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Interviews

Bosbach: “Jägers Gründe kenne ich nicht”

Die Sicherheitsdebatte ist neu entfacht – dank eines Vorstoßes von NRW-Innenminister Ralf Jäger. effzeh.com sprach mit CDU-Innenpolitiker und FC-Fan Wolfgang Bosbach nicht nur darüber.

© Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
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In den letzten Wochen hat die Debatte um die Sicherheit und deren Kosten rund um die Bundesliga-Stadien wieder an Fahrt zugelegt. Befeuert auch durch die Forderung des Bremer Senats zur Übernahme der Kosten durch die DFL und Äußerungen seitens NRW-Innenminister Jäger zur Reduzierung der Polizeikontingente (siehe hierzu auch unseren Kommentar: Eine Chance mit Hintertür). effzeh.com sprach dazu mit Wolfgang Bosbach, MdB und führender Innenpolitiker der CDU, aber auch leidenschaftlicher effzeh-Fan und auf Einladung von Präsident Werner Spinner aktiv bei der AG Fankultur des Vereins. Neben der aktuellen Problematik kam das Fan-Sein von Wolfgang Bosbach nicht zu kurz.

effzeh.com: Herr Bosbach, Sie gelten als leidenschaftlicher effzeh-Fan. Was war Ihr erstes Erlebnis rund um den effzeh?

Wolfgang Bosbach: Stimmt! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Hans Schäfer, unser legendärer WM-Held von 1954, mein erstes Idol war. Später waren es dann Wolfgang Overath und Heinz Flohe. Besonders gut in Erinnerung geblieben ist mir ein Abstiegsduell unserer Geißböcke gegen den Club aus Nürnberg (letzter Spieltag der Saison 1968/69, Anm. d. Red.). Nicht nur deshalb, weil der 1. FC Köln dieses Spiel 3:0 gewonnen hatte und wir damals dem ersten Abstieg aus der Bundesliga entronnen sind, sondern weil ich mit meinem Vater auf einem wackligen Klappstuhl auf der Aschenbahn saß – so etwas wäre heute völlig undenkbar.

effzeh.com: Wie oft schaffen Sie es noch ins Stadion und wenn ja: wo ist Ihre effzeh-Heimat dort?

Bosbach: Wann immer es mir zeitlich möglich ist, versuche ich zumindest die Heimspiele des 1. FC Köln nicht zu verpassen. Gelegentlich schaffe ich es sogar, zu einem Auswärtsspiel mitzufahren. Am 29. August habe ich eine politische Veranstaltung in Süddeutschland und da passt es prima, dass der effzeh einen Tag später in Stuttgart spielt. In Köln sitze ich meistens auf der Haupttribüne, bei Auswärtsspielen muss ich es nehmen, wie es kommt. Vor einigen Jahren habe ich einmal mitten in einem Pulk von Schalke-Fans gesessen, die mich schnell als effzeh-Fan enttarnt hatten. Ich habe mir zwar 90 Minuten Schmähgesänge anhören müssen, aber danach haben mir die Schalke-Fans doch tatsächlich geholfen, aus dem völlig vereisten Parkplatz herauszukommen. Ohne fremde Hilfe hätte ich das wohl nicht geschafft.

effzeh.com : Viele effzeh-Fans wissen genau, was ihr erstes effzeh-Spiel war. Und Sie?

Bosbach: Tut mir leid, da muss ich passen. Ich kann mich allerdings noch gut daran erinnern, dass ich damals von Bergisch Gladbach aus mit dem Fahrrad nach Köln-Thielenbruch gefahren bin und anschließend mit der Bahn zum Stadion. Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass die Stimmung schon damals phänomenal war und dass der effzeh das Spiel gewonnen hatte – und fortan hatte mich der Geißbock fest im Griff.

effzeh.com : Der Fußball ist, so hört man, “Schuld” an ihrer Parteikarriere. Erklären Sie doch einmal, wie es dazu kam.

Bosbach: Jedenfalls hat der Fußball meinen Eintritt in die Junge Union (JU) und CDU nicht unmaßgeblich beschleunigt. Die JU hat in den 70er Jahren regelmäßig Fußballturniere veranstaltet und eines Tages hatte man auch mich angesprochen, die JU-Mannschaft zu verstärken. Da habe ich sofort zugesagt und parallel die ersten politischen Veranstaltungen besucht. Die Kombination von ernsthafter politischer Arbeit und vielen sportlichen oder fröhlichen Veranstaltungen, die nichts mit Politik zu tun hatten, hat mir von Anfang an gefallen.

