Der 1. FC Köln steckt in der Krise: Ralf Friedrichs macht sich in seinem effzeh.com-Kalenderblatt für den September Sorgen – und sucht nach Gründen.
Was ist los mit dem 1. FC Köln? Vor genau vier Monaten feierte die Stadt, der Verein und seine Anhänger nach der Qualifikation für die Europa League durch Platz fünf quasi eine Dauer-Party. Doch nun, im September 2017, ist die effzeh-Welt anscheinend komplett aus den Fugen geraten. Dabei ist zu beachten, dass dies nicht nur sportlich gemeint ist. Auch im Umfeld knirscht es gewaltig, aber eines nach dem anderen.
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Kommen wir zunächst zum wichtigsten, den sportlichen Part. Nach dem Pokalsieg gegen die Leher Turnerschaft fing sich der 1. FC Köln in der Liga fünf Pleiten in Folge ein, somit steht aktuell der schlechteste Saisonstart aller Zeiten in der Zwischenbilanz. Gegen Mönchengladbach und Dortmund waren sicher keine hohen Siege zu erwarten, aber die beiden Heimpleiten gegen Hamburg und Frankfurt taten weh, waren doch beide Gegner nicht wirklich besser als der effzeh und auch in Augsburg musste man nicht zwangsläufig verlieren.
Leistungsträger völlig außer Form
Doch in Wahrheit setzen die Geißböcke nur ihre schwachen Auftritte aus der Vorbereitung fort. Der Trend, der dort bereits abzusehen war, wurde in negativ-beeindruckender Art und Weise bestätigt. Lediglich ein österreichischer Fünftligist wurde besiegt, alle anderen Duelle gegen unterklassige Teams endeten remis. In der Länderspielpause gewann man immerhin 7:2 beim Fünftligisten Herkenrath, blamierte sich aber gegen dessen erste Mannschaft in der ersten Halbzeit mit einem 1:2-Rückstand. Erst nachdem Herkenrath komplett durchwechselte, schaffte der effzeh die Wende.
Man kann also nach sieben Pflichtspielen (incl. der beiden Pokalwettbewerbe) mit Fug und Recht feststellen, dass die Mannschaft völlig außer Form ist. Das kann nicht nur am nun fehlenden Torjäger Anthony Modeste liegen. Es muss andere Gründe haben, warum diverse Spieler ihr Level aus der Vorsaison nicht mehr erreichen. Schließlich konnten Spieler wie Bittencourt, Jojic, Osako und Höger in der letzten Saison zeitweise entscheidende Impulse setzen. In der bisherigen Saison kam bisher gerade von diesen Spielern so gut wie nichts.
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In der Abwehr verhält es sich ähnlich: Frederik Sörensen gilt bei vielen Fans mittlerweile als Sicherheitsrisiko. Gerade beim Dänen, der in der Vorsaison zwar auch einige Aussetzer hatte, insgesamt aber zu den Leistungsträgern zählte, war die Hoffnung groß, dass er den nächsten Schritt machen könne. Doch aktuell scheint es so, als mache Sörensen eine Rückentwicklung durch. Auch Lukas Klünter erreicht keineswegs die Form seiner acht Spiele im Saisonendspurt, dem Youngster ist dies aber am ehesten nachzusehen. Bei ihm entdeckt man in dieser schwächeren Phase jedenfalls immer wieder gute Ansätze.
Kopf-Probleme beim 1. FC Köln?
Der einzige, der im Abwehrverbund aktuell seine Form gehalten hat, ist Dominique Heintz. Die Niederlagenserie konnte allerdings auch er nicht verhindern. Dies gilt übrigens ebenso für Timo Horn, der allerdings auch noch keine Unhaltbaren herausgefischt hat. Die Spiele liefen auch für den Torwart äußerst unglücklich. Dass ein Marcel Risse noch keineswegs bei 100 Prozent sein kann, war klar. Dennoch ist es erschreckend, dem Mann aktuell beim Fußball spielen zuzusehen, wenn man weiß, was er eigentlich leisten kann.
Dass so viele Spieler weit unter ihrem Vorjahres-Niveau spielen, muss Gründe haben. Hier ist natürlich das Feld der Spekulationen weit geöffnet. Ist der Kopf das Problem? Wurde in der Sommerpause zu viel über „Europa“ gesprochen? Haben die Spieler letzte Saison über ihre Verhältnisse gespielt oder gibt es ein Problem bei der nun durch die Teilnahme am Europapokal veränderten Trainingsplanung und -gestaltung? Für die Form der Spieler verantwortlich, das betont er auch immer selbst („Das ist Trainerjob“), ist Peter Stöger mitsamt seinem Trainerteam. Auch da darf man nach dieser Niederlagenserie, gepaart mit überwiegend schwachen Leistungen, einmal nachfragen, was denn auf dieser Position los ist.
