“Man muss auch auf die äußeren Faktoren Rücksicht nehmen”
Doch ich sehe aber auch, dass die äußeren Faktoren, auf die man hier sonst noch Rücksicht nehmen muss, einem Höllenritt gleichen, wie ein Insider es nennt: Denkmalschutz, Naturschutz, Lärmschutz, gravierende Mängel bereits jetzt bei der Verkehrslage, ein horrender Nachholbedarf bei der KVB und zu Recht kritische Anwohner, die das Projekt juristisch in die Länge ziehen oder gar verunmöglichen könnten. Wenn man sich das alles bewusst macht, fragt man sich nicht, ob man das nicht einfach lassen sollte. Hinzu kommt, dass sich der Verein für den Ausbau ein hohes finanzielles Risiko auf sich nehmen würde. Man sollte ja auch – zumindest theoretisch– einplanen, dass die sportliche Leistungskurve auch mal wieder nach unten gehen kann und dann weiß man nicht mehr, ob dann alle plötzlich noch ihren Spaß haben, jedes Wochenende zu leiden, wie wir das ein paar Jahre gemacht haben. Das drückt ja richtig aufs Gemüt.
Wenn man über Jahre hinweg immer diese Fahrstuhl-Erlebnisse hat und weiß, dass dann ein richtiger Trauerschleier über der Stadt und über den Schlagzeilen hängt, die einen von gestern Straßenecke anbrüllen. Wer zahlt dann noch, um den 1. FC Köln zu sehen? Ich glaube, das Herz der allermeisten hängt an Müngersdorf, keine Frage. Aber man muss jetzt mal sehen, wie es weitergeht.
Was man dann abwägt, was man für das Geld bekommt und die Emotionen außen vor lässt, ist es wahrscheinlich günstiger und praktikabler einen neuen Stadionkomplex zu bauen.
Und was ist mit den Fans, die nie an Karten kommen und den FC auch mal gern live und in Farbe erleben würden?
Foto: Mika Volkmann/Bongarts/Getty Images
Man könnte beispielsweise prüfen, wie viele Sitzplätze man in Steher umwandeln könnte. Das wäre eine gute Möglichkeit, um mehr Leute ins Stadion zu bekommen. Oder man schraubt an den Formen für die Ticketverteilung: Muss man wirklich alle Spiele sehen oder kann man auch mal zwei Spiele der Saison in der Kneipe gucken, wie andere auch? Für den Verein bringt das zwar keine Mehreinnahmen, aber es könnte den Frust der Fans entzerren, die nie an Karten kommen. Über solche Modelle könnte man drüber nachdenken.
Aber daran verdient der Verein nicht wirklich viel mit?
Rheindorf: Der Verein will einfach die Chance nutzen, Geld zu verdienen. Und dabei sprechen wir von einer Erweiterung der Plätze auf über 70.000 Besucher. Wenn das der erklärte Wille der Verantwortlichen ist, ist der Standort Müngersdorf einfach nicht konkurrenzfähig. Es gibt zwar ein allgemeines Bekenntnis zu Müngersdorf, aber wenn ich mir die Frage stelle, was es bedeutet, in Müngersdorf auszubauen, dann sind die Schwierigkeiten so hoch, dass es dort auf den ersten Blick gar nicht möglich ist. Man müsste so ziemlich alle bestehenden Regeln außer Kraft setzen, die Anwohner besänftigen, unverhältnismäßig tief in die Tasche greifen und der effzeh bekäme dafür nur 25.000 zusätzliche Plätze, darunter viele mit Sichtbehinderung. Was man dann abwägt, was man für das Geld bekommt und die Emotionen außen vor lässt, ist es wahrscheinlich günstiger und praktikabler einen neuen Stadionkomplex zu bauen.
“Im Zweifelsfall lieber kleinere Brötchen backen”
Man hat ja nicht ohne Grund einen Stadtplaner beauftragt, keinen Architekten. Albert Speer und Partner machen moderne Stadtplanung. Ich sehe da eher einen richtigen Komplex, eine „Stadium City“ mit allem Drum und Dran. Mit angeschlossener Shopping-Mall, eigenem Autobahnzubringer und perfekter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das, was da überlegt wird, ist eher die Kategorie „Think Big“. Das wird nicht vergleichbar sein mit Gladbach, wo man einfach ein Stadion aufs platte Land gesetzt hat. Das ist aber nur mein Gefühl, wenn ich spekuliere.
Dein Schlusswort?
Rheindorf: Um Köln die Zerreißprobe zu ersparen, würde ich an die Verantwortlichen appellieren: Prüft bitte ganz genau, welche Möglichkeiten man Müngersdorf hat. Im Zweifelsfall gilt: lieber kleinere Brötchen backen und die 75.000 Zuschauer erstmal ad acta legen. Stattdessen könnte man schauen, was man mit kleineren Maßnahmen erreichen kann.