Wenn Innenminister Jäger der Auffassung ist, dass in den letzten Jahren viel zu viel Polizei im Einsatz gewesen sei und dass die Einsätze deshalb unverhältnismäßig massiv waren – warum sagt er das dann nicht?

effzeh.com : Kommen wir nun zum aktuellen Thema im Fußball – der Sicherheitsdebatte. Ihre Kollegen, gleich welcher Partei, sind sehr schnell mit oft sehr populistischen Lösungsansätzen in der Öffentlichkeit präsent. Wie sehr wurmt Sie das? Stoßen Sie dort mit ihren Argumenten häufig auf taube Ohren?

Bosbach: Mit dem Wörtchen “populistisch” wäre ich vorsichtig. Der Populismus-Vorwurf wird oft von denjenigen erhoben, die mit ihrer eigenen Meinung in der Minderheit sind oder zumindest glauben, dass sie sich in der Minderheit befinden könnten. Aber alleine deshalb, weil die Mehrheit eine andere Auffassung hat als man selber, muss die Mehrheitsmeinung nicht unbedingt falsch sein. Die richtigen Prüfungsmaßstäbe sollten nicht mehrheitsfähig oder nicht mehrheitsfähig sein, sondern: Ist der Vorschlag wirklich zielführend? Ist die Idee sinnvoll und praxistauglich? Ist die Maßnahme wirklich geeignet, ein konkretes Problem zu lösen oder handelt es sich nur um eine Scheinlösung, die möglicherweise sogar kontraproduktiv ist?

effzeh.com: Sie sehen angesichts der Pläne von NRW-Innenminister Jäger, das Polizeiaufgebot bei Bundesligaspielen in NRW zu verringern, die “öffentliche Sicherheit” gefährdet? Die gekonnte Auswertung der Polizeistatistiken der letzten Jahre lässt jedoch nicht auf eine besondere Gewalt- oder Sicherheitsproblematik rund um den Fußball schließen. Wie kommen Sie zu dieser drastischen Einschätzung?

Bosbach: Meine Einschätzung ist keineswegs drastisch, sondern basiert auf den bisherigen Äußerungen von NRW-Innenminister Ralf Jäger. Gerade der NRW-Innenminister hat in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass das massive Polizeiaufgebot rund um Fußballspiele zum Zwecke der Gefahrenabwehr unbedingt notwendig sei. Diese Meinung hat er jetzt wohl geändert. Mir ist nicht bekannt, welche Gründe ihn zu einer Änderung der Haltung bewogen haben. Wenn Innenminister Jäger der Auffassung ist, dass in den letzten Jahren viel zu viel Polizei im Einsatz gewesen sei und dass die Einsätze deshalb unverhältnismäßig massiv waren – warum sagt er das dann nicht? Wenn er der Meinung ist, dass die Einsätze in der Vergangenheit verhältnismäßig waren, dass sich aber die Sicherheitslage deutlich verbessert habe – auf welchen Erkenntnissen basiert diese Annahme? In den letzten Jahren haben die Innenminister immer wieder darüber geklagt, dass die Kosten für die Polizeieinsätze massiv gestiegen seien, weil immer mehr Polizeieinsatzzeiten zur Gefahrenabwehr notwendig gewesen wären. Mir ist nicht bekannt, dass dies die Innenminister heute grundsätzlich anders sehen.

Im Übrigen ist sich Innenminister Jäger wohl selber nicht ganz sicher, ob die geplanten Maßnahmen das gewünschte Ziel haben werden, denn der Erlass ist ja bis Ende September 2014 befristet. Außerdem gibt es in dem Erlass auch Maßnahmen, die meiner Überzeugung nach nicht auf ungeteilte Begeisterung der Fans stoßen werden, so zum Beispiel Überlegungen über eine deutliche Reduzierung des Kartenkontingents für die Gastmannschaften.

effzeh.com: Fanforscher Günter A. Pilz ist der Meinung, dass eine Verringerung des Polizeiaufgebots sogar positive Ergebnisse bringen könnte, da die meisten Auseinandersetzungen rund um die Spiele nicht zwischen den Fans sondern zwischen Fans und Polizei zu beobachten sind. Wieso hat Pilz in ihren Augen Unrecht?

Bosbach: Wenn Herr Pilz der Meinung ist, dass eine Verringerung des Polizeiaufgebots sehr positive Erfahrungen “bringen könnte”, dann ist das durchaus möglich. Wäre sich Herr Pilz jedoch sicher, dann würde er nicht sagen “bringen könnte”, sondern “bringen wird”. Es gibt also einen Unsicherheitsfaktor und mir geht es in erster Linie darum, dass keine Schutzlücken entstehen, die von Rowdys oder Chaoten ausgenutzt werden könnten. Daran müsste eigentlich das gesamte rechtstreue Publikum großes Interesse haben.

 

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