Findet der Wiener nicht mehr die richtige Ansprache oder hat er gar den Draht zur Mannschaft verloren? Hat sich die jahrelange Zusammenarbeit mit der Zeit „abgenutzt“? Alles Fragen, die hier nicht beantwortet werden können, weil dies nur die Insider wissen können. Was jedoch bekannt wurde, war eine gewisse „Leere“, die Stöger nach dem großen Erfolg zum Saisonende verspürt hat. In mehreren Interviews gestand der kölsche Erfolgstrainer ein, das die Saison ihn ziemlich geschafft hätte und das der brutale Druck diese Leere im Erfolgsfall – auch für ihn überraschend – ausgelöst hatte. Nach der Sommerpause gab er an, dies im Urlaub überwunden zu haben.
Transfers – Welchen Plan verfolgte Schmadtke?
Doch war der Akku wirklich wieder aufgeladen oder war da eher der Wunsch der Vater des Gedanken? Beantworten kann diese Frage nur einer, nämlich Peter Stöger selbst. Um nicht missverstanden zu werden, Stögers Verdienst für den 1. FC Köln sind enorm! Aber auch er muss hinterfragt werden dürfen, wenn man die Gründe für den derzeitigen Absturz finden möchte. Hinterfragen heißt aber nicht „infrage stellen“, diesen feinen Unterschied sollte man beachten.
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Zur neuen Saison kamen auch neue Spieler, dieses Thema wird mittlerweile immer offener diskutiert. „Am Bedarf vorbei gekauft“ ist dabei der am häufigsten zu hörende Kritikpunkt Richtung Sportchef Jörg Schmadtke. In der Tat ist die Transferpolitik des effzeh nicht für jeden ersichtlich, faktisch (und ohne Polemik) wurde 25-Tore-Mann Modeste lediglich durch Fünf-Tore-Mann Cordoba ersetzt. Ein weiterer Offensivspieler wurde nicht verpflichtet, wohl auch, weil mit Guirassy ein “gefühlter Neuzugang” nach langer Verletzungsmisere in den Kader zurückkehrte.
Warum aber das Mittelfeld und die Außenpositionen weiterhin nicht verstärkt wurden, ist zumindest für Außenstehende nicht klar erkenntlich. Stattdessen wurden diverse Abwehrtalente geholt, die eher eine langfristige Perspektive darstellen. Auf diese Art wurden über 30 Millionen Euro investiert, eine Stärkung des Kaders wurde daraus nicht ersichtlich. Nicht einmal der Status Quo konnte gehalten werden, was wiederum bedeutet, dass die teuren Neuverpflichtung eher zur Schwächung führten. Ein Novum! Welchen Plan Jörg Schmadtke im Sommer auch hatte, sichtbar aufgegangen ist er jedenfalls bisher noch nicht.
Das Märchen von der Erwartungshaltung der Fans
Natürlich fahndet auch der 1. FC Köln nach den Gründen für die Misere. Dabei fällt immer wieder ein Wort: „Erwartungshaltung“! Peter Stöger nutzt dieses Wort gefühlt in jedem zweiten Interview, etwas seltener Jörg Schmadtke, der dennoch immer wieder durchblicken lässt, dass es eben „in Köln so ist“. Immer wieder wird damit angedeutet, dass man rund um den effzeh eben nun noch mehr erwarte als das bisher Erreichte. Somit wird auch eine gewisse Anspruchshaltung der Fans unterstellt und wie schwierig es ist, diesem als Verantwortlicher oder Spieler gerecht zu werden.
Egal wie oft das Wort genutzt wird, richtiger wird es nicht. Im Gegenteil. Es ist total falsch. Kaum ein Fan, eigentlich gar keiner, hat nun ernsthaft damit gerechnet, dass der FC nun die Champions-League-Plätze anpeilt, ins Finale der Europa League einzieht oder dass Cordoba nun mindestens auch 25 Tore erzielt. Viele wären – auch bereits vor der Pleitenserie – einfach nur froh, wenn der FC die Klasse hält. Es ist für die Anhängerschaft ärgerlich, dass man sich seitens des effzeh immer wieder darauf zurückzieht und demnach auch „den Fan“ für gewisse Entwicklungen mitverantwortlich macht. Der Verein sollte dies lassen und seinen Fans etwas mehr Zutrauen schenken. Sie haben sich das verdient.
