunde anknüpfen konnte, aber immerhin mit dem Gefühl eines Comebacks nach 0-2 Rückstand im Rücken Nehmerqualitäten bewies.
Personal
Pitter der Große mischte die obligatorische Startelf nach dem 2:2 in Aue mächtig durch. Als FC Fan traute man seinen Augen kaum: Helmes, Risse, und Gerhardt durften sich zunächst das Treiben von der Bank aus ansehen. Peszko war nach seinem bescheidenen Auftritt im Gebirge und seinem Länderspieleinsatz für Polen unter der Woche gar nicht erst in Stögers Kader. Dafür begannen Ujah, Bröker, Matuschyk und Finne. Cottbus Coach Jörg Böhme spielte mit exakt der Aufstellung, die 1:0- gegen Kaiserslautern gewann.
Spielverlauf
Nach den ersten Minuten des Abtastens fing unser FC langsam an das Heft in die Hand zunehmen, um Druck aufzubauen. Nicht wie in den letzten Spielen wo man die erste Halbzeit fast verschlief, sah es am Freitagabend doch sehr viel engagierter aus. Bröker und Hector machten das auf der rechten Seite ordentlich und von dort kamen aus die meisten gefährlichen Aktionen , Ujah konnte erste Chancen nicht nutzen (4., 12.). Die Lausitzer lauerten in der eigenen Hälfte auf Fehler unserer Helden, um dann zu kontern. Das gelang in der ersten Halbzeit eher mäßig.
Stiepermann deutete mal nach einem Finne-Fehlpass ein Hauch von Gefahr an, scheiterte aber an Timo Horn (14.). Nach 15 Minuten trauten sich die Lausitzer mehr zu und spielten gefälliger nach vorne. Sanogo (21.) und Michel (23.) köpften genau in die Arme vom besten Zweitliga-Keeper, Rivic versuchte sein Glück in der 23. Minute aus der Ferne. Alles in Allem war das alles aber nicht zwingend.
Nach knapp einer halben Stunde hätte der FC in Führung gehen müssen. Halfar spielte den Halfar, also einen sensationellen Pass auf Bart Finne, der aber freistehend an Renno (26.) scheiterte.
Bis zur Pause hätte der FC noch einige Chancen haben können, wenn man sich die bietenden Gelegnehiten cleverer ausgespielt hätte.
Im zweiten Abschnitt bot sich fast das gleiche Bild: Ruut-Wiess hatte mehr Ballbesitz, spielte sich das Leder aber ideenlos hin und her ohne Gefahr auszustrahlen. Cottbus hingegen wurde immer frecher je länger die Partie dauerte. Michel hatte in der 52. Minute die Gäste-Führung auf dem Kopf, Horn hielt aber wieder mal grandios. Stöger musste was tun und so brachte er Helmes für Bröker (57.)
Doch auch das brachte nichts im Gegenteil: Die Lausitzer erarbeiteten sich Chance um Chance. Erst scheiterte Jendrisek aussichtsreich (62.), dann Michel an Horn(63.). Nach einem Stiepermann-Freistoß war es dann soweit. Sanogo köpfte den Ball ins Tor (68.).
Das 1.0 des Tabellenletzten war nichtmals unverdient und die Stimmung im Stadion kippte. Pfiffe tönten durch das Rund, anstatt die Mannschaft nach Vorne zu peitschen. Der FC wurde nervös und es reihten sich einige Fehlpässe aneinander. Kopflos versuchte man sich der Niederlage entgegen zu stemmen mit langem Hafer. Für Energie ergaben sich Räume zum Kontern, Sanogo und Michel hatten in einer Doppelchance die Entscheidung auf dem Fuß, doch Horn und Hector retteten in höchster Not.
Letzterer erzielte dann den glücklichen Ausgleich, als er Renno irgendwie mit einem seltsamen Schuss überwand, wirklich abgefälscht sah das nicht aus, die Flugbahn des Balles ließ es aber erahnen (84.). 60 Sekunden später klärte dann der Linksverteidiger auf der eigenen Torlinie gegen einen Sanogo-Kopfball nach einer Ecke ehe auf der Gegenseite Möhrle eine scharfe Exslager-Hereingabe in die eigenen Maschen lenkte (86.).
Völlig verrückt.
Wenn das ne Krise ist, dann bin ich gerne dabei.