Stadionthematik & Co – Ärgernisse
Abseits des Spielfelds finden sich aktuell viele weitere Themenfelder, die zumindest einen gewissen Anteil der Anhängerschaft und der Mitglieder zum Stirnrunzeln Anlass geben. Da ist die Stadionthematik, der Umgang mit der Mitgliederinitiative 100% FC, die China-Äußerungen des Präsidenten und der Umgang des Vereins mit den London-Fahrern, die sich zu 99,8% vorbildlich verhalten haben und – abseits von Zeitungen mit nur vier Buchstaben oder der englischen Yellow Press – europaweit Lobeshymnen von Fanvereinigungen und reflektierten Journalisten (ja, es gibt sie) zwecks der vorbildlichen Fankultur verdient hatten. Dennoch bedankte sich die Mannschaft im Emirates Stadium bei Arsenal nur kurz und recht kühl für den wohl außergewöhnlichsten Fan-Support seit Ewigkeiten. Schön, dass ein Michael Trippel als Stadionsprecher sich vor dem Heimspiel gegen Frankfurt wohltuend abhob und seinen Dank an die London-Fahrer mitteilte.
>>> Stellungnahme des “Südkurve 1. FC Köln e.V.”: Fans werben für “100 % FC”
Sportlich war das bisher rein gar nichts, auch im Umfeld gibt es seit längerem Probleme. Zum ersten Mal seit langer Zeit gibt es eben nicht nur positive Berichte zu lesen und naturgemäß werden diesen eher kritischen Text hier viele nicht gerne vernehmen. Dies sind vor allem diejenigen, die sich in Foren oder Social Networks bedingungslos hinter der Mannschaft, Trainer und der Führungscrew stellen. Sie betonen dann gerne ihre Zugehörigkeit zum Verein, und dass man „zesamme stonn“ muss, der FC-Hymne gemäß. Damit haben sie natürlich auch Recht, es ist quasi eine Selbstverständlichkeit, dies zu tun. Doch Kritiker, die sich sachlich zu Wort melden und konstruktiv ihre Argumente vortragen, sollten immer gehört werden.
Es geht nämlich nicht einmal im Ansatz darum, unseren geliebten Verein schlecht zu reden. Im Gegenteil, es ist die Sorge, dass wir uns in der Stunde des größten Erfolgs seit 25 Jahren nicht das kaputt machen lassen dürfen, worauf man so lange warten musste. Nämlich, wieder eine positive Rolle im deutschen Fußball spielen zu können. Daran haben die Verantwortlichen lange und bisher erfolgreich gearbeitet. Sie haben dafür alle – ob Trainer, Präsidium, Sportdirektor etc. – ihr berechtigtes Lob und viel Anerkennung bekommen, medial und von Seiten der Fans und Mitglieder.
100.000 Menschen, keine 100.000 Merchandiser
Eine neu aufkeimende Arroganz, die mittlerweile nicht wenige Fans und Mitglieder bei der Führungscrew ausfindig gemacht haben wollen, darf sich nicht durchsetzen. Man muss klar stellen, dass dafür kein Anlass besteht und dass es auf Dauer kontraproduktiv ist, sich gegen seine Anhängerschaft zu stellen, auch wenn diese sich einmal kritisch äußert.
Zurückziehen in Elfenbeintürme vereint keinen Verein. Und 100.000 Mitglieder sind keine 100.000 Kunden, die Merchandising betreiben. Es sind Menschen, denen ihr 1. FC Köln über alles geht und da haben sie das Recht sich Gedanken zu machen und Dinge vorzuschlagen. Das muss nicht jedem gefallen, ist aber zu akzeptieren. In diesem Sinne freut sich das „Kalenderblatt“ schon auf seine Oktober-Ausgabe, die sich geplant mit der beispiellosen Siegesserie unseres Vereins befassen sollte (Arbeitstitel: Oktober-Fest). Gemeinsam kommen wir da unten raus!
Euer Ralf Friedrichs
[toggle title=”Über den Autor: Ralf Friedrichs” load=”show”]Vielen ist Ralf Friedrichs als Moderator des FC-Stammtisches bekannt. Der passionierte Anhänger des 1. FC Köln veröffentlichte darüber hinaus die Satirereihe „Neulich am Geißbockheim“ sowie weitere Romane. Einmal im Monat meldet er sich auf effzeh.com in seinem Kalenderblatt zu Wort.[/toggle]