Spieler im Fokus
Jonas Hector: Der dreiundzwanzig Jährige Linksverteidiger war der Spieler des Spiels. Unaufgeregt beackerte er die linke Seite. Rettete zweimal auf der Linie für den schon geschlagenen Timo Horn und brachte den FC zurück ins Spiel durch sein zweites Saisontor. Hector nimmt man oft nicht wahr, er ist aber einer der solidesten Spieler in dieser Saison.
Bart Finne: Es ist zu erahnen warum Jörg Schmadtke sich für den jungen Norweger entschied. Trickreich agil und mit vielen Ideen belebt er das Angriffsspiel der Geißböcke. Allerdings auch mit überhasteten Aktion gerade je länger das Spiel dauerte, die man ihm aber verzeihen muss. Es wird dazu lernen und dann in Zukunft auch so Dinger reinmachen wie in der 26. Minute.
Adam Matuschyk: Wenn das eine Chance war sich zu zeigen, dann hat Adam diese nicht genutzt. Wie ein Fremdkörper wirkte er im Spielaufbau, hinzu kamen die überdurchschnittlich vielen ungenauen Zuspiele. Das kennt man in dieser Form gar nicht vom Polen. Wurde folgerichtig in der zweiten Hälfte ausgetauscht.
Fazit
Okay, nennen wir es beim Wort. Der FC hat gerade eine Krise. Aber eine Schöne! Wo andere Mannschaften verlieren, schafft es der effzeh weiter kontinuierlich zu punkten. Das ist auch eine Qualität.
Natürlich hat das spielerische Niveau etwas nachgelassen und insgesamt wirkt das ganze nicht mehr so leicht wie in den letzten drei Spielen des vergangenen Jahres. Das wird aber wiederkommen, da kann man sich sicher sein. Also einfach mal aufhören zu nölen. Denn wenn das die Krise des 1. FC Köln für dieses Jahr ist, dann kann man davon ausgehen, dass unsere Helden aufsteigen werden.
Ja das kann man! Aufsteigen! Nun nach Lautern und dann zwei leckere Heimspiel. Ach es gab schon schlimmere Zeiten FC-Fan zu sein!
Stimmen zum Spiel
Peter Stöger: „In der ersten Halbzeit hatten wir genügend Möglichkeiten, das Spiel für uns einfacher zu gestalten. Nach dem Gegentor war sehr viel Glück notwendig, um im Spiel zu bleiben. Am Ende sind wir viel Risiko gegangen und haben alles versucht. Von der spielerischen Leichtigkeit sind wir weit entfernt, aber gerade gegen Gegner wie Cottbus ist das sehr, sehr schwer. Wichtig ist, dass die Mannschaft Moral gezeigt hat. Wir haben gut ins Spiel gefunden mit Engagement etc., nach den vergebenen Chancen hat sich etwas Unsicherheit breit gemacht und gerade in dem Moment wo Cottbus gut das 2:0 hätte machen können haben wir zurückgeschlagen. Alles in allem muss ich den Jungs nach den letzten Wochen ein positives Zeugnis ausstellen. Über Jonas Hector zu sprechen ist für mich relativ einfach: ein unglaublich hoch talentierter Linksverteidiger, eigentlich der stabilste Spieler im Kader.“
Jonas Hector: „ In erster Linie bin ich froh, dass wir das Spiel gewonnen haben. Vielleicht merke ich beim Auslaufen dass es ein eher komisches Spiel war. Das war heute schwierig, ein tiefstehender Gegner, der auf Konter lauert.“
Daniel Halfar: „Wir haben wieder mal zwei späte Tore gemacht und nie zurückgesteckt. Ansich haben wir ein gutes Spiel gemacht, zwischendurch die Sicherheit verloren, dann wurden auch die Zuschauer unruhig, aber letztendlich haben wir das Ruder rumgerissen. Wichtig ist, dass wir Moral gezeigt haben. Kaiserslautern wird ein schönes Spiel, Montagabend Flutlicht… auf solche Spiele freut man sich.“
1. FC Köln: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Hector – Lehmann – Finne (75. Exslager), Matuschyk (70. Risse), Halfar, Bröker (57. Helmes) – Ujah
FC Energie Cottbus: Renno – Buljat (81. Svab), Möhrle, Madouni, Bittroff – Banovic (71. Perdedaj) , Stiepermann – Rivic, Michel – Jendrisek (66. Fetsch), Sanogo
Tore: 0:1 Sanogo (67.), 1:1 Hector (84.), 2:1 Möhrle (86., Eigentor)
Gelbe Karten: Halfar (78.) | Rivic (31.), Stiepermann (90.)
Schiedsrichter: Benjamin Brand (Gerolzhofen)
Zuschauer: 